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Gastbeitrag
Nettovermögensteuer:
Die falsche Antwort auf
eine berechtigte Frage
In Deutschland mehren sich derzeit die Forderungen nach einer Wiederbelebung der Vermögensteuer. Nicht
nur die SPD tritt für die Vermögensteuer ein, auch die Grünen haben sich dieser Forderung angeschlossen.
Gerechtfertigt wird diese Forderung mit wachsender Ungleichheit in der Vermögensverteilung, die vor allem
durch den Boom der Immobilienpreise verursacht wird. Was ist davon zu halten?
Ein Beitrag von Clemens Fuest,
Präsident des ifo Instituts
Nettovermögensteuern sind in fast
allen Ländern abgeschafft worden
Vielfach wird behauptet, andere Länder würden
22 // Anlagetrends · 2020 | 1
Vermögen stärker besteuern. Deutschland
würde mit der Einführung einer Nettovermögensteuer
also nur mit anderen
gleichziehen. Das ist falsch. Hier werden
verschiedene Steuern gleichgesetzt, die als
„vermögensbezogen“ bezeichnet werden,
aber sehr unterschiedlich sind: Dazu gehört
vor allem die kommunale Grundsteuer. Ihr
Aufkommen ist in Deutschland mit 0,4 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts in der Tat
niedriger als im Durchschnitt der OECDLänder
(1,1 Prozent). Deshalb hat etwa der
IWF vorgeschlagen, Deutschland sollte die
Grundsteuern erhöhen und mit dem zusätzlichen
Aufkommen Steuern auf Arbeitseinkommen
senken. Allerdings wird bei diesem
Vergleich leicht übersehen, dass Grundsteuern
im Ausland oft kommunale Leistungen
wie die Müllabfuhr finanzieren, für die in
Deutschland zusätzlich Gebühren erhoben
werden. In der aktuellen Debatte geht es jedoch nicht um Grundsteuern,
sondern um Steuern auf das Nettovermögen von Privathaushalten
und Unternehmen. Nettovermögensteuern sind in fast allen
Industrieländern in den letzten Jahren abgeschafft worden. Einige
Schweizer Kantone erheben mit dieser Steuer noch nennenswerte Einnahmen,
allerdings sind dafür die Einkommensteuern dort niedriger
als anderswo. In Spanien und Norwegen gibt es ebenfalls noch Nettovermögensteuern,
aber mit geringerem Aufkommen. Alle anderen
OECD-Länder, auch Hochsteuerstaaten wie Dänemark und Schweden,
verzichten auf diese Steuer. Damit ist klar: Mit der Einführung
einer Nettovermögensteuer würde Deutschland einen Sonderweg
beschreiten und sich von internationalen Steuertrends verabschieden.
Das muss natürlich nicht falsch sein. Aber wenn man diesen Weg
geht, sollte man dafür gute Gründe haben.
Kombination aus Vermögensteuer und Einkommensteuer
führt zu hoher Gesamtbelastung
Betrachten wir einen mittelständischen Unternehmer, dessen
Einkommen bei getrennter Veranlagung 300.000 Euro beträgt,
sodass er den Bereich des Spitzensteuersatzes von knapp 47,5
Prozent inklusive Solidaritätszuschlag erreicht. Er ist Eigentümer
eines selbst genutzten Einfamilienhauses, dessen Wert dem
Freibetrag bei der Vermögensteuer entspricht. Er überlegt, mit
Eigenkapital in Deutschland eine zusätzliche Produktionsstätte
zu errichten. Wenn man annimmt, dass die Investition eine
Rendite von 4 Prozent erwirtschaftet, dann ergibt sich daraus