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Wenn zu viel Vertrauen gefährlich wird

Durch das Versprechen Mario Draghis, die EZB werde den Euro um jeden Preis retten, sind viele Anleger bereit, in Staatsanleihen europäischer Peripherieländer zu investieren – obwohl die Schuldenkrise noch lange nicht überwunden ist.

BÖRSE am Sonntag

Durch das Versprechen Mario Draghis, die EZB werde den Euro um jeden Preis retten, sind viele Anleger bereit, in Staatsanleihen europäischer Peripherieländer zu investieren – obwohl die Schuldenkrise noch lange nicht überwunden ist.

Hohe Schulden und Rezession – südeuropäische Staaten wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal stehen stellvertretend für die Eurokrise, die im Jahr 2009 ihren Anfang nahm. Das Bild hat sich geändert. Zwar steigt der Schuldenstand weiterhin, die Haushaltsdefizite reduzieren sich jedoch. Selbst das Defizit Griechenlands ist laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat von 2009 bis 2013 von rund 16 % auf 2 % gesunken. Portugal konnte in der gleichen Zeit sein Defizit von 10 % auf 4,5 %, Spanien von 11 % auf 6,6 % und Italien von 3,7 % auf 3,1 % verringern. Zum Vergleich: Deutschlands Defizit lag 2009 bei 3,1 % und 2013 bei 0 %.

Griechenland ist allerdings deutlich höher verschuldet als die anderen Europäer – 2013 betrug die Verschuldung 175 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Spanien und Frankreich waren es 94 %, in Italien 133 %, in Portugal 129 % und in Deutschland 78 %. Dies zeigt, dass die Eurokrise noch nicht vorüber ist. Denn die EU-Mitgliedstaaten haben sich 1992 durch den Maastricht-Vertrag gegenseitig zu den EU-Konvergenzkriterien verpflichtet. Zu den Kriterien zählt auch, dass der staatliche Schuldenstand nicht mehr als 60 % des BIP und das jährliche Haushaltsdefizit nicht mehr als 3 % des BIP betragen darf.

Die Investoren kommen zurück

Obwohl Europa noch immer deutlich in den roten Zahlen liegt, ist an den Finanzmärkten das Vertrauen wieder zurückgekehrt. Dies merkt man auch daran, dass sich Krisenstaaten wie Spanien, Italien und Portugal wieder günstiger refinanzieren können. So musste Italien Investoren Mitte 2012 jährlich 6 % für zehnjährige Staatsanleihen zahlen. Im September 2014 waren es nur noch 2,4 %. Spanien zahlte Mitte 2012 rund 7 %, im September 2014 nur noch 2,2 %. Griechenland bleibt die Ausnahme: Der Staat muss Investoren immer noch hohe Risikoaufschläge bieten, um Abnehmer für die Staatsanleihen zu finden. Griechische Staatspapiere rentierten im September 2014 mit gut 32 %.

Zugleich hellen sich die wirtschaftlichen Aussichten der Peripherieländer wieder auf: Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass Griechenlands Wirtschaft 2014 um 0,6 % und 2015 um 2,9 % wächst. Italiens Wirtschaftskraft soll 2014 um 0,3 % und 2015 um 1,1 % wachsen. Für Spanien erwarten die Experten des IWF 2014 einen BIP-Anstieg von 1,2 % und im kommenden Jahr ein Plus von 1,6 %.

Mario Draghis Rede

Neben den fundamentalen Daten hat eine Aussage im Juli 2012 entscheidend für das gestiegene Anlegervertrauen und die fallenden Renditen der Staatsanleihen gesorgt: Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) versicherte damals, alles Notwendige für die Euro-Rettung zu tun („whatever it takes“). Bis zu diesem Zeitpunkt hatten viele Marktbeobachter die europäische Gemeinschaftswährung bereits abgeschrieben. Mit der Folge, dass die Renditen der südeuropäischen Staatsanleihen derart in die Höhe geschossen waren, dass deren Refinanzierung sich drastisch verteuerte und die Länder beinahe in die Pleite getrieben wurden.

Investoren vertrauen offenbar seit der Rede Draghis darauf, dass die Krisenstaaten im Falle eines Falles gerettet werden. Kritiker warnen allerdings, dass durch die Garantie der EZB ein wichtiger Marktmechanismus außer Kraft gesetzt werde, da die Anleihen nicht mehr danach bepreist werden, wie hoch die Risiken der Peripherieländer seien. So sagt etwa der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, dass sich infolge der lang anhaltenden expansiven Geldpolitik neue Ungleichgewichte und Überbewertungen aufbauten.

Anleger blenden Risiken aus

Die Gefahr für Anleger: Im Zuge des allgemeinen Niedrigzinsniveaus bevorzugen viele von ihnen Anleihen von den vermeintlich sicheren Staaten wie Italien, Spanien oder Portugal, anstatt in tatsächlich risikoarme Papiere wie Bundesanleihen oder US-Staatsanleihen zu investieren. Andererseits ist das Motiv nachvollziehbar, da die Renditen von den als sicher geltenden Papieren nur sehr überschaubar sind: Zehnjährige Bundesanleihen rentierten zum Beispiel im September 2014 nur bei rund 1 %. Im Unterschied zu den Peripherieländern gilt die Bundesrepublik jedoch als sehr bonitätsstark. Die drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch bewerten die Zahlungsfähigkeit Deutschlands mit der Bestnote „AAA“ und stabilem Ausblick.

Standard & Poor’s bewertet Italien und Spanien hingegen mit „BBB“, was der Note „befriedigend“ entspricht, aber zugleich spekulativen Charakter und mangelnden Schutz gegen wirtschaftliche Veränderungen impliziert. Portugal ist mit „BB“ noch eine Note schlechter – der Zahlungsausfall des Landes wird also noch etwas höher eingeschätzt.

Fazit

Der Renditeabstand zwischen Staatsanleihen europäischer Krisenstaaten und den weniger riskanten Staatspapieren von bonitätsstarken Ländern ist so weit geschrumpft, dass sich die Frage stellt, ob südeuropäische Staatspapiere das Risiko noch angemessen einpreisen. Anleger sollten keinesfalls die Ausfallrisiken der Peripherieländer ausblenden oder verharmlosen. Experten gehen davon aus, dass die US-Notenbank im Jahr 2015 die Zinsschraube wieder anziehen wird. Ein Einstieg in US-Staatspapiere könnte sich dann durchaus lohnen.

Bereits 2014 konnten zehnjährige US-Staatspapiere mehr als doppelt so hohe Renditen bieten wie zehnjährige Bundesanleihen. Im September rentierten zehnjährige US-Treasury-Papiere bei 2,6 %. Standard & Poor’s stuft die Bonität der USA mit „AA+“ ein, also mit sehr gut bis gut. Bemerkenswert ist auch, dass US-Staatsanleihen in etwa genau so hohe Renditen erzielen wie Staatspapiere von europäischen Krisenländern – obwohl die Bonität der Südeuropäer wesentlich schlechter ist als die Bonität der USA.