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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKAT E  Rohstoffe  Lebensart Welt auf neuen (Ab-)Wegen? Was denken Sie über dieses Thema ? Schreiben Sie direkt an den Autor, Herrn Reinhard Schlieker unter schlieker@boerse-am-sonntag.de Eigentlich sollte man es ja kennen, das Auf und Ab. Keineswegs nur an den Börse, oder gerade da sollte man daran gewöhnt sein: Ohne Auf und Ab würde sich jeder Börsenhandel erübrigen, jede neue Idee wäre unzulässig, jeder Niedergang bliebe unkommentiert. Denn Kurse sind, wie wir wissen, zu einem guten Teil einfach nur Meinungsäußerungen, gut bezahlte oder hart bestrafte, je nachdem. Und Meinungsäußerungen über die Vergangenheit in einer schnelllebigen Welt? Nichts langweiliger als das, es sei denn, man ist überzeugter Historiker. Deshalb, da die Gegenwart zwar rätselhaft ist, aber nicht genügend rätselhaft, bietet sich Zukunft an zur Spekulation, in dem wohl erwogenen Wissen, dass nichts so kommt wie man es erwartet, oder zumindest nicht alles. Leichter scheint es fast, eine Zukunft zu konstruieren aus Sachen, die wir kennen und deren Folgen wir uns ausmalen, ableiten also. Wie viel da schon schiefgehen kann, offenbart und in jüngerer, ja jüngster Vergangenheit (da ist sie wieder) das Verhalten der Notenbanken in und nach der Finanzkrise. Vor allem die amerikanische Fed hat mit ziemlich ungewöhnlichen Aktionen reagiert und tut es noch heute. Unter der neuen Chefin Janet Yellen bleibt das gewandelte Primat der Notenbanker das, was es jüngst wurde: Nicht nur die Preisstabilität, nicht nur das "Rundlaufen" der Wirtschaft, sondern vor allem auch der Arbeitsmarkt sollen bestimmen, wo es langgeht mit den monatlichen Milliardenausschüttungen der Zentralbank. Ein Konzept, das merkwürdigerweise gerade jenen Sektor der Volkswirtschaft als Messlatte hernimmt, der am wenigsten berechenbar scheint, jedenfalls in den USA. Die Erhebungen basieren auf bloßen Telefonumfragen, noch dazu nur bei einer klar definierten und eng begrenzten Gruppe von Menschen ohne Arbeit, die statistisch als relevant definiert wurden. Womit wir bei einem jener Beispiele wären. Die radikale Geldausschüttung in Amerika hat den Schwellenländern, aber auch den Börsen in den Industrieländern einen Boden bereitet, auf dem sie sprießen konnten. Die ersten Verringerungen des Füllhorn-Durchmessers Ende 2013 konnte demnach noch niemanden schocken. Seit Ende Januar aber wurde es ernst. Die angeblich berechenbaren Folgen der Geldpolitik, die laut Lehrplan hätten eintreten müssen, waren ausgeblieben, Inflation vor allem. Die Folgen jedoch, vor denen die meisten die Augen verschlossen hatten, die kamen und kommen: Eine geringere Flutung des Kapitalmarktes mit Dollars bringt jene in Bedrängnis, die von gepumptem Aufschwung leben. Schwellenländer brauchen die hohen Kurse daheim, um ihre expandierende Wirtschaft am Laufen zu halten, um Importe zu finanzieren, sich quasi Fortschritt kaufen zu können. Damit könnte es bald vorbei sein. Wer in den letzten Jahren keine eigenen Innovationen auf die Beine stellen konnte, bleibt reiner Importeur – auch von Wissen, und das ist längst in Dollar und Cent berechenbar. Wehe, wenn man dann nur Pfund oder Lira oder Baht hat. Und den Exporteuren bläst plötzlich doch mehr Wind ins Gesicht als gedacht. Es braucht also eine neue "Story", wenn man an die Zukunft glauben will. Allerdings: Der Wettbewerb darum, wer alle denkbaren Folgen der Wirtschafts- und Finanzpolitik großer Nationen möglichst abgewogen einschätzen kann, bleibt offen. Hier hilft wieder die Vergangenheit: Kollektiver Irrtum, gar Wahn, ist eher der Normalfall als die Ausnahme, auch wenn der Wahn nicht stets so prominent blüht wie die Tulpen in Amsterdam vor Jahrhunderten. Einfach nur gegen die Herde zu sein, hilft aber auch nicht, denn manchmal ist der Schwarm tatsächlich intelligent. Es helfen in undurchsichtigen Zeiten nur altbewährte, vernünftige Anlagekonzepte, und es kann manchen vielleicht traurig machen, dass man auch im 21. Jahrhundert nur so wenig mehr weiß als zuvor. Reinhard Schlieker ZDF Wirtschaftskorrespondent BÖRSE 04 am Sonntag · 1 | 201 4 Schliekers Woche Kolummne


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