Milliarden Euro ESG-konform angelegt. Das
sind 25 Prozent mehr als 2019 und entspricht fast
einem Drittel der Marktkapitalisierung des DAX
zum selben Zeitpunkt. Vor allem nachhaltige
Investmentfonds sind bei Anlegern gefragt. Hier
stieg das Investitionsvolumen im Jahresvergleich
um 69 Prozent auf 107 Milliarden Euro. Privatanleger
34
investierten mit 39,8 Milliarden Euro 117
Prozent mehr in nachhaltige Fonds und Mandate
als 2019.
Für 2021 erwarten die im Marktbericht befragten
Finanzexperten weiteres Wachstum. 29 Prozent
der Befragten rechnet mit einem Plus von bis zu
15 Prozent, 36 Prozent halten Wachstumsraten
zwischen 15 und 30 Prozent für möglich, 35 Prozent
glauben sogar an einen Anstieg um mehr als
30 Prozent. In der Schweiz kletterte das Volumen
nachhaltiger Fonds im vergangenen Jahre sogar
erstmals über das von herkömmlichen Aktienpaketen.
Mit 649,5 Milliarden Franken machten sie
52 Prozent des gesamten Schweizer Fondsmarktes
aus, so das Ergebnis einer Studie von Swiss Sustainable
Finance.
Solche Verschiebungen werden unter anderem
von Zusammenschlüssen wie der Net Zero Asset
Owner Alliance (AOA), in deren Namen sich
inzwischen 33 institutionelle Anleger dazu verpflichtet
haben, ihre Portfolios bis 2050 klimaneutral
zu stellen, befördert. Darunter sind zwölf
Pensionsfonds, die allein 2,4 Billionen US-Dollar
verwalten. „Wir gehen diese Verpflichtung ein, da
wir erwarten, First-Mover-Vorteile zu erzielen und
langfristig Renditen zu sichern, indem wir das
Kapital unserer Versicherungskunden klimaschonend
anlegen“, wirbt die Allianz, die stolze 800
Milliarden Dollar verwaltet. „Wir Asset Owner
nehmen unsere Verantwortung ernst und steuern
im Dialog mit den Unternehmen, in die wir investieren,
auf kohlenstoffarme Geschäftspraktiken
hin“, erklärt Vorstandschef Oliver Bäte. Odd
Arild Grefstad, CEO des norwegischen Vermögensverwalters
Strorebrand, sagte bei Gründung
der AOA: „Nachhaltige Investments generieren
schon heute gute Renditen, was zeigt, dass solche
Anlagestrategien eine Win-win-Situation sind.
Für die Menschen, den Planeten und den Profit.“
Sind sie das wirklich? Wie ist es möglich, dass
bereits heute mehr als die Hälfte des Schweizer
Fondsvolumens in nachhaltigen Anlagen steckt?
Um das zu erreichen, müssen sehr viele Konzerne
innerhalb kürzester Zeit „grün“ geworden sein.
Das sind sie natürlich nicht. Das Grundproblem:
Auch die ESG-Kriterien bieten noch viel zu viel
Spielraum in der Auslegung und sind häufig von
unternehmensinternen Informationen abhängig.
Ein Unternehmen muss nicht besonders klimafreundlich
sein, solange es dafür auf Diversität
setzt. Von objektiver Stelle prüft niemand nach.
Dazu gibt es viele unklare Fälle: Ist ein Konzern
als nachhaltig einzustufen, wenn er zwar CO2-
neutral wirtschaftet, gleichzeitig aber Teile für
Atomkraftwerke produziert? Viele große Fonds
setzen überdies auf den sogenannten „Best-inclass“
Ansatz. Berücksichtigt werden dabei Unternehmen,
die im Vergleich zur Sektor-Konkurrenz
über ein hohes ESG-Rating verfügen und bestimmte
Kriterien hinsichtlich des Klimaschutzes
erfüllen. Je nachdem wie streng diese „bestimmten
Kriterien“ gehandhabt werden, könnte in der Theorie
auch der nach ESG-Rating nachhaltigste Öl-
Konzern mit in den Fonds aufgenommen werden.
Böse Zungen würden spätestens an dieser Stelle
von „Greenwashing“ sprechen. Der „Deka-Nachhaltigkeit
Renten“-Fonds beispielsweise hält als einen
seiner Top-5-Werte Aktien von Galp Energia
SGPS, einem portugiesischen Energie-Unternehmen,
das weltweit im Gas- und Ölgeschäft tätig
ist. Im „Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Mix“ finden
sich die Titel von Öl-Multi Total.
Schon ernster scheint es da der „iShares MSCI
World SRI UCITS ETF“ zu meinen. Große Ölkonzerne,
Betreiber von Kohle- oder Atomkraftwerken
sucht man in dem passiven Indexfonds
vergebens. Allerdings enthält auch er Aktien etwa
von Adidas, das Unternehmen gerät immer wieder
in die Schlagzeilen, weil es seine Sportartikel
in umstrittenen Fabriken in Asien produziert.
Ebenso finden sich Anteile am eigenen Konzern,
Blackrock, im Portfolio. Und Blackrock in Gänze
investiert nicht ausschließlich in nachhaltige
Unternehmen.
Hat der Chef der deutschen Verbraucherzentrale
Klaus Müller also recht, wenn er, wie in
einem Interview, sagt: „Nachhaltigkeit ist ein
fantastisches Werbeversprechen.“ Ist das einzige
nachhaltige an der nachhaltigen Geldanlage,
dass es weiterhin sehr nachhaltig nur
um gute Renditen geht?
Manche Fonds legen das nahe. Es gibt aber
auch Anbieter, die auf strengere Kriterien drängen
oder selbst intern nachschärfen. Triodos
Investment Management etwa bietet bei einem
verwalteten Vermögen von 5,4 Milliarden Euro
ausschließlich nachhaltige Fonds an und legt
dabei viel Wert auf den sogenannten Impact.
„Unter den Top-Unternehmen, die sich in den
20 größten ESG-Fonds befinden, sind viele
Technologie-Unternehmen, die zwar einen
geringen CO2-Fußabdruck aufweisen, jedoch
einen geringen positiven Impact auf die Umwelt
erzielen“, erklärt Vorstandschef Jacco Minnaar.
„Es ist einfach, ein Portfolio mit einem geringen
CO2-Fußabdruck zu erstellen: Sie wählen
einfach viele Technologie- und Finanzunternehmen
aus.“ Es bleibt die Frage: „Was ist der
tatsächliche positive Impact auf eine nachhaltige
Gesellschaft?“. Bei Triodos unterstützt man
deshalb auch die Transparenzbemühungen der
EU, allen voran die EU-Taxonomie. Diese sei
ein „zukunftsweisender Ansatz, der enorme
Auswirkungen auf die Transformation der
nachhaltigen Investmentbranche haben wird.
Sie unterstützt den Übergang zu einer Wirtschaft,
die mit den sehr ehrgeizigen Emissionsreduktionszielen
der EU übereinstimmt, und
umreißt ein Klassifizierungssystem und Screening
Kriterien, die die wirtschaftlichen Aktivitäten
definieren, welche einen wesentlichen
Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels
leisten können“, gibt sich Minnaar hoffnungsvoll.
„Letztendlich wird es den Markt verändern,
indem es ‚grün gewaschene‘ Produktangebote
reduziert.“
Auch in Triodos-Fonds finden sich allerdings
Unternehmen, wie Adobe, Henkel, Fresenius
oder Danone, über deren direkten Nachhaltigkeits
Impact sich diskutieren lässt. Um Anlegern
kein hochspekulatives Produkt anzubieten,
kommt man offenbar schwer drum herum, hier
und da ein paar Abstriche zu machen.
Als Fazit bleibt: Schöne Bilder allein reichen
nicht. Anleger sollten nachhaltige Fonds, in die
sie investieren wollen, genau prüfen. Nachhaltig
kann, aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet,
sehr vieles sein, nur am Ende vielleicht
gerade nicht das, was man selbst darunter versteht
oder erwartet. OG
HSBC MSCI SRI Select World ETF Stand: 17.09.2021