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Anlagetrends2016

Griechenland und den Diskussionen um das Staatsanleihenkaufprogramm gesehen werden konnte, auch eine nicht zu vernachlässigende politische Rolle. Die Doppelrolle der Europäischen Zentralbank bestand darin, bis zum Sommer 2015 auf der einen Seite von den Regierungen in der Eurozone fiskalische Disziplin nach dem Vorbild Deutschlands einzufordern; auf der anderen Seite gibt sie den Regierungen durch eine noch nie zuvor gesehene lockere Geldpolitik Handlungsfreiheit. Mit der Griechenlandproblematik dieses Jahres konnte die Europäische Zentralbank ihre Rolle in der Eurozone noch weiter präzisieren: Letztlich entscheidet die EZB als Kombination aus Zentralbank und Aufsicht über den Verbleib eines Landes in der Eurozone. Nachdem Ende Juni 2015 die Verhandlungen über ein weiteres Rettungspaket für Griechenland zu scheitern drohten und damit das südeuropäische Land bankrott war, schloss die Europäische Zentralbank die griechischen Geschäftsbanken. Griechen konnten plötzlich nur noch 60 Euro Bargeld pro Tag abheben und die Regierung beschloss Kapitalverkehrskontrollen. Geld ist demnach kein neutrales Medium, wie es Wirtschaftswissenschaftler gerne annehmen, sondern steht unmittelbar in Verbindung zur Solvenz von Staaten. Nur Zeit gekauft Kritiker sehen in den Aktionen der EZB jedoch keine Lösung der strukturellen Probleme. Durch die Staatsanleihenkäufe verhindert die EZB dringende Strukturreformen, da der Druck auf die Euroländer nachlässt. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit der EZB von diesen stark verschuldeten Ländern. Letztlich werden Probleme einfach in die Zukunft verlagert. Wenn die Euroländer ihre Probleme nicht ernsthaft anpacken, kann auch der pflichtbewusste Präsident der EZB nichts mehr machen. späteren Nobelpreisträger Paul Krugman und Ben Bernanke, dem ehemaligen Präsidenten der US-amerikanischen Zentralbank, zu studieren. Zu diesem Zeitpunkt lehrten dort so einflussreiche Ökonomen wie Paul Samuelson, Bob Solow und Franco Modigliani. Die US-Erfahrung hat ihn weitreichend geprägt. Er gewann die Einsicht, dass es darauf ankommt, Menschen nach ihren Handlungen zu beurteilen und nicht danach, welcher Nationalität sie angehören. So sagte er in einem Interview, dass diese Erfahrung von Weltoffenheit ihn zu einem echten Europäer werden ließ. Nach seiner Rückkehr begann er in Italien zu unterrichten. Allerdings zog es ihn in die Praxis. Er sammelte Erfahrungen in der italienischen Regierung, bei der Finanzaufsicht, der Weltbank und in der Privatwirtschaft. Während seiner Zeit im italienischen Finanzministerium arbeitete er an den Maastricht-Regeln mit und gilt seither als Wegbereiter Italiens in die Eurozone. Sein Ausflug in die Privatwirtschaft wird dagegen kritischer eingeschätzt. So soll Goldman Sachs EU-Defizitländern wie Griechenland beim Schönen ihrer Haushaltszahlen geholfen haben. Die kurze Episode in der Privatwirtschaft wurde mit seiner Berufung zum Präsidenten der italienischen Zentralbank im Jahr 2005 beendet. Bis zum Wechsel zur Europäischen Zentralbank im Jahr 2011 hatte er diesen Posten inne. Zusätzlich war er auch Chef des Finanzstabilitätsrats (FSB), der an der Konstruktion einer künftigen stabilen Weltfinanzordnung arbeitet. Die Doppelrolle Seine vielfältigen Erfahrungen haben Draghi sehr gut auf seine Rolle bei der Europäischen Zentralbank vorbereitet. Denn anders als die Bundesbank, die sich alleine auf das unpolitische Ziel Preisstabilität konzentrierte, hat die Europäische Zentralbank durch die Vielzahl von Mitgliedstaaten, wie an den Ereignissen in 19


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