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German Pellets: Anlegern droht Totalverlust

Im Umfeld sinkender Rohstoffpreise und dem Hype um erneuerbare Energien ist German Pellets GmbH in die Insolvenz gerutscht. Die Erlöse aus der Holzpellets-Produktion sanken von 2012 bis 2014 um elf Prozent. Zugleich steckten mehrere Tochtergesellschaften tief in den roten Zahlen. Doch Peter H. Leibold, der Gründer von German Pellets, investierte in neue Großprojekte. Anlegern droht ein Desaster. Warum ist das alles nicht aufgefallen?

BÖRSE am Sonntag

Im Umfeld sinkender Rohstoffpreise und dem Hype um erneuerbare Energien ist German Pellets GmbH in die Insolvenz gerutscht. Die Pellet-Preise sinken weltweit seit Jahren, mehrere Tochterfirmen sind tief im Minus, und in den USA binden zwei große Werke, eines davon nicht einmal betriebsbereit, viel Kapital. Als nun eine Anleihe fällig wurde, ist das Gesamtkonstrukt geplatzt. Anleger müssen um ihre Investments bangen. Eine Quote von 0,4 Prozent als Rückzahlung steht im Raum. Ein Desaster droht.

Die Erlöse aus der Holzpellets-Produktion sanken von 2012 bis 2014 um elf Prozent. Zugleich steckten mehrere Tochtergesellschaften der German Pallets GmbH tief in den roten Zahlen. Doch Peter H. Leibold, der Gründer von German Pellets, investierte in neue Großprojekte. So etwa in den Ofenbauer Kago, der inzwischen ebenfalls insolvent ist. Zudem kaufte Leibold das belgische Kohlekraftwerk Langerlo, es wurde in letzter Minute vor der Insolvenz von RWE übernommen. Die schwerste Belastung für German Pellets sind allerdings zwei Hackschnitzel-Werke, die in den USA stehen und von denen dasjenige in Louisiana nicht einmal betriebsbereit ist.

Die Werke in Übersee wurden mit einem komplizierten System aus Firmenkonstrukten und über weitere Anleihen finanziert – ein Kartenhaus, das nun in sich zusammengefallen ist. Das Internetportal „Anlegerplus“ hatte schon am 15. Juli des letzten Jahres gewarnt: „Die Anleger sollten genau hinsehen bei der German Pellets GmbH, einem der größten Emittenten von sogenannten Mittelstandsanleihen in Deutschland. Intransparente Vorgänge, eine hohe Verschuldung und die operativen Risiken könnten die Rückzahlung der von der Gesellschaft begebenen Unternehmensanleihen zum Verlustgeschäft machen.“ Die Bestätigung kommt dieser Tage. Die Finanzlage des Unternehmens und das Geschäftsgebaren des Firmeneigners schürten „nicht gerade die Hoffnung, dass man viel von seinem Geld zurückbekommt“, sagte Marvin Müller-Blom von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, DSW.

Nur 0,4 Prozent Rückzahlung?

Das deutsche Unternehmen German Pellets wurde 2005 in Wismar gegründet. Es hat derzeit mit 15 Standorten in Deutschland, Österreich und den USA eine geschätzte Produktionskapazität von rund 2,2 Millionen Tonnen Pellets pro Jahr. Rund 650 Mitarbeiter standen im abgelaufenen Jahr auf der Lohnliste, und die Bilanz aus dem Jahre 2014 weist einen Umsatz von 593 Millionen Euro aus. Zum 1. April wäre eine Anleihe mit einem Volumen von 52,4 Millionen Euro fällig gewesen, die Verzinsung lag bei komfortablen 7,25 Prozent. Diese Anleihe notierte zu Jahresbeginn noch bei 96 Prozent, sie crashte inzwischen auf rund 1,5 Prozent – umgangssprachlich bedeutet dies: Totalverlust. Die Investmentbank Houlihan Lokey hat diesbezüglich eine „illustrative Wertaufholung“ erstellt; die Gläubiger müssen demzufolge auf eine Erfüllungsquote von 0,4 Prozent befürchten. Eine weitere, ebenfalls mit 7,25 Prozent verzinste Anleihe mit einem Volumen von 172 Millionen Euro, die German Pellets spätestens 2019 zurückzahlen müsste, steht ebenfalls im Feuer.

Insgesamt bangen rund 17.000 deutsche Anleger um insgesamt 270 Millionen Euro, die Leibold über Unternehmensanleihen zu Höchstzinsen eingesammelt hatte. Unbeschadet dessen unternahm der Unternehmer im  Februar eine Europa-Tour in einer Privatmaschine, wie das Handelsblatt berichtete. Die geschätzten Kosten für sieben Flüge belaufen sich demnach auf rund 25.000 Euro. Die Frankfurter Allgemeine bezifferte derweil die Schulden, die Leibold aufgehäuft hat, mit rund 350 Millionen Euro. Und die Summe der Verbindlichkeiten könnte sich noch empfindlich erhöhen, denn in den USA werden wegen der geplatzten Anleihen bereits Klagen gegen German Pellets vorbereitet.

Wie war das damals bei Prokon?

Der Vergleich zu Prokon drängt sich auf. 1,4 Milliarden Euro waren es dort, die vom Winde verweht wurden. Auch German Pellets positionierte sich als Ökokonzern und beschwor die Nachhaltigkeit – gegen das Öl, gegen die „old economy“. German Pellets lud seine Investment-Idee mit einem Trendthema auf. Das blendete offenbar viele Anleger. Zudem lag die Eigenkapitalquote bei German Pellets zuletzt bei schmalen 8,7 Prozent, inzwischen dürfte sie sich marginalisiert haben. Auch dies ist übrigens eine Parallele zu Prokon, wo das Eigenkapital zuletzt bei minus 100 Millionen Euro lag. 270 Millionen sind nun wohl mit Holz-Hackschnitzeln in Rauch aufgegangen. Gegen Leibold ermittelt seit Mitte Februar 2016 übrigens auch die Staatsanwaltschaft. „Es geht um den Verdacht der Unterschlagung“, teilte ein Behördensprecher dem NDR mit.

German Pellets, das Unternehmen, das scheinbar unaufhaltsam zum Weltmarktführer für Holzpellets aufstieg, ist offenkundig eine Familiensache der Leibolds. Die Firma war, im übertragenen Sinne, auch am Esszimmertisch immer präsent, und die aus Flieden bei Fulda stammenden Leibolds verbanden sogar das Hobby mit dem Geschäft. Da gibt es zum Beispiel die Firma German Horse Pellets. Auf deren Webseite steht zu lesen: „Sie suchen gesunde, natürliche Einstreu? Dann sind Sie hier genau richtig! Mit der Tier-Einstreu von German Horse Pellets liegen Sie genau richtig. Unsere Qualitäts-Einstreu wird aus heimischen Nadelhölzern hergestellt, ist extrem saugfähig und nahezu staubfrei. Ob Pferde-Einstreu oder Kleintier-Einstreu – wir liefern Ihnen stets beste Qualität."

Auf der Webseite von German Horse Pellets sind – wie schön! – bunte Bilder aus der Welt des Springreitens zu sehen. Und wer reitet da im firmenfarbenen Fräckchen? Kathrin Leibold, 32, die Tochter des Firmengründers und Chefin der German Horse Pellets – es könnte auch eine ihrer jüngeren Schwestern sein: Leibold, 59, hat sechs Kinder. Der umtriebige Unternehmer ist übrigens, wie der Fuldaer Lokalpresse zu entnehmen ist, in der Region durchaus wohlbekannt, nicht zuletzt durch seine Tätigkeit bei einem ortsansässigen Verlag. Dort habe er sich ab 1975 vom Industriekaufmann bis zum Verlagsleiter in der Hierarchie nach oben gearbeitet. Nach der Wende sei er in Thüringen tätig geworden, in der dortigen Medienlandschaft habe Leibold große Erfolge gefeiert, bevor er 2005 die German Pellets GmbH gründete.

Wo Rauch ist, ist wohl auch Feuer

Und nun die Pleite. Doch ist nicht alles. Leibold sieht sich mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. Der Finanzierer MCF Commodities aus Wien hielt seine Firma auch in den wetterbedingt umsatzschwachen Sommermonaten liquide und bekam dafür Ware, also Holzpellets, überschrieben. Von dieser Ware ist indes ein großer Teil verschwunden, es geht um tonnenweise Holzpellets. Die Wirtschaftswoche, die diese Geschichte recherchiert hat, fragt in ihrer Ausgabe vom 23. Februar: „Wurden die Lager bei German Pellets etwa gar nicht so befüllt, wie nach Wien gemeldet? Oder hat German Pellets das fremde Holz benutzt, um eigene Pellets zu produzieren? Hat German Pellets die fremden Pellets gar im eigenen Namen verkauft und das Geld kassiert?“

Eine gute Nachricht erreicht derzeit lediglich diejenigen, die sich mit einer Hackschnitzel-Heizung besehen haben. Der Deutsche Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV) rechnet trotz der Insolvenz des Unternehmens nicht mit einem Versorgungsengpass in Deutschland. Die Kapazität der deutschen Pelletwerke betrage mehr als drei Millionen Tonnen im Jahr, der Verbrauch dagegen nur zwei Millionen. Eine Frage drängt sich auf: Warum wurde bei German Pellets angesichts dieser Überkapazitäten derart expandiert? Sollte es für diese Frage keine logisch herleitbare Antwort geben, zum Beispiel durch neue und optimistischere Zahlen von internationalen Märkten, dann wäre eine weitere Frage zu stellen: Wurden mit überzogen Anleihen-Emissionen zu marktunüblich hohen Zinsen die Löcher in einer Bilanz gestopft, die nie ausgeglichen war?

Der Winter ist zwar bald vorbei, doch die um ihr Geld bangenden Anleger könnten beim Gedanken an Hackschnitzel aus Holz auf die Assoziation mit dem Schneeball – oder gar: dem Schneeballsystem – kommen. Derartige Gedankenspiele sind aber nun zunächst Sache der Insolvenzverwalterin, sie werden vielleicht später gerichtsanhängig. Davon aber werden die Käufer von Unternehmensanleihen der German Pellets GmbH ihr Geld auch nicht wiedersehen. sig