Wie stark steigt die Fresenius-Aktie?
Der Aufstieg des Gesundheitskonzerns Fresenius in den EuroStoxx 50, also in die erste europäische Aktienliga, zeigt eindrucksvoll, welchen Ruf solch ein früher als „unsexy“ diskreditiertes „Langweilerunternehmen“ mittlerweile genießen kann. Nicht einmal das China-Gespenst flößt Fresenius Angst ein. Wieviel Luft nach oben hat der Aktienkurs der Bad Homburger?
Der Gesundheitskonzern Fresenius wird zum 21. September den Energieversorger RWE als Mitglied des EuroStoxx 50 beerben. Das ist der gerechte Lohn für die erfolgreiche Arbeit der Bad Homburger in den letzten Jahren. Während die vom Automausstieg der deutschen Bundesregierung hart getroffenen Essener nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, blickt Fresenius auf einen langanhaltenden Wachstumskurs zurück, dessen Ende noch lange nicht in Sicht ist. Alleine in den Jahren 2008 bis 2014 hat sich der Umsatz unter anderem dank zahlreicher Übernahmen nahezu verdoppelt auf 23 Milliarden Euro. Und auch dieses Jahr hält die Erfolgsserie an. Im zweiten Quartal gab es beeindruckende Umsatzanstiege von 26 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro, eine Stärkung des operativen Ergebnisses von 28 Prozent auf 971 Millionen Euro sowie ein Plus von 35 Prozent auf 350 Millionen Euro beim Nettoergebnis zu bejubeln.
Kein Wunder also, dass die Fresenius-Aktie ein Renner an der Börse ist. Seit Jahresbeginn ging es um mehr als 40 Prozent bergauf – kein anderer Dax-Wert kann diese märchenhafte Entwicklung toppen. Auch die jüngste allgemein herrschende Verkaufspanik hat im Hinblick auf den Kurs kaum Spuren hinterlassen. Schnell konnte das Papier einen leichten Abwärtstrend stoppen, um sich wieder nach oben zu orientieren. Der Höchststand von 66,56 Euro, der Mitte August erreicht werden konnte, ist wieder zum Greifen nahe. Während andere Dax-Konzerne unter der Last von Griechenland, China und den baldigen Zinserhöhungen in den USA keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen, scheinen diese Probleme an Fresenius einfach abzuprallen. Der Konzern aus der 52.000 Einwohner zählenden Kreisstadt entwickelt sich zusehends zum Fels in der deutschen Börsen-Brandung. Im Gegensatz zum Dax, der seine 200-Tages-Linie deutlich unterschreitet, ist bei dem Bad Homburger Traditionskonzern der Gleitende Durchschnitt nicht bedroht.
Der Aufwärtstrend hält also an, da der Kurs deutlich über der langfristigen Durchschnittslinie von rund 54 Euro notiert. Durch den Aufstieg in den EuroStoxx50, der zu den führenden Börsenbarometern Europas zählt und die Kursentwicklung der 50 großen Unternehmen der Eurozone aus verschiedenen Branchen abbildet, kann sich das Fresenius-Papier weitere Impulse erhoffen. Zudem lockt die Aktie mit permanent steigenden Dividendenzahlungen. Auch dieses Jahr wird die Dividende wieder erhöht- und zwar zum 23. Mal in Folge. Diesmal fällt die Ausschüttung mit einer Zunahme von deutlich über 20 Prozent besonders üppig aus. 2014 waren es sechs Prozent mehr, also gab es insgesamt 44 Cent.
Satter Gewinnanstieg - nutzt das der Aktie?
Angehoben hat der Gesundheitskonzern, der unter anderem im Krankenhaus – und Dialysegeschäft aktiv ist, auch die Prognose fürs Gesamtjahr – und das sogar schon zum zweiten Mal binnen weniger Monate. Ausschlaggebend sind dafür insbesondere gut laufende Geschäfte mit Generika, also Nachahmer-Medikamenten, in den USA. Und so rechnet man in Bad Homburg, dessen Motto aus Sicht von Fresenius passenderweise Champagnerluft und Tradition lautet, mit einem Gewinnanstieg von 18 bis 21 Prozent statt zuvor 13 bis 16 Prozent. Beim Umsatz erwartet man nun ein Wachstum zwischen acht und zehn Prozent, anstatt wie bislang einen Anstieg zwischen sieben und zehn Prozent. Darüber hinaus geht das Management davon aus, das für 2017 ausgegebene Ergebnisziel von 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro bei den derzeitigen, günstigen Wechselkursen bereits in diesem Jahr zu erreichen. In Zukunft könnte das hessische Unternehmen zudem noch stärker von China profitieren. Dies alles bedeutet Phantasie für den Kurs des Fresenius-Aktie.
Während sich die Entwicklungen im Reich der Mitte für viele andere börsennotierte Konzerne als äußerst besorgniserregend darstellen, ist die Branche, in der Fresenius agiert, weit weniger betroffen. Im Gegenteil: Da die Regierung in Peking das Gesundheitssystem bis Ende des Jahrzehnts deutlich ausbauen will, könnte sich das für Fresenius bald richtig bezahlt machen. Derzeit liegt der Anteil von China am Gesamtumsatz bei etwa drei Prozent. Ferner dürfte Fresenius neben den sich langsam auflösenden Arzneimittelengpässen in den USA und überraschend schnellen Produktneueinführungen nicht zuletzt von medizinischen Fortschritten und vom demographischen Wandel profitieren. Außerdem spielen die extrem niedrigen Zinsen den Bad Homburgern in die Karten, und so freuen sich die zu den nicht-zyklischen Unternehmen gehörenden Hessen über immer mehr Aktionäre, die vor allem aus der stetig wachsenden Gruppe der vorsichtigen, risikoscheuen Anleger kommen. Insofern scheint das Potential der Aktie trotz des rasanten Aufstiegs der vergangenen Monate und Jahre für 2015 noch lange nicht ausgeschöpft. Die bekannten Risiken können Fresenius vielleicht bremsen – aufhalten werden sie die Aktie nicht. Die Frage, wie stark das Fresenius-Papier steigen wird, kann also nur mit relativer Genauigkeit benatwortet werden. Die Prognose aber kennt nur eine Richtung. Nach oben. WIM