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BaS_Print_02_2015_eMag_Teil2

Lebensar t  AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen  fonds  Zertifikate  rohstoffe Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ist vielgestaltig. Sie nimmt ihren Anfang im Kontext des Ersten Weltkriegs. Einer der grauenerregenden Schauplätze ist der Westen Armeniens, das Land um den Berg Ararat, den Van-See bis zur Stadt Trabzon – heute bekannt als Nordost-Anatolien. Armenien war – und ist! – seit der Spätantike christlich. Es waren Türken, die das Leben aller Armenier, die an ihrem Glauben festhielten, auf grauenhafte Weise auslöschen wollten. Die armenischen Kirchen, wunderbare Zeugnisse einer 17 Jahrhunderte dauernden christlichen Hochkultur – seit nun beinahe 100 Jahren sind die Menschen, die hier beteten, verschwunden. Wenigen nur gelang die Flucht, die große Mehrheit wurde zu Staub in den Weiten der anatolischen Wüsten, Opfer eines bis dahin unvorstellbaren Völkermords. Die Nachkommen und Nachfolger derjenigen, die das Land auf bestialische Weise ethnisch „säuberten“, leugnen beharrlich. Doch die Wahrheit läßt sich nicht vergraben, nicht verschweigen, nicht unterdrücken. Jüngst ist wieder eines der Bücher, die die Wahrheit enthüllen, erschienen. Für sein aktuelles Buch zum Genozid an den Armeniern 1915 konnte Michael Hesemann erstmals auf bisher unveröffentlichte Akten aus dem Geheimarchiv des Vatikans zurückgreifen, die den Völkermord eindeutig durch Berichte von Zeitzeugen als solchen belegen. Sie zeigen auch die verzweifelten, aber letztlich vergeblichen Bemühungen des Vatikan, vor allem in Person des Apostolischen Delegaten in Konstantinopel Msgr. Angelo Dolci und Papst Benedikt XV., die Verfolgung der Armenier durch das Regime der Jungtürken und seine willigen Helfer im Osmanischen Reich zu beenden. Armenien: neue Akten Detailreich schildert Hesemann die historischen Entwicklungen und politischen Voraussetzungen im Osmanischen Reich, die zum Genozid führten, dem rund 1,5 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Er spart auch nicht die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches aus, dem das Schicksal der Armenier nicht wichtig genug war, das an seinem Verbündeten, der Hohen Pforte, festhielt. Gegen die Verfolgung, die Grausamkeit, die lakonische Ausführung dieser schier unermeßlichen Steigerung der Unmenschlichkeit unternahm Berlin – trotz dingender päpstlicher Bitte – nichts. Strategische Überlegungen, nicht zuletzt die Versorgung der Mittelmächte mit Rohstoffen, wogen schwerer. Durch viele Augenzeugenberichte werden die zahlreichen Greueltaten, Zwangsbekehrungen und die grausamen Schicksale der Deportierten detailliert und ausführlich geschildert. Hesemann stellt, auch anhand der Akten aus dem Vatikan, deutlich heraus, dass es sich bei dem Völkermord erstens um einen solchen handelt und zweitens es dabei um eine systematische Säuberung von „christlichen Elementen“ im Osmanischen Reich ging. Denn auch andere Christen wurden Opfer der Verfolgungen. Ein deutliches Zeichen für einen religiös motivierten Rezension Michael Hesemann Völkermord an den Armeniern, 352 Seiten, Schutzumschlag, München 2015, ISBN: 978-3776627558, 25 Euro 100 Jahre nach dem Beginn des Völkermords BÖRSE 80 am Sonntag · 11 | 201 5


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