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Markt im Fokus
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Es ist eine der Nachrichten, bei der man als Außenstehender mindestens
zweimal hinhören und sich wohl mindestens genauso oft
verwundert die Augen reiben muss. Bridgewater, 1975 von Ray
Dalio gegründet und inzwischen nach eigenen Angaben mit 160
Milliarden US-Dollar verwalteten Vermögens der größte Hedgefonds
Anbieter der Welt, investiert – verteilt über ganz Europa –
vierzehn Milliarden Euro in sogenannte Short-Positionen, wettet
also auf fallenden Kurse.
Hedgefonds-Anbieter wie Bridgewater genießen an den Märkten
ein durchaus zwiespältiges Ansehen wegen ihrer ausgefallenen und
höchst risikoreichen Geschäfte. Auf der Suche nach dem höchsten
Gewinn kennen sie kaum Grenzen. Sie investieren oft aggressiv,
sind zudem vergleichsweise lasch reguliert. Ob die Kurse steigen
oder fallen, Zinsen und Inflation hoch sind oder niedrig – Hedgefonds
versuchen die Erträge ihrer Kunden zu maximieren, zu jeder
Zeit und koste es, was es wolle. Die Big-Player durchforsten
jede Anlageklasse, jedes Land, jedes Unternehmen, jeden Zahlungsstrom
bis auf die Knochen und bis sie etwas finden, dass die
außergewöhnliche, die einzigartige Rendite verspricht. Natürlich
wird auch mit Nahrungsmitteln spekuliert oder mit Wohnraum
für Ärmere – oder es wird auf fallende Kurse gesetzt. Eine solche
Milliardensumme, wie sie Bridgewater nun über alle Branchen
hinweg in Short-Positionen investiert hat, scheint dann aber auch
für einen Hedgefonds als extrem hoch. Das Volumen der aktuellen
Milliardenwette darf durchaus als ungewöhnlich gelten.
Doch der inzwischen 68-jährige und 16 Milliarden Dollar schwere
Star-Investor Ray Dalio hat es getan. Und in Finanzkreisen genießt
eben jener ein hohes Ansehen. Nicht nur, weil er das Vermögen
seiner Kunden seit Gründung von Bridgewater um mehr als 50
Milliarden Dollar vermehrte und als extrem penibler wie überaus
gründlich informierter Investor gilt – er bewies auch schon oft,
dass er und sein Team ein Gespür für die richtige Wette zur rechten
Zeit haben. „Mit Erfolg gegen die allgemeine Überzeugung
aller anderen Investoren zu wetten“, bedeutet für Dalio erfolgreich
Geld anzulegen. Zu den Kunden, die ihm dabei vertrauen, gehören
auch Pensionskassen und Staatsfonds. Es ist eine Perversion
der eigentlichen Philosophie von Geldanlage, dass nun eben jene
darauf hoffen müssen, dass der europäische Aktienmarkt, womöglich
gepaart mit Negativfolgen für Wirtschaft und Finanzmärkte
weltweit, einbricht.
Aber sei’s drum. Nach Angaben des Bundesanzeigers hat Bridgewater
zuletzt allein mit Bezug auf den Dax Kursverlust-Wetten in
Höhe von sechs Milliarden Euro abgeschlossen. Dazu gehören vor
allem die Aktien von Großkonzernen mit hoher Marktkapitalisierung,
wie beispielsweise Siemens, BASF, Allianz oder Daimler. Die
illustre Liste setzt sich fort mit Deutsche Bank, Post und Telekom.
Allein bei Siemens hält Bridgewater Leerverkaufs-Positionen in
Höhe von 800 Millionen Euro. Das entspricht 0,86 Prozent des
Grundkapitals der Münchner. In Frankreich sieht Bridgewater vor
allem die Kurse von dem Mineralölkonzern Total, dem Konsumgüterhersteller
Danone sowie den beiden Großbanken BNP Paribas
und Societe Generale fallen. Insgesamt setzen die Amerikaner
in Frankreich vier Milliarden Dollar auf Kursauschläge gen Süden.
In Italien sind es die Finanzwerte, die im Vordergrund stehen, hier
rechnen die Fondmanager mit Turbulenzen im Zuge der Wahlen
im März. „Geshortet“ hat man deshalb unter anderem die Papiere
von Intesa Sanpaolo, Uni Credit und der Finecobank. Mit der ING
wettet man in den Niederlanden ebenfalls gegen einen Bank-Titel.
Insgesamt hat Bridgewater hier eine Milliarde Euro im Feuer. Und
auch spanische Aktien sind nicht sicher vor Dalios Hedgefonds.
Hier laufen Wetten gegen den Stromproduzenten Iberdrola sowie
die großen Geldhäuser BBVA und Santander.
„Wir wissen nicht genau, wie weit die Aktienmärkte und dann
die Wirtschaft vom Gipfel entfernt sind, aber es ist klar, dass die
Anleihenmärkte den Gipfel überschritten haben“, schrieb Ray Dalio
auf seiner Linked-In-Seite und erklärte damit ein Stück weit