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Lebensart  AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen Trading  fonds  Zertifikate  rohstoffe Henry Kissinger und die Weltwirtschaftsordnung Was kann das neue Buch von Henry Kissinger einem Anleger, einem Trader, einem Aktienanalysten bringen? Nun, dass die politische Weltordnung etwas mit den Finanzmärkten zu tun haben könnte, das erkennt wohl jeder. Somalische Piraten, ost-ukrainische Milizen und ein „Islamischer Staat“ tauchen vor dem inneren Auge auf. Aber hängen Börse und Völkergemeinschaft, Handel und Recht wirklich so direkt voneinander ab? Die Antwort ist geradezu banal. Die politische Weltordnung bildet in jeder Hinsicht den Rahmen für die Möglichkeiten zu wirtschaftlichem Handeln. Dabei geht es nur vorderhand um Fiskalgesetze. Verschuldungsquoten und Währungssicherheit. Die tieferliegenden, weltweit relevanten Probleme bestimmter religiöser Sichtweisen, die mit einer freien Wirtschaftsordnung schlicht inkompatibel sind, lassen manche Finanzprofis erst seit kurzem aufhorchen. Doch die militärischen Konflikte, die immer offenkundiger werden und die Weltwirtschaft merklich abkühlen, lassen eine alternative Sichtweise kaum noch zu. Deswegen ist Kissingers Buch eine Pflichtlektüre zwischen den Weihnachtfeiertagen und Epiphanias. Erstaunlich! Die Werte, die im Westfälischen Frieden entwickelt wurden, bestimmen bis heute die westlich geprägte Sicht Rezension Henry A. Kissinger: Weltordnung. Aus dem Amerikanischen von Karlheinz Dürr, Enrico Heinemann, Deutsche Erstausgabe, C. Bertelsmann, gebunden, 478 Seiten; 24,99 Euro. auf die Welt, wirtschaftlich wie politisch, so teilt der im fränkischen Fürth aufgewachsene und vom deutschen Gymnasium Humboldtscher Prägung bis heute offenkundig profitierende Autor mit. Die „Westfälischen Regeln“ sieht Kissinger als die einzige allgemein anerkannte Grundlage einer globalen Ordnung. Sie werden herausgefordert von der Großmacht China und der totalitären Weltsicht eines Islam, und zwar dessen Ausprägungen, die weite Teile der Welt mit grauenerregendem Terror überziehen. Kissingers Botschaft ist eindeutig: „Ich glaube an Immanuel Kants Worte: Die Welt wird irgendwann zu einer Ordnung finden. Die Frage ist nur, ob durch menschliche Einsicht oder durch die Erfahrung des Chaos.“ Das geht jeden Anleger etwas an! Die Weltwirtschaft thematisiert Kissinger mehrfach, zumeist im Zusammenhang mit Saudi-Arabien. Das läßt tief blicken. Nicht umsonst ist dieses Land eine terra incognita für viele Anleger. Dort gilt sie eben nicht – die Macht des freien Marktes, des offenen Diskurses, der verantwortlich agierenden freien Händler. Wichtig ist also nicht nur das Nachdenken über das, was Kissinger schreibt, sondern auch das Aufspüren dessen, was er – notgedrungen – wegläßt. Klar wird indes: Die von Henry Kissinger beschworene Weltordnung ist nicht zuletzt eine Welt-Wirtschaftsordnung. sig BÖRSE 51 am Sonntag · 1v | 201 4


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