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Von diesem Zusammenbruch seines Finanzsystems hat sich die
zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas im Grunde nie wieder
richtig erholt. Die Frage ist, warum? Ein Grund ist, dass Macri
dem Übel der Korruption, das unter den Vorgängerregierungen
um sich gegriffen hat, bislang nicht den Garaus machen konnte.
Fast alle großen Baufirmen stehen im Verdacht, dass bei der Vergabe
von Staatsaufträgen nichts ohne Mauscheleien und Schmiergelder
läuft. Der dringend benötigte Ausbau der Infrastruktur des
Landes hinkt hinterher. Dazu kommt politische Instabilität. Macri
führt eine Minderheitsregierung. Beim Vorantreiben demokratie-
und marktfreundlicher Reformen ist er daher auf die Gunst der
Opposition, vor allem der ehemaligen Peronisten, angewiesen.
Das Reformtempo erlahmt dadurch immer wieder. Schließlich
spürt die argentinische Volkswirtschaft mehr und mehr den Gegenwind
durch steigende US-Zinsen und eine Eintrübung des
BÖRSE am Sonntag · III | 2018
Kolumne
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Welthandelsklimas.
Vor allem aber macht die anhaltende Dürre zu schaffen. Die Agrarexporte
sind massiv eingebrochen. Ersten Schätzungen zufolge
wird dies Argentinien ein bis zwei Prozentpunkte an Wirtschaftsleistung
kosten. Mittlerweile hat Macri eine allgemeine Exportsteuer
eingeführt, um den dramatischen Währungsverfall und die
rasante Teuerungsrate – derzeit sind es über 40 Prozent – in den
Griff zu bekommen. Fraglich bleibt jedoch, ob diese Maßnahme
gegen die zum großen Teil strukturellen Probleme helfen wird.
Hiermit ist ein wichtiges Stichwort gefallen: Argentiniens Probleme
sind weitgehend hausgemacht. Zwar gibt es Parallelen
zur Türkei und anderen Schwellenländern wie etwa die hohe
Auslandsverschuldung. „Ansteckungseffekte“ auf die gesamten
Emerging Markets sind jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht
zu befürchten. Anleger sollten dennoch gewarnt sein. Steigende
Währungs- und Schuldenrisiken sind ein Thema, das sie im Blick
behalten sollten. Argentinien und die Türkei werden keine Einzelfälle
bleiben. Dies darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen,
dass sich die externen Schulden der Emerging Markets weiterhin
auf einem gesunden Niveau bewegen. Vor allem in den wirtschaftlich
bedeutenden Staaten Russland, Indien, Brasilien und
China sind die Währungsreserven in Fremdwährungen vielfach
auf historisch hohem Niveau angekommen. Gerade China als
inzwischen stärkster US-Dollar-Ankäufer befindet sich somit in
einem extrem gesunden Zustand. Ein Übergreifen der aktuellen
Argentinien-Krise ist somit auch von der Währungsseite her
unwahrscheinlich.
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