Janet Yellen: kühler Kopf, heiße Entscheidung
In ihren Händen liegt das internationale Schicksal der Geldpolitik. Zum ersten Mal seit fast zehn Jahren hat die US-Notenbankchefin Janet Yellen den Leitzins wieder angehoben. Alle Augen waren auf die gebürtige New Yorkerin gerichtet. Dieser Schritt ist jedoch nur ein erstes Signal. Entscheidend ist, wie es weitergeht.
In ihren Händen liegt das internationale Schicksal der Geldpolitik. Zum ersten Mal seit fast zehn Jahren hat die US-Notenbankchefin Janet Yellen den Leitzins wieder angehoben. Alle Augen waren auf die gebürtige New Yorkerin gerichtet.
Man könnte meinen, die 69-jährige genösse es, sich im Bühnenlicht der absoluten Aufmerksamkeit zu sonnen. Doch das Gegenteil dürfte der Fall sein. Schließlich gilt Yellen als absoluter Kopfmensch, der wenig von pathetischen Botschaften hält. Im Gegensatz zu vielen amerikanischen Politikern, die sich in der Öffentlichkeit gerne als volksnahe Kumpeltypen mit Entertainer-Qualitäten präsentieren, vermeidet die aus einer jüdischen Familie stammende Yellen jegliche Form des Spektakulären. Kritiker bemängeln, ihr fehle es an Charisma, sie sei zu unnahbar, es mangele ihr an Inspiration. Auch mit dem Vorwurf, sie sei zu scheu, wird die ehemalige Professorin der Elite-Universität Berkeley des Öfteren konfrontiert. Vielleicht wird ihr auch deswegen ein nicht allzu enger Draht zum Weißen Haus nachgesagt. Allerdings sorgt ihr wenig eitles Auftreten und ihre Konsensorientierung für Sympathien in der Welt der Geldpolitik.
Den Mut Yellens, die Nullzinspolitik zu beenden, hat Mario Draghi bisher noch nicht. Auch weil der europäische Wirtschaftsraum sich seit der Finanzkrise 2008 wesentlich weniger Stabilität signalisiert hat als die USA. Das billige Geld gefällt den Märkten. Schließlich wird ein angehobener Leitzins in den seltensten Fällen an den Börsen euphorisch aufgenommen. Umso gespannter darf man sein, wie sich die historische Entscheidung von Janet Yellen in Zukunft auswirken wird.
Viele Ökonomen und Investoren haben den Zinsschritt der Fed sehnlichst erwartet. Sie fühlten sich nicht mehr wohl in einer Welt, in der die Kapitalmärkte vor allem von niedrigen Notenbankzinsen getrieben werden. Oft war die Befürchtung zu hören, die Kurse seien letztlich verzerrt und kein Spiegelbild der wirtschaftlichen Verhältnisse. Entsprechend nervös waren Investoren auch im Vorfeld der Entscheidung.
Die erste Zinserhöhung seit der Finanzkrise signalisiert in den Augen der Amerikaner aber auch, dass ihre Wirtschaft endgültig die Intensivstation verlassen hat und wieder gesund wird. Die Fed hatte den Zins vor sieben Jahren als Reaktion auf die Finanzkrise von einem Prozent auf das Niveau nahe Null gesenkt und dort belassen. Die letzte Zinserhöhung hatte im Jahr 2006 stattgefunden.
Bis zuletzt war der Zinsschritt bei Ökonomen und zum Teil wohl auch innerhalb der Fed umstritten. Grund dafür ist, dass die zwei wichtigsten Kennzahlen unterschiedliche Signale sendeten. Der Arbeitsmarkt hat sich trotz eines nur mäßigen Wirtschaftswachstum recht gut erholt. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei nur noch fünf Prozent, was in den Augen der Fed schon Vollbeschäftigung bedeutet. Auch der Offenmarktausschuss sei zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch einmal erheblich verbessert habe, hieß es in einer Mitteilung der Notenbank.
Die Normalisierung beginnt
Mit dem Zinsschritt setzt die zweite Phase der Normalisierung der Geldpolitik in den USA ein. Gleichzeitig mit der Nullzins-Politik hatte die Notenbank im Dezember 2008 ein gewaltiges Programm zum Ankauf von Zinspapieren gestartet, das in drei Schüben ablief und im Oktober 2014 endete. In der Zeit blähte die Fed ihre Bilanzsumme von deutlich unter einer Billion Dollar auf 4,5 Billionen auf. Die Amerikaner haben sich damit den Ruf als die fleißigsten Gelddrucker der Welt eingehandelt. Tatsächlich entspricht die Bilanzsumme rund einem Viertel Bruttoinlandsprodukt. Japan liegt bei dieser Kennzahl aber weit höher, die Euro-Zone hatte zwischenzeitlich einen deutlich größeren Prozentsatz erreicht und selbst die Briten bewegten sich eine Weile oberhalb von diesem Wert.
Obwohl sich die Bilanzsumme der Fed seit Ende 2008 mehr als vervierfachte, stieg die Geldmenge im selben Zeitraum nur um 50 Prozent, weil die Banken einen großen Teil des Geldes gleich wieder bei Fed parkten. Das Ziel der Notenbank war auch gar nicht, „Geld zu drucken“, sondern die langfristigen Zinsen zu drücken.
Heute hat die Fed 2,6 Billionen Dollar an Staatsanleihen und 1,8 Billionen Dollar an verbriefen Anleihen im Bestand – diese beiden Positionen füllen fast die gesamte Bilanz aus. Wenn Papiere auslaufen, werden sie durch Neukäufe ersetzt. Die Fed kauft also weiterhin Zinspapiere, der Bestand steigt nur nicht mehr per saldo an. Wenn sie ganz auf Käufe verzichtet, wird die Bilanzsumme langsam sinken. Damit will sie aber erst ganz langsam beginnen, wenn die Zinsen nennenswert über Null liegen. Handelsblatt / Frank Wiebe / WIM