Gipfeltreffen der Analysten
Wie werden sich die globalen Aktienmärkte bis Jahresende entwickeln? Die vergangenen Monate waren geprägt von der Griechenland-Krise, der Wachstumsschwäche in China und sinkenden Rohstoffpreisen. Jetzt geben führende Analysten der internationalen Märkte ihre Prognosen ab.
Das Griechenland-Paket scheint durchgewunken zu werden, die Absatzschwäche in China belastet die deutschen Autobauer nun doch nicht so sehr, die Zinswende kommt erst später und fällt nicht allzu dramatisch aus – wird es so werden? Oder was erwartet uns für das letzte Drittel des Jahres 2015? In Zusammenarbeit mit GAM geben führende Investment-Experten geben einen Ausblick auf die weitere Entwicklung an den wichtigsten Börsen:
Deutschland – Oliver Maslowski
„Mit 5,2 Prozent ist der Diskontierungssatz – das Barometer eines Aktienmarktes – in Deutschland immer noch relativ hoch, wenn man ihn mit den Sätzen in den USA (3,8 Prozent) und Japan (4,3 Prozent) vergleicht. Diese Diskontierungssätze enthalten keine Finanzwerte. Wenn man in Deutschland von einem stetigen Rückgang auf vier Prozent im Laufe des nächsten Jahres ausgeht, könnte diese Erhöhung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses der maßgebliche Treiber der Aktienrendite sein. In der zweiten Jahreshälfte dürften sich zwei wichtige Trends fortsetzen: Der erste ist die Baisse am Rohstoffmarkt, der zweite das niedrige Zinsumfeld. Um von diesen Trends zu profitieren, richten wir unser Portfolio einerseits auf eine Übergewichtung von Konsumaktien aus, die von niedrigeren Materialkosten und höheren Konsumausgaben profitieren sollten. Andererseits begünstigen die niedrigen Zinsen Wachstumsaktien gegenüber Substanzwerten. Dies schlägt sich in der Übergewichtung des IT-Sektors im Portfolio nieder.“
Großbritannien – Andrew Green
„Im Augenblick scheint sich der britische Aktienmarkt an den Entwicklungen in den USA sowie am Gesamtbild der Weltwirtschaft zu orientieren. Angesichts der Ausrichtung des Inlandsmarktes auf Grundstoffe und Finanzen könnte es von der Performance dieser Sektoren abhängen, ob sich der britische Markt seinen eigenen Weg bahnen kann. Für antizyklische Anleger halten diese Sektoren interessante Chancen bereit.“
Schweiz – Daniel Häuselmann
„Im zweiten Halbjahr wird die Aufwertung des Schweizer Franken das Gewinnwachstum inländischer Unternehmen belasten. Deshalb dürfte das Gewinnwachstum im Franken 2015 begrenzt sein. Die Bewertungen des Schweizer Marktes liegen über den historischen Niveaus. Zwar sorgt das Niedrigzinsumfeld unserer Meinung nach für eine gute Unterstützung, doch angesichts des weltwirtschaftlichen Umfelds benötigen die Unternehmen ein gewisses Maß an Verbesserungen hinsichtlich Produktivität und Effizienzsteigerungen.“
USA – Greg Woodard
„In Bezug auf den Rest des Jahres 2015 halten wir es für unwahrscheinlich, dass die US-Wirtschaft über das Tempo der realen BIP-Wachstumsrate von zwei bis drei Prozent der vergangenen Jahre hinaus angetrieben wird. Die anhaltend hohe Verschuldung der US-Konsumenten und das Fehlen signifikanter Lohnerhöhungen bleiben Hindernisse für ein robusteres Wirtschaftswachstum. Hinzu kommt der stärkere US-Dollar, der die Exporte belasten dürfte. Wichtig ist unserer Meinung nach jedoch, dass sich in der US-Wirtschaft nach wie vor kaum Anzeichen für Exzesse oder Extreme erkennen lassen, die als Vorboten der nächsten Rezession aufgefasst werden könnten. Unserer Meinung nach sollten die Anleger flexibel und selektiv bleiben, um überbewertete Bereiche des Marktes zu vermeiden. Sie sollten sich hauptsächlich auf Unternehmen konzentrieren, die trotz der mäßigen Wachstumsraten der breiteren Wirtschaft wachsen können.“
Japan – Ernst Glanzmann
„Japanische Unternehmen dürften von der von den USA angeführten Wiederbeschleunigung des globalen Wirtschaftswachstums und den anhaltend günstigen Rohstoffpreisen profitieren. Darüber hinaus könnte die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage im Inland zusammen mit der Ankurbelung des Konsums die Unternehmensgewinne durch die Rekordzahl einreisender Touristen, höhere Löhne und mehr Investitionsausgaben auf einen weiteren historischen Höchstwert treiben. In einem solchen Szenario bleiben japanische Aktien eine bevorzugte Anlage.“
China – Michael Lai
„Obwohl die massive Abwertung des Yuan und die Kurseinbrüche am chinesischen Festlandsaktienmarkt die Schlagzeilen beherrschen, darf man nicht vergessen, dass die langfristige Entwicklung im Land von Reformen bestimmt wird. Trotz kurzfristiger politischer Fehler, wie dem, der die Verkaufswelle im Juli auslöste, zeigen die staatlichen Maßnahmen den Wunsch der chinesischen Regierung, das langfristige Wachstum durch Finanz- und Strukturreformen anzukurbeln. Und diese dürften – auch über die Maßnahmen beim Yuan hinaus – schneller vorankommen, als die Meisten erwarten.“
Indien – Madhav Bhaktuly
„In Indien gibt es mehr als 6.000 börsennotierte Unternehmen, die Wirtschaft zeichnet sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Sektoren aus. Angesichts der niedrigen Durchdringungsquoten in vielen Märkten und Sektoren der indischen Wirtschaft bietet der Kauf von Unternehmen mit langfristiger Wertschöpfung enorme Chancen. Von diesen langfristigen Gewinnen werden aber nur diejenigen profitieren, die bereit sind, die kurzfristigen Faktoren zu ignorieren – seien es Monsunregen, Zinserhöhungen oder die Politik.“
Argentinien – Tim Love
„Entgegen den Erwartungen hat Argentinien den MSCI Emerging Markets Latin America Index in den vergangenen drei Jahren übertroffen. Während die Wahlen im Oktober näher rücken, haben sich nach dem Ende der Ära Kirchner die politischen Gewichte in Argentinien signifikant verschoben. Es dürfte an der Börse zu stärkeren Wertzuwächsen kommen, da die Bewertungen vom niedrigen Niveau aus steigen, aber immer noch günstig sind. Die Bereiche Versorgung, Landwirtschaft, Rohstoffe und Immobilien beurteilen wir ebenso positiv wie ausgewählte Banken.“ Handelsblatt