Page 38

AT_2017_2

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART wurde von der EU provoziert. Wenn die EU ihre Politik nicht ändert, werden womöglich noch mehr Länder austreten. BÖRSE am Sonntag: Was könnten denn Ansätze für die Sozialpolitik sein? Prof. Sinn: Wir sollten nach meiner Meinung strikt trennen zwischen zwei Typen von Sozialleistungen: Erarbeitete und ererbte Sozialleistungen. Erabeitete Sozialleistungen sollten vom Gastland gewährt werden, in dem man gearbeitet und seine Beiträge gezahlt hat. Ererbte Leistungen sollten nach dem Heimatlandprinzip dauerhaft von jenem EU-Land gewährt werden, dessen Staatsbürgerschaft man hat. Beide Ansprüche sollten transportierbar sein, sodass man sie in jedem andern EU-Land seiner Wahl konsumieren kann. Nur so lassen sich die Sozialstaaten und die Freizügigkeit in der EU erhalten. BÖRSE am Sonntag: Vor all diesen Vorzeichen: Was würden Sie langfristig orientierten Kapitalanlegern jetzt empfehlen – Immobilien, Aktien oder vielleicht traditionelle Werte wie Gold oder andere Rohstoffe? Prof. Sinn: Das ist ja leider alles ausgereizt, denn ein Großteil des neuen Geldes, das die EZB im Zuge ihrer QE-Politik in Umlauf bringt, sammelt sich in Deutschland und sorgt hier für überhöhte Immobilien- und Aktienpreise. Auch der Goldpreis ist hoch. Hält man das Geld im Ausland, muss man bei einem Eurocrash mit Abwertungsverlusten rechnen. Hält man es in Deutschland, muss man wissen, dass die Forderungen gegen die deutsche Bundesbank, zu drei Vierteln nur noch durch bloße Target-Ausgleichsforderungen gegen andere Notenbanken des Eurosystems gedeckt sind. Zerbricht der Euro, entfällt diese Deckung vermutlich. BÖRSE am Sonntag: Was passiert denn dann? Prof. Sinn: Was dann passiert, ist unklar. Theoretisch kann es einen Währungsschnitt geben, es kann Inflation geben, es kann dazu kommen, dass die Bundesbank den Geldhaltern eigene Anleihen anbietet, um das überschüssige Geld wieder einzusammeln. Letzteres hieße aber nur, dass sie ihnen Forderungen gegen sich selbst gibt, denn in ihrer Funktion als Steuerzahler müssen sie dauerhaft für die Zinsen auf diese Papiere aufkommen. Es ist also eine ganz schwierige Situation entstanden. Je länger wir die EZB die Flutung der Märkte mit ihren unermesslichen Geldströmen weiter erlauben, desto größer wird das Risiko, und desto schwerer wird es füt Deutschland, sich den Wünschen der Südländer nach Einrichtung einer Fiskalunion mit festen Nord-Südtransfers zu widersetzen. Die EZB präjudiziert mit ihrer Politik die Entscheidungen der Parlamente und beraubt Deutschland seiner Handlungsoptionen. BÖRSE am Sonntag: Sie sprachen von „Blasen“. Glauben Sie an eine „Internetblase“, also die Überbewertung von Unternehmen wie Google oder Amazon? Und gibt es eine Blase von der Sie sagen, dass diese am ehesten zu platzen droht? Prof. Sinn: Ob etwas eine Blase ist, sieht man immer erst im Nachhinein. Die Kurse der Internetfirmen sind zwar astronomisch, doch ist das Internet eine Innovation von epochaler Bedeutung. Es erlaubt Geschäfte mit der gesamten Menschheit. Ich bin mir nicht sicher, ob man das als Blase bezeichnen sollte. Natürlich kann es immer Konkurrenz geben und dann brechen ganze Geschäftsmodelle wieder auseinander. Aber das ist, so glaube ich, noch etwas anderes als eine Blase. Das Interview führten Wolf-Christian Weimer und Stefan Groß. Foto: @ Phils Photography - Fotolia.com // Anlagetrends · 2017 | 2 38


AT_2017_2
To see the actual publication please follow the link above