Im Jahr 2004, just da Elon Musk sein Tesla-
Abenteuer beginnt, startet auch Lütke in Ottawa
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sein erstes Unternehmen: Snowdevil. Mit
seinem Snowboard-Freund Scott Lake will er
aus einer - auch ganz gründer-klassisch – Garage
heraus Snowboards über das Netz verkaufen.
Kurzerhand programmiert er eine eigene
digitale Plattform für den E-Commerce-Laden.
Das Kumpel-Geschäft mit den Snowboards
fliegt nicht so recht, sein Schwiegervater muss
finanziell aushelfen, doch plötzlich steigt die
Nachfrage nach der Software. Im Familien-
und Freundeskreis leiht er sich 200.000 Dollar
Startkapital zusammen und launcht 2006 offiziell
die E-Commerce-Plattform „Shopify“. Die
erste Firmenzentrale der zwei Gründer wird ein
Tisch im Bridgehead Coffee Shop in Ottawa,
der sich vor allem durch ein gutes WLAN auszeichnet.
Die Plattform ermöglicht kleinen und
kleinsten Onlinehändlern den Aufbau eigener
Shops, mitsamt Bezahloptionen und die Integration
in den Amazon Marketplace.
Vier Jahre nach der Gründung ruft Lütke –
im Herzen immer noch eine Spielernatur –
einen Wettbewerb aus, um Shopify bekannter
zu machen. Demjenigen Mittelständler auf
seiner Plattform, der den höchsten Umsatz in
zwei aufeinanderfolgenden Monaten erzielen
würde, wird ein MacBook Pro versprochen.
Ein Freund ermutigt ihn, das Preisgeld kurz
darauf auf 100.000 Dollar zu erhöhen, damit
die Aktion einschlägt. Der Wettbewerb
bringt 1400 neue Händler auf die Plattform
und beschert Shopify den Durchbruch. Investoren
und Wagniskapitalgeber melden
sich, 2015 folgt schließlich der Börsengang.
Wer damals bei Lütge mit 20.000 Euro eingestiegen
wäre, hätte heute mehr als eine Million
daraus gemacht.
Mit der Shopify-Software schafft Lütke aber
nicht nur gewaltige Börsenwerte. Ohne es anfangs
zu ahnen, gründet er eine Gegenwelt
zum Marktriesen Amazon. Millionen kleiner
Händler in aller Welt können mit Shopify
an Amazon vorbei direkt an Endkunden verkaufen.
Der Erfolg ist nicht bloß gewaltig, er
wird spektakulär. Das Wirtschaftsmagazin
„Barron’s“ (Wall Street Journal) kürt Lütge
2021 zum „besten CEO“ und „Anti-Amazon“.
Gerade da die Welt den Marsch ins Amazon-
Monopol fürchtet, kommt ein junger Deutscher
und eröffnet die digitale Konkurrenz.
Amazon-Aktien haben sich in den letzten drei
Jahren verdoppelt - die Aktien von Shopify
aber haben sich verachtfacht.
Die Corona-Krise führt für Shopify schließlich
zum globalen Durchbruch. Überall auf der
Welt wenden sich Händler ihren Online-Läden
zu und brauchen Lütkes einfache Software. Der
erweitert sein Angebot um eine Zahlungsplattform
(Shop Pay) und einen Fulfillment- und
Logistikarm; das Unternehmen hilft Händlern
heute umfassend auch mit Branding, E-Mail-
Marketing und Werbung. Inzwischen verkaufen
die größten Influencerinnen der Welt wie
Kim Kardashian oder Kylie Jenner über Shopify.
Alleine letztere hat schon mehr als 900
Millionen Lippenstifte über Shopify abgesetzt.
So ist der Schulabbrecher nicht nur einer der
reichsten Deutschen und erfolgreichster Startup
Unternehmer geworden, er führt jetzt auch
das größte Unternehmen Kanadas, sein Shopify
ist dreimal so wertvoll wie Ebay und die Wachstumsdynamik
nimmt noch zu.
Lütge freilich ist trotz des Milliardenspektakels
bescheiden geblieben. Er fährt mit Fahrrad zur
Arbeit, und sein Arbeitszimmer sieht immer
noch so aus, „als habe er gerade ein Praktikum
begonnen: stahlgraues Regal, Registerschrank,
zwei Arbeitsplätze – that‘s it.“, beschreibt das
Manager Magazin. Mit seiner Schiebermütze
(in seiner alten Heimat „Batschkapp“, in seiner
neuen „Flatcap“ genannt) und seinen wasserblauen
Augen sieht immer noch so aus wie ein
Koblenzer Rheinfischer, der sich auf den Feierabendwein
freut. Und freuen kann er sich derzeit
jeden Tag. WW
Amazon in US-Dollar Stand: 17.09.2021
Foto © picture alliance / empics | Nathan Denette
Begeistert von einer neue Augmented-Reality-Technologie:
Justin Trudeau, Premierminister Kanadas (Mitte) und
Tobias Lutke (rechts).