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BÖRSE am Sonntag INVEST 2017

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Kolumne Großbritannien: Schwächere Währung – starker Aktienmarkt? Die globale Konjunktur scheint aktuell rund zu laufen, viele Börsen weltweit eilen von Rekord zu Rekord. Der britische Aktienmarkt macht da keine Ausnahme: Seit dem Brexit-Beschluss konnte der britische Index FTSE 100, der die 100 bedeutendsten britischen Konzerne listet, um knapp zwanzig Prozent in Landeswährung zulegen. Die Stimmung unter den Marktteilnehmern scheint aktuell in Großbritannien gut zu sein – und sie lässt sich derzeit auch von politischen Ereignissen kaum eintrüben. Immerhin hat das britische Parlament jüngst den Weg für den formellen Brexit- Antrag in Brüssel freigemacht, und auch die britische Königin Elizabeth II hat dem zugestimmt. Premierministerin Theresa May kündigte daraufhin an, den EU-Austritt ihres Landes am 29. März offiziell erklären zu wollen. Zwar müssen die Abgeordneten nach Abschluss der Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU dem ausgehalndelten Vertrag noch abschließend zustimmen, ein „Nein“ dürfte hier jedoch unwahrscheinlich sein. Die Reaktionen an den Finanzmärkten auf den Parlamentsbeschluss waren angesichts der Verwerfungen im Anschluss des Brexit-Votums ein Stück weit überraschend: Sie hielten sich in Grenzen. Und der FTSE 100 lief weiter gut. Das britische Pfund geriet im Anschluss an die Parlamentszustimmung zunächst unter Druck, es konnte seine Verluste insbesondere dem Euro gegenüber jedoch schnell wieder wettmachen. Nichtsdestotrotz rechnet die Deutsche Bank damit, dass die britische Währung – wie bereits im Zuge des Brexit-Referendums – in den kommenden Monaten deutlich an Wert verlieren dürfte. Neben dem wohl steigenden Zinsunterschied zu den USA, der zu Kapitalabflüssen in Richtung Vereinigte Staaten führen könnte, sowie ersten Anzeichen einer Konjunkturabkühlung in Großbritannien dürften dabei vornehmlich die anstehenden Diskussionen um die Gestaltung des EU-Austritts eine Rolle spielen. Dementsprechend rechnet die Deutsche Bank bis zum Jahresende mit einer Abwertung des Pfund gegenüber dem US-Dollar 22 BÖRSE am Sonntag · II | 2017 um 13 Prozent – größere Schwankungen nicht ausgeschlossen. Auch der Wechselkurs zum Euro dürfte sich schwankungsintensiver zeigen, als es die Jahresendprognose, in der ein Minus von lediglich drei Prozent für das Pfund vorhergesagt wird, erscheinen lässt. Dasselbe Bild bietet sich beim Blick über den Ärmelkanal: Aufgrund der erwähnten Risiken hält die Deutsche Bank zwischenzeitlich sogar eine Parität Euro/Pfund für möglich, was einer Abwertung von mehr als zehn Prozent entspräche. Die Unternehmen im britischen Leitindex FTSE 100 könnten von dieser möglichen Pfundschwäche profitieren – denn sie erwirtschaften rund 60 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Ein schwächeres Pfund würde zum einen britische Produkte im Ausland günstiger und damit wettbewerbsfähiger machen. Zum anderen würde es sich positiv auf die Gewinnsituation von Unternehmen auswirken, die ihre Produkte in Fremdwährung verkaufen – schließlich Ulrich Stephan Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank Foto: © issumbosi - Fotolia.com


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