Griechenland zahlt IWF-Gelder nicht zurück
Am Dienstag, Punkt 18 Uhr Washingtoner Zeit, ist eingetreten, was vor Ausbruch der Weltfinanzkrise undenkbar gewesen war: Eine entwickelte Volkswirtschaft hat Schulden beim Internationalen Währungsfonds nicht beglichen.

1,54 Milliarden Euro hätte die griechische Regierung überweisen müssen, doch bei Kassenschluss war das Geld nicht da, nicht ein Cent kam aus Athen. Ein Euromitglied zeigt ein Finanzgebaren, das bisher scheiternden Staaten wie Simbabwe, Sudan und Irak vorbehalten war. „Ich kann bestätigen, dass die Zahlung, die für Griechenland fällig war, nicht eingegangen ist“, sagte ein Sprecher von IWF-Chefin Christine Lagarde. Vor Ablauf der Zahlungsfrist erreichte den Währungsfonds dafür ein Antrag auf eine Stundung der Zahlungen. Man werde sich „zu gegebener Zeit“ damit beschäftigen, hieß es. Das letzte Land, das so einen Antrag gestellt hatte, war Nicaragua in den 80er-Jahren. Es gilt als ausgeschlossen, dass sich der IWF im Falle Griechenlands darauf einlässt.
Solange der Ausstand nicht beglichen ist, kann Athen keine weiteren Hilfen vom Währungsfonds erwarten. Am Ende eines zweijährigen Prozesses, der eine schrittweise Erhöhung von Strafen vorsieht, darunter die Aussetzung der Stimmrechte, könnte der Ausschluss Griechenlands aus dem IWF stehen. Doch es ist wichtig zu betonen: Diese Eskalationsstufe ist derzeit nur eine theoretische Möglichkeit, sie ist noch lange nicht erreicht. Obwohl in den vergangenen Jahren viel Vertrauen zerstört wurde, wird der IWF zunächst versuchen, die Schulden in Kooperation mit den Athener Behörden einzutreiben. Unmittelbare finanzielle Konsequenzen hat der Zahlungsausfall nicht. Obwohl beim IWF derzeit noch ein Hilfsprogramm für Griechenland läuft, hätte Athen in den nächsten Monaten ohnehin mit keinen neuen Krediten rechnen können – es erfüllt die Reformauflagen nicht. Und weil der IWF ein öffentlicher, kein privater Gläubiger ist, werten die großen Ratingagenturen den Zahlungsausfall nicht als Staatspleite. Der IWF selbst spricht schlicht von einer „Nicht-Zahlung“.
Folgenschwere Entscheidungen
Die Frage ist nun, wie die Europäer reagieren. Griechenland brachte am Dienstag ein neues, drittes Hilfsprogramm ins Spiel, das aus drei Elementen besteht: neue Finanzhilfen im Umfang von rund 29 Milliarden Euro, ein Schuldenschnitt und eine kurzfristige Verlängerung des nun ausgelaufenen Hilfsprogramms. Bei der Eurogruppe blitzte Athen mit seinem Antrag jedoch erst einmal ab. Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet am Mittwoch über die Notfallkredite, die das schon jetzt fast vollkommen erstarrte griechische Bankensystem vor dem endgültigen Zusammenbruch bewahren. Stufen die Notenbanker Griechenland als insolvent ein, müsste die EZB ihre Hilfen einstellen. Dies würde den Weg zu einem Grexit ebnen, einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone.
Doch nicht nur EZB-Chef Mario Draghi muss am Mittwoch eine folgenschwere Entscheidung treffen. Auch Klaus Regling, der Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, hat die Möglichkeit, wegen des Zahlungsverzugs beim IWF eine beschleunigte Rückzahlung der europäischen Hilfskredite zu verlangen. Angesichts der heiklen politischen Lage ist allerdings wahrscheinlich, dass sowohl Draghi als auch Regling auf Zeit spielen werden. Die Europartner hoffen darauf, dass sich bei dem für Sonntag angesetzten Referendum über das jüngste Rettungsangebot für Griechenland eine Mehrheit der griechischen Wähler für den Reformkurs ausspricht – und damit gegen die eigene Regierung. Dies dürfte das politische Ende von Premierminister Alexis Tsipras bedeuten. Die unausgesprochene Hoffnung der Europäer ist, dass eine Nachfolge-Regierung konstruktiver verhandelt.
Doch bis auf weiteres sind all diese Szenarien Spekulation. Zunächst bleibt nur die hohe symbolische Bedeutung der „Nicht-Zahlung“ beim IWF. Das bisher letzte Land, das nicht genügend Geld für eine Ratenzahlungen beim IWF hatte, war Simbabwe im Jahr 2001. Dort beträgt das jährliche Pro-Kopf-Einkommen 950 Dollar. In Griechenland sind es 22.000 Dollar. Noch, wie man nach den jüngsten Entwicklungen wohl hinzufügen darf. Handelsblatt / Moritz Koch