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Ik ben Brussel – der Terror und die Folgen für die Sicherheit im öffentlichen Raum

Der Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv ist in puncto Sicherheit ein Vorbild. Denn: eine neue Definition von Sicherheit ist im öffentlichen Raum notwendig – lebensnotwendig. Flughäfen gehören offenkundig dazu. Das Netzwerk des „islamistisch“ genannten Terrors konnte in der Abflughalle des Flughafens Zaventem wie auch im Brüsseler Europaviertel sein blutiges Handwerk verrichten. Ein Beispiel für neue Sicherheitsstandards könnte Israel sein. Der Flugahfen in Tel Aviv gilt weltweit als beispielhaft. Jeder einzelne Flugpassagier wird überprüft, bevor er überhaupt das Gelände betreten kann.

BÖRSE am Sonntag

Was folgt aus dem Terrorakt des 22. März 2016? Eine neue Definition von Sicherheit, die im öffentlichen Raum notwendig ist, lebensnotwendig Flughäfen gehören offenkundig dazu. Das Netzwerk des „islamistisch“ genannten Terrors konnte zugleich in der Abflughalle des Flughafens Zaventem und im Brüsseler Europaviertel sein blutiges Handwerk verrichten. Ein Beispiel für ein neues Sicherheitsverständnis könnte Israel sein. Die Standards am Flughafen in Tel Aviv gelten weltweit als beispielhaft. Jeder einzelne Flugpassagier wird überprüft, bevor er überhaupt das Gelände betreten kann.

Am 30 Mai 1972 warteten drei Japaner am Flughafen von Tel Aviv auf ihr Gepäck. Doch in den Koffern hatten die scheinbaren Touristen keine Badesachen, sondern Maschinengewehre und Handgranaten. Die Japaner, die im Auftrag der Terrorgruppe Japanische Rote Armee handelten, öffneten ihre Koffer, nahmen die Waffen heraus und schossen wild auf alle Menschen in der Abfertigungshalle. Ein Terrorist rannte dann auf die Rollbahn und feuerte auf Passagiere, die aus einer El-Al-Maschine stiegen. 26 Menschen starben bei dem Blutbad, einer der Terroristen brachte sich mit einer Handgranate um. Die japanische Terrorgruppe hatte den Anschlag nach Kontakten zum Palästinenserführer George Habash geplant.

Der Terroranschlag wurde zur Geburtsstunde strenger Sicherheitsmaßnahmen am Tel Aviver Flughafen. Die Sicherheitsmaßnahmen am Airport Ben Gurion gelten mittlerweile weltweit als beispiellos. Nur wenige Flughäfen der Welt würden den israelischen Sicherheitsstandard erreichen, meint Daniel Wagner, Chef der Firma Country Risk Solutions, die weltweit Firmen in Sicherheitsfragen berät.

Seit 44 Jahren kein Anschlag, trotz Todfeinden ringsum

Es gibt zwar auch Schwachstellen. Sollte es einer Terrororganisation zum Beispiel gelingen, Flughafenangestellte zu rekrutieren und zu trainieren, könnten theoretisch die Sicherheitsmaßnahmen unterlaufen werden. Aber seit dem Anschlag der japanischen Terroristen vor 44 Jahren ist es nie wieder zu einem ernsthaften Zwischenfall gekommen.

Hohe Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung von Terroranschlägen gehören in Israel zum Alltag. Ohne zu murren werden dort zahlreiche Unannehmlichkeiten hingenommen. Dazu gehört zum Beispiel die Kontrolle von Taschen, bevor man ein Einkaufszentrum oder einen Theatersaal betritt. Wenn Israelis im Ausland sind, wundern sie sich oft, wenn sie ohne Kontrollen den Bahnhof oder Supermarkt betreten können.

Die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen in Tel Aviv sind aber besonders hoch. Sie beginnen schon mehrere Kilometer vor dem Terminal. Die beiden Straßen zum Flughafen werden von Bewaffneten kontrolliert, die jeden Passagier beobachten. Verdächtige Fahrgäste und Autos werden untersucht, bevor die Weiterfahrt in Richtung Terminal gestattet wird. Der Eingang zu den Flughafenterminals ist ebenfalls bewacht; auffällige Passagiere werden angehalten und kontrolliert, bevor sie das Gebäude betreten.

Gründliches Scannen aller Passagiereschon bei der Anfahrt

Der Sicherheitsmarathon wird vor dem Einchecken und der Gepäckaufgabe fortgesetzt. Bewaffnete Sicherheitsbeamte in Zivil zirkulieren sowohl im als auch außerhalb des Terminals. Unterstützt werden sie von versteckten Überwachungskameras, die rund um die Uhr in Betrieb sind. Schöpft die Security Verdacht, wird der Passagier in ein Gespräch verwickelt, um herauszufinden, was seine Absichten sind.

Die Sicherheitsmaßnahmen sind sogar weit höher als viele Passagiere erahnen: Geheimdienste gehen Passagierlisten durch, prüfen mögliche Terror-Gefahren und geben relevante Informationen ans Bodenpersonal weiter. Zudem ist der Flughafen Ben Gurion mit dem Informationssystem der israelischen Luftwaffe vernetzt. An den Rändern des Flughafengeländes patrouillieren Sicherheitskräfte; zudem sind Kameras installiert, die verdächtige Bewegungen registrieren.

Alle Flugpassagiere werden einzeln unter die Lupe genommen. Fragen wie „Alles selber gepackt?“ oder „Hatten Sie den Koffer immer im Blick?“ sind Routinefragen, die jeder zu beantworten hat. Die Befragung der Passagiere dauert in der Regel nur wenige Minuten. Sollten die Sicherheitsleute aber einen Passagier verdächtig finden, wird er zur Seite genommen. Dann kann es bis zu einer Stunde dauern, bevor er zum Check-in Schalter darf.

Wer am Tel Aviver Flughafen je eingecheckt hat, kennt die peinlich genauen Sicherheitskontrollen. Was er vielleicht nicht weiß: Es werden nicht alle Passagiere gleich behandelt. Um trotz der Kontrollen die Abfertigung möglichst effizient zu gestalten, begnügt man sich bei den meisten Reisenden mit Routinefragen. Personen aber, bei denen aufgrund ihrer Herkunft ein Verdacht besteht, dass sie den Flieger zum Absturz bringen möchten, werden zur Seite genommen und ausgiebig ausgefragt.

Israel stelle mit diesem „Profiling“ nicht die arabische Minderheit des Landes unter Generalverdacht, sagt dagegen Jossi Kuperwasser, der einst die Forschungsabteilung des militärischen Geheimdiensts geleitet hat, sondern nur jene, die als radikale Aktivisten bekannt seien. Auf die Frage, wie man diese erkennen könne, meint er: „Einige prahlen ja damit, man muss ihnen nur zuhören.“ Konkret folge daraus zum Beispiel eine Überwachung von Moscheen, in denen Extremisten zu Hass anstacheln und zu Gewalt aufrufen, aber auch das Abhören von Botschaften verdächtiger Personen. Damit würde man auch diejenigen entdecken können, die ihre Mordabsichten nicht lauthals verkünden, sondern im Stillen planen und koordinieren. Ohne intensive Investitionen in den Geheimdienst sei das alles allerdings nicht zu machen, meint Kuperwasser. Handelsblatt / Pierre Heumann