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Renaissance der westeuropäischen Luftfahrt

Die International Airlines Group, kurz IAG, ist eine Vereinigung von grundsätzlich Ungleichen. England und Spanien. Regen und Sonne. Große Flotte und kleine Flotte. Traditionsgesellschaft und Low-Cost-Carrier.

BÖRSE am Sonntag

Die International Airlines Group, kurz IAG, ist eine Vereinigung von grundsätzlich Ungleichen. England und Spanien. Regen und Sonne. Große Flotte und kleine Flotte. Traditionsgesellschaft und Low-Cost-Carrier. 

IAG – das ist die Kooperation von British Airways mit Iberia und Vueling. Zusammen wollen die konträren Kontrahenten beweisen, dass Luftfahrt in Europa noch reüssieren kann. Es handelt sich um eine Zusammenarbeit, die Branchenkenner guten Gewissens als Erfolgsgeschichte bezeichnen. An der Börse hat sich das Papier in luftige Höhen geschraubt. Seit der Gründung im Januar 2011 hat die IAG-Aktie sagenhafte 217 Prozent an Wert dazugewonnen. Einer der größten Erfolge des IAG-CEO Willie Walsh ist wohl die nicht für möglich gehaltene Sanierung von Iberia. Der spanische Konzern galt als sehr hierarchisch, verkrustet und in der Vergangenheit stehengeblieben. Iberia war mehr ein Don Quijote als ein stattlicher Ritter. Das operative Geschäft enttäuschte. Doch seit 2011 geht es allmählich aufwärts bei den Spaniern. Die Fluggesellschaft ist auf einem guten, zukunftsfähigen Weg. Carsten Spohr von der Lufthansa sollte sich vom irischen Sanierer Walsh vielleicht ein paar Flugstunden geben lassen. 

Das Geschäftsjahr 2014 war für die Unternehmensgruppe ein wirtschaftlich und strategisch sehr starkes und wichtiges Jahr. Die IAG erwirtschaftete im letzten Jahr einen operativen Gewinn von fast 1,4 Milliarden Euro und damit 80 Prozent mehr als 2013. 2012 stand noch ein Verlust in den Büchern. Doch der Trendpfeil zeigt klar gen Himmel. Und die Ziele für dieses Jahr sind ebenfalls hoch gesteckt. Die Passagierzahlen der letzten Monate bestätigen die hohen Erwartungen. Im ersten Quartal dieses Jahres beförderten die IAG-Fluglinien fast neun Prozent mehr Passagiere als im Vorjahreszeitraum. Besonders in Europa hat die Airline zugelegt. Einzig die Region Afrika, Mittleren Osten und Südasien büßte ein paar Prozent ein. Vueling trägt maßgeblich zum Expansionserfolg in Europa bei. Seit 2013 ist die iberische Billigairline Teil der Gruppe, die ansonsten von den Traditionsfluggesellschaften Spaniens und Großbritanniens besteht. Vueling hat seinen Sitz in Barcelona und gehört momentan zu den wachstumsstärksten Airlines Europas. Der IAG-Zusammenschluss im Luftfrachtbereich hat zur Gesellschaft IAG Cargo geführt, die nun zu den größten Cargo Carriern weltweit zählt.

Westeuropa in IAG-Hand

Die International Airlines Group setzt ganz bewusst auf Westeuropa und damit auf den Atlantik-Verkehr. Viele Passagiere, die nach Nordamerika oder in das an Bedeutung gewinnende Südamerika reisen, fliegen über die Drehkreuze London und Madrid. Dort ist die IAG mit ihren Fluggesellschaften am stärksten vertreten und macht damit auch der Air France oder der Lufthansa Sorgen. Demnächst könnte auch noch Dublin hinzukommen. Denn CEO Walsh steht mit der IAG kurz vor der Übernahme seiner Heimatfluglinie Aer Lingus. Nach mühsamen Verhandlungen hat die irische Regierung dem Verkauf ihrer 25 Prozent am Unternehmen zugestimmt. Die bekanntere irische Billigfluggesellschaft Ryanair ist allerdings noch mit 30 Prozent an der grünen Iren-Airline beteiligt. Dass Ryanair-Boss Michael O’Leary seine Anteile verkauft, ist noch nicht vollends sicher. Experten sind aber zuversichtlich, dass die Übernahme in naher Zukunft vonstattengeht. Fast 1,4 Milliarden Euro will die IAG sich diesen Deal kosten lassen. Mit der irischen Fluggesellschaft würde die IAG ihr Portfolio im Niedrigpreissegment stärken und flöge alsbald als Quartett um den Globus.

Viele Analysten empfehlen, die International Consolidated Airlines Group auch im Aktienportfolio zu haben. Die leichte Korrektur der letzten anderthalb Monate scheint überwunden zu sein. Die Trendlinie zeigt wieder aufwärts. Zusätzlich zu der erfolgreichen Aktienperformance dürfen sich Aktionäre wohl bald auch über eine Dividende freuen. Das erfolgreiche Geschäftsjahr 2014 hat die Unternehmensführung dazu veranlasst, in diesem Jahr erstmals die Shareholder am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Details zum Umfang der Dividende sind noch nicht bekannt. Allerdings kündigte die IAG an, mit der diesjährigen Ausschüttung eine Tradition begründen zu wollen.

Keine Angst vor den Golf-Airlines

Nahezu der gesamte europäische Luftraum jammert über die wettbewerbsverzerrenden Golf-Airlines. Die Bosse der europäischen Fluglinien beklagen die Nachteile auf dem Weltmarkt und sprechen von einem schwarzen Zeitalter der europäischen Passagierluftfahrt. CEO Walsh und der Chairman Antonio Vázquez Romero haben mit der IAG jedoch ihre eigene Strategie im Umgang mit den Wüstenfliegern. Einerseits versuchen sie Emirates, Qatar Airways und Etihad aus dem Weg zu fliegen. Denn British Airways und Co. lassen ihre Langstreckenflieger lieber nach Westen starten und schicken sie auf die Reise über den großen Teich. Dem verbitterten Kampf um Südasien, wie ihn beispielsweise die Lufthansa mit den Emiraten kämpft, geht die IAG lieber aus dem Weg. Andererseits geht Walsh proaktiv vor und hat Qatar Airways nicht nur in die Oneworld-Allianz integriert, sondern in diesem Jahr sogar mit 9,99 Prozent an der IAG beteiligt. Ganz nach dem Motto: Wer sich die Konkurrenz zu eigen macht, der muss sie nicht fürchten. 

Vielleicht liegt der Erfolg der IAG tatsächlich in ihrer Heterogenität. Das steife, britische Traditionsunternehmen scheint sich mit den spanischen Wettbewerbern gut zu ergänzen. Sowohl kulturell als auch wirtschaftlich. Darin liegt die Stärke der inzwischen vierjährigen Zusammenarbeit. Die meisten finanziellen Kennzahlen geben jedenfalls positive Signale. Trotzdem hat die europäische Luftfahrt einige schwerwiegende Manöver zu bewältigen. Im Moment scheint die IAG-Strategie aufzugehen. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Weder in Frankfurt am Main noch am Persischen Golf. WCW