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Chips gegen den Brexit-Kater

Japan mischt die Chipbranche auf: Mit der größten Übernahme in seiner Geschichte will Softbank den britischen Chipdesigner ARM schlucken. Dabei wird der japanische Konzern auch ein wenig ärmer: Der Deal soll gut 29 Milliarden Euro kosten. Das deutsche Chip-Juwel Infineon kann ebenfalls mit einer Akquise glänzen - und wird seinerseits als Übernahmekandidat immer attraktiver.

BÖRSE am Sonntag

Japan mischt die Chipbranche auf: Mit der größten Übernahme in seiner Geschichte will Softbank den britischen Chipdesigner ARM schlucken. Dabei wird er japanische Konzern auch ein wenig ärmer: Der Deal soll fast 30 Milliarden Euro kosten. Auch das deutsche Chip-Juwel Infineon kann mit einer Akquise glänzen - und wird seinerseits als Übernahmekandidat immer attraktiver. 

Wer diese Zeilen liest, hält womöglich gerade ein Gerät mit ARM-Bauteil in der Hand. Der britische Chipspezialist zählt nämlich zu den großen Profiteuren des anhaltenden Smartphone-Booms. Fast alle klugen Handys dieser Welt tragen einen der stromsparenden und effizienten Chips aus Großbritannien in sich. Auch Apple baut bei iPhones und iPads auf ARM-Elemente und überweist dafür Lizenzgebühren ins Königreich. Im vergangenen Jahr konnte der Chiphersteller seinen Umsatz um 21,8 Prozent auf fast eine Milliarde britisches Pfund vergrößern. Und genau diese Währung spielt jetzt wohl eine entscheidende Rolle für die Zukunft von ARM: Der japanische Telekomkonzern Softbank bietet 24,3 Milliarden Pfund - umgerechnet gut 29 Milliarden Euro - für eine vollständige Übernahme. Die Offerte kommt zu einem Zeitpunkt, an dem vielen Investoren und Anlegern noch die Knie vom Brexit-Referendum schlottern. Britische Unternehmen sind zurzeit für jene Interessenten günstig zu haben, die mit einer stärkeren Währung zahlen wollen - etwa US-Dollar. Denn seit dem Votum hat das Pfund Sterling im Wechsel zum Dollar rund 15 Prozent verloren. 

Auch für Softbank bedeutet das einen ordentlichen Rabatt. Die Japaner gaben ihr Angebot am Montag bekannt und begründeten es unter anderem mit dem Vorhaben, Großbritannien als Vorreiter für Technologieentwicklung und Innovation stützen zu wollen. Im Rahmen von Wachstumsinitiativen soll die Belegschaft von ARM im Vereinigten Königreich in den nächsten fünf Jahren verdoppelt werden - das wären knapp 4.000 neue Arbeitsplätze. Ihr Hauptgeschäft erwirtschaften die Briten allerdings fernab von zuhaus: Mehr als 90 Prozent des Umsatzes stammen aus den USA und Asien. Das ist auch hinsichtlich der wackligen europäischen Konjunktur ein Vorteil - eine mögliche Rezession würde ARM kaum treffen. Dieses Potenzial war in den vergangenen Wochen auch vielen Anlegern nicht entgangen: Nach der Brexit-Entscheidung konnte sich die ARM-Aktie von gut 1.000 auf zwischenzeitlich über 1.200 britische Pfund steigern. Das Bekanntwerden des Softbank-Angebots führte am Montag dann endgültig zur Kursexplosion, das Papier der ARM Holdings schloss mit einem satten Plus von fast 41 Prozent bei rund 1.675 Pfund.

Infineon kauft ein: Fressen und gefressen werden?

Die Offensive der Japaner ist das größte Beben in der Chipbranche seit dem Milliarden-Deal zwischen Avago und Broadcom Ende 2015. Dagegen wirkt der Zukauf, den das deutsche Chip-Juwel Infineon erst in der vergangenen Woche tätigte, fast schon niedlich. Dennoch gehören die Neubiberger laut „Handelsblatt“ zu den zehn größten Chipherstellern der Welt. Damit das auch so bleibt, will Infineon 850 Millionen US-Dollar in den Kauf von „Wolfspeed“ stecken, eine Sparte des amerikanischen Leuchtdiodenherstellers Cree. CEO Reinhard Ploss hat dabei eine Pole Position fest im Blick: „Mit Wolfspeed werden wir zur Nummer 1 bei Leistungshalbleitern auf Basis von Siliziumkarbid.“ Außerdem sichert sich Infineon ein IP-Portfolio von rund 2.000 Patenten und Patentanmeldungen. Das Jahr 2015 bescherte dem Konzern mit fast 5,8 Milliarden Euro den besten Umsatz seit 2006 und über ein Drittel mehr als noch im Vorjahr. Der Gewinn betrug 575 Millionen Euro. Damit stieg Infineon auch in der Gunst möglicher Käufer weit auf. Während die Chips also immer kleiner werden, werden die Hersteller immer größer - und weniger. 

Der Chef des Weltmarktführers Intel, Craig Barrett, prophezeit laut „FAZ“ eine Konsolidierung der Branche. Und tatsächlich war auch Infineon immer wieder Gegenstand von Übernahmegerüchten. Doch potenziellen Käufern winken hier wohl in naher Zukunft keine großen Währungsrabatte. Am Montag setzt die Aktie des deutschen Chipherstellers zudem ihre forsche Aufwärtsbewegung fort und kratzt an der 14-Euro-Marke. Jerome Ramel von der französischen Investmentbank Exane BNP Paribas rechnet in einer Studie vom Montag mit einem Kursziel von 13,40 Euro, was eine leichte Erhöhung seiner Schätzung bedeutet. Die Einstufung bleibt bei „neutral“, Ramel lobt jedoch angesichts der hohen Gewinnmargen und des Wachstumspotenzials von Wolfspeed die angekündigte Übernahme und hält den aktuellen Preis der Aktie für passend. Wer vor den beiden Deals in die betreffenden Chip-Aktien investiert hat, kann sich jetzt glücklich schätzen. Wer die Gelegenheit hingegen verpasst hat, sollte in Zukunft genau hinschauen, wenn sich die Hinweise auf weitere Zukäufe und Fusionen verdichten. Denn die nächste Milliarden-Übernahme kommt bestimmt. 

Marius Mestermann