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Anlagetrends2016

TRADING 77 Pro & Contra Zinserhöhung in den USA? Aufgeschoben ist nicht aufgebohen Die ausgebliebene Zinserhöhung der US-Notenbank im September hat für erhebliche Turbulenzen gesorgt. Die Glaubwürdigkeit der Fed wurde leicht beschädigt. Im Jahresverlauf wird die Zinserhöhung nachgeholt. Sie lässt sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln als notwendig, ja sogar als überfällig, beschreiben. Die Aussichten für das BIPWachstum Uwe Wiesner Portfoliomanager der Hansen & Heinrich AG, Berlin der USA haben sich mit ca. 2,5 Prozent Wachstum für 2015 und darüber hinaus stabilisiert. Der US-Arbeitsmarkt ist mit einer Quote von 5,1 Prozent und im Durchschnitt 200.000 neu geschaffenen Stellen pro Monat robust. Es gibt, wie die August sichtbar, erste Zeichen von steigenden Löhnen und steigenden Preisen. Hinzu kommt volkswirtschaftlich ein quasi „Konjunkturprogramm“ durch gefallende Ölpreise und gefallende Rohstoffpreise. Die negativen Inflationsaspekte der fallenden Rohstoffpreise sind ab 2016 nicht mehr wirksam, so dass negativer Druck auf die Inflation entweicht. Als weiterer volkswirtschaftlicher Aspekt gilt es zu berücksichtigen, dass sich die amerikanischen Konsumenten in den letzten fünf Jahren massiv entschuldet haben. Dies wird im 4.Quartal 2015 und danach zu steigenden Konsumausgaben führen. Daher wird die US-Konjunktur einen ersten Zinsschritt kombiniert mit einer klaren Kommunikation über den weiteren Verlauf problemlos verkraften. Die schlechte volkswirtschaftliche Situation Chinas wird häufig als Argument für eine ausbleibende Zinserhöhung in den USA genannt. Das Land verändert sich von einer reinen Exportwirtschaft zu einer mehr binnenorientierten Wirtschaft. Dieser Übergangsprozess ist mit kurzfristigen Unsicherheiten und Schwankungen an den Märkten verbunden. Unabhängig davon wächst China auch 2016 mit über sechs Prozent. Die Kapitalmärkte haben sich, wenn auch mit staatlicher Hilfe, stabilisiert. Darüber hinaus ist die Fed nicht für weltwirtschaftliche Fragen zuständig, sondern sie ist der US-Wirtschaft verpflichtet. Das Fenster für eine aktive Zinspolitik der Fed ist nicht unbegrenzt lang offen. Im Herbst 2016 finden in den USA Präsidentschaftswahlen statt. Nur bis April oder Mai können die Notenbanker erfahrungsgemäß han-deln. Denn in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs ist Zurückhaltung angesagt. Der Fed bleibt also nur ein gutes halbes Jahr Handlungsspielraum. Negativzinsen in den USA? Sage niemals nie! Entgegen aller Erwartungen erhöhte die Federal Reserve den Leitzins nicht. Aufhorchen ließ die Begründung: Erstmals führte die Fed die wirtschaftliche Schwäche in China und den Schwellenländern ins Feld. Letztlich aber ist Amerika von den dortigen Entwicklungen unmittelbar betroffen – über die Inflation, die bei extrem geringen Stephan Albrech Vorstand der Albrech & Cie Vermögensverwaltung 0,2 Prozent liegt. Hier kommt China ins Spiel. Dessen Konjunktur ist ins Stocken geraten. Peking versucht nun, den Renminbi kontrolliert abzuwerten, um wettbewerbsfähiger zu werden. Damit erhöht der weltgrößte Exporteur den deflationären Druck auf die Industrieländer. Denkt man sich vor diesem Hintergrund den Renminbi weitere 10 bis 20 Prozent günstiger, stellt sich die Frage: Wie niedrig bzw. negativ werden die Teuerungsraten in den USA und Europa dann sein? Die USA-Währungshüter wissen um diese Zusammenhänge: Hätten sie jetzt die Zinsen erhöht, würde nicht nur Kapital in die USA fließen und den Dollar im Wert weiter steigen lassen. Auch würden die Importpreise und die ohnehin zu niedrige Inflationsrate erneut sinken. Wir glauben daher, dass die Fed die Zinsen erst anheben wird, wenn die Teuerung spürbar anzieht. Da dies unter dem deflationären Druck durch China und andere Schwellenländer aber unwahrscheinlich ist, dürfte die nächste Zinserhöhung weiter entfernt sein, als viele glauben. Noch mehr: Verschärft sich das Problem, könnte die Fed sogar Negativzinsen einführen! Wer das für Unsinn hält, sollte wissen: Bei der jüngsten Sitzung hat eines der zehn stimmberechtigten Fed-Mitglieder für einen negativen Zins von minus 0,125 Prozent für 2015 und 2016 votiert – es war das allererste Mal in der Geschichte der Fed, dass negative Zinsen in Erwägung gezogen wurden. In der Pressekonferenz darauf angesprochen, antwortete Yellen, dass nominal negative Zinsen für die Fed als Ganzes momentan „kein Thema“ sind. Verfestigen sich die deflationären Tendenzen in den USA, könnte sich das ändern – schließlich besteht der wirtschaftliche Alptraum der Amerikaner nicht in zu viel, sondern zu wenig Inflation! Bei einer Teuerungsrate von minus ein bis zwei Prozent könnte die Fed negative Zinsen durchaus zum Thema machen.


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