wirken. Überall stürzen sich Staaten in Schulden,
um über Konjunktur- und Sozialprogramme die
Pandemie wirtschaftlich abzufedern. So addieren
sich mit der Pandemie die Ausgaben auf die atemberaubende
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Zahl von über 18 Billionen Dollar
(wovon 10,4 Billionen fiskalischer und 7,9 Billionen
monetärer Art sind), was fast 21 Prozent
des globalen BIP entspricht. Der derart viel Geld
im Markt treibt die Aktien- und Rohstoffkurse,
löst eine Asset-Inflation (auch bei Immobilien)
aus und endet gewöhnlich in einer allgemeinen
Inflation. Die größte Geldkanone in Europas Geschichte:
rechtfertigt Lagarde so: „Die Größe des
Programms ist genau angemessen, um die Bedürfnisse
zu befriedigen.”
Diese Geldflut sorgt zusehends bei den Anleiheinvestoren
für Nervosität. Die langfristigen Zinsen
sind zuletzt kräftig gestiegen. Doch höhere Zinsen
können sich weder die hoch verschuldeten Staaten
leisten, noch sind sie gut für die gerade wieder
anziehende Konjunktur in der Euro-Zone. Die
Staatsschulden von Italien beispielsweise sind auf
2,6 Billionen Euro geklettert. Ein Zinsanstieg um
einen Prozentpunkt würde den Schuldendienst
auf einen Schlag um 26 Milliarden Euro verteuern.
Aber auch an den Finanzmärkten würden
höhere Renditen für kräftige Turbulenzen sorgen.
Die Akteure haben sich auf dauerhaft niedrige
Zinsen eingestellt und entsprechend ihre langfristigen
Depots ausgerichtet.
Seit einem Jahr steigen – dank der Billionen-
Geldflut – die Aktienkurse nun schon kräftig. Ist
das in Anbetracht des Inflationsrisikos nun ein
eine Bullenfalle? Noch sind die meisten Fondsmanager
zuversichtlich. Der Konjunktur-Aufschwung
stehe bevor, das werde noch monatelang
gute Nachrichten produzieren. Impferfolge
und Konjunkturdaten würden im Sommer für
positive Stimmung sorgen. Die Impfkampagnen
seien der lang erwartete „Game-Changer“ in der
Pandemie. Ein derartiger Boom hebe immer auch
den Markt insgesamt, weil er die Fantasie vieler
Anleger beflügelt.
Insbesondere die Digitalisierung produziere
nicht bloß neue Wachstumsgeschichten.
Sie dämpfe auch das Inf lationsrisiko, machen
Optimisten Mut. Denn mit ihr erziele
die Weltwirtschaft umfangreiche Effizienzgewinne
und Kostensenkungen, wodurch
Preissenkungen ermöglicht werden. Die
Digitalisierung wirkt in der Tendenz also
dis-inflationär. Verstärkt wird dieser Effekt
zusätzlich durch den Wettbewerbseffekt der
Digitalisierung. Preisvergleiche im Internet,
die Möglichkeit, weltweit einzukaufen,
sind nur zwei Beispiele für eine zunehmende
Wettbewerbsintensität als Folge der
Digitalisierung.
Trotzdem warnen erste Wirtschaftswissenschaftler
vor dem Geldflut-Risiko. Der StarÖkonom
Thomas Mayer analysiert: „Die
Notenbanker glauben, sie können jederzeit
gegensteuern und die Zinsen erhöhen.“ Diese
trügerische Ruhe könne sich schlagartig ändern.
Mayer fürchtet einen neuen Finanzcrash,
wenn die Zinsen steigen. „Dann fliegt uns alles
ins Gesicht und die Notenbanken werden
schnell wieder die Zinsen senken.“ So sei es
im vierten Quartal 2018 gewesen: Als die USNotenbank
Fed begonnen habe, die Zinsen zu
erhöhen, stürzten die Kurse an den Börsen ab.
Fed-Chef Jerome Powell korrigierte daraufhin
zügig seinen Kurs und senkte die Zinsen
wieder. Den Notenbanken wird damit aber der
Handlungsspielraum immer enger, das Risiko
einer Vertrauenskrise immer größer.
Aktienanleger und Immobilieninvestoren sollten
daher die langfristigen Renditen im Blick
behalten. Der Zins ist die zentrale Größe zur
Bewertung von Aktien oder Immobilien. Steigende
Zinsen reduzieren den Gegenwartswert
zukünftiger Einnahmen und damit in Summe
den Fundamentalwert eines Assets, beispielsweise
Aktien oder Immobilien. Wenn sich
Zinsen kräftig erhöhen, dann sollte man am
Aktienmarkt Gewinne mitnehmen.
„Ich wurde
gewählt,
um Probleme
zu lösen.“
US-Präsident Joe Biden
Besondere Sorgen macht der Blick in die
USA. Die neue Regierung Biden steht vor
einem gewaltigen Problem: Erdrückende
Verschuldung, historisches Budgetdefizit,
Leistungsbilanz außer Kontrolle, Pandemieschock
– Bidens Antwort auf diese Risikokonstellation
ist das größte Konjunkturpaket
aller Zeiten. Der Umfang des Pakets in Höhe
von rund 1,9 Billionen US-Dollar (rund 1,6
Billionen Euro) entspricht fast zehn Prozent
der jährlichen US-Wirtschaftsleistung. Es soll
die hart von der Pandemie getroffene Wirtschaft
ankurbeln und Millionen neuer Jobs
schaffen. Finanzministerin Janet Yellen zahlt
unter anderem eine einmalige Direktzahlung
für die meisten Steuerzahler in Höhe von
1400 Dollar direkt aus.
Der Kongress hatte erst Ende Dezember ein
Hilfspaket in Höhe von rund 900 Milliarden
Dollar verabschiedet. Nach der Zuspitzung
der Pandemie in den USA hatte das Parlament
im vergangenen Frühjahr außerdem
schon Konjunkturpakete in Höhe von fast
drei Billionen Dollar beschlossen. Der Schuldenberg
der US-Regierung ist seither schnell
angestiegen. Einige Ökonomen befürchten
auch, dass durch das Konjunkturprogramm
nicht nur das Wachstum, sondern auch die
Inflation schnell angefacht wird.
Janet Yellen hält das Risiko langfristiger
Folgen für die amerikanische Bevölkerung
USA: Inflationsrate
von Februar 2020
bis Februar 2021
(Gegenüber dem
Vorjahresmonat)
Quelle: Bureau of Labor Statistics