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Schlesien: Zeitreise ins Elysium

Kaum zwei Stunden von Berlin liegt ein Land, das sehr vielen Menschen hierzulande überhaupt kein Begriff ist. Dabei durften es unsere Großeltern noch „Heimat“ nennen. Heute sind dort die Spuren dreier Nationen friedlich nebeneinander zu besichtigen, und das in märchenhaft schöner Landschaft und bei mehr als moderaten Preisen.

BÖRSE am Sonntag

Kaum zwei Stunden von Berlin liegt ein Land, das sehr vielen Menschen hierzulande überhaupt kein Begriff ist. Dabei durften es unsere Großeltern noch „Heimat“ nennen. Heute sind dort die Spuren dreier Nationen friedlich nebeneinander zu besichtigen, und das in märchenhaft schöner Landschaft und bei mehr als moderaten Preisen.

Es geht ganz einfach. Von Berlin aus auf die Autobahn, zunächst in Richtung Dresden, dann im Dreieck Forst abbiegen – und dann immer geradeaus. Die Wälder der Lausitz müssen durchquert werden, und dann lichtet sich die Landschaft, liebliches Hügelland links und rechts der nagelneu ausgebauten Autobahn, in der Ferne das Riesengebirge, ringsum weite Felder und immer wieder freundliche Kirchtürme, rechts am Horizont schließlich der Zobten, ein einzelner Bergtock, das Wahrzeichen Niederschlesiens.

Wer es nun vor lauter Neugierde nicht mehr aushält, mag links abbiegen zum Kloster Leubus mit der größten barocken Fassade, die in ganz Mitteleuropa je erbaut wurde. Oder nach rechts, in Richtung der Friedenskirchen von Jauer und Schweidnitz – beide übrigens UNESCO-Welterbestätten. Ja, Niederschlesien ist landschaftlich und kulturell eine Pracht! Näher am Gebirge gelegen lockt die Abtei Grüssau, mit Bundesmitteln in alter Schönheit jüngst aus Ruinen erstanden. Am Hauptkamm des Riesengebirges sei eine Wanderung auf die Schneekoppe empfohlen. Märchenhaft der Ausblick, und mythisch auch die Legenden – Rübezahl soll hier wohnen, so wissen es die Einheimischen seit Jahrhunderten. Und glaubten es bis 1945 die Deutschen, so glauben es die seitdem dort lebenden Polen unvermindert.

Wer bevorzugt auf Schlössern logiert, findet in Schlesien genug Auswahl. Im alten Schloß des Marschalls Blücher, Krobielowice, einst Krieblowitz, können Reisende für gut 40 Euro ihr Haupt betten. Um die 80 Euro sind für ein Luxuszimmer im stilecht eingerichteten Schloss Stonsdorf zu berappen – allen Luxus eines modernen Hotels mit dem eines Rokokoschloßes aus dem 18. Jahrhundert kombinierend. Nicht weit entfernt lockt Schloß Lomnitz, heute wieder deutsch geführt. Und vor wenigen Monaten erst ist im ehemaligen Hohenzollenschloss Fischbach, nur einen Katzensprung entfernt, ein  sehr stilvolles Luxusresort eröffnet worden.

Und dann Breslau. Welche Pracht! Der Alstädter Ring rund um das unverkennbare Rathaus wurde von kundiger Hand nach den Zerstörungen ab 1945 in der Form aufgebaut, die er etwa um 1910 hatte. Breslau hat fast so viele gotische Kirchen wie Köln romanische – die Kulturdichte ist exorbitant. Gute und preiswerte Hotels mit Preisen von unter 150 Euro für Fünfsterneluxus sind die Regel, die gastronomische Vielfalt sucht ihresgleichen. Dabei ist die Odermetropole enorm im Aufwind, die Dynamik dieser Metropole entfaltet sich von Jahr zu Jahr. 2016 wird Breslau Kulturhauptstadt Europas sein.

Natürlich gibt es auch viele andere lohnende Abstecher. Oels mit riesigem Renaissanceschloss und großer Kirche, Brieg mit dem zauberhaften, überreich geschmückten Arkadenhof des Schlosses und Trebnitz mit dem unverändert in hoher Verehrung stehenden, uralten Hedwigsheiligtum sollten nicht unbesichtigt bleiben. Die heilige Jadwiga, zu deutsch Hedwig, ist die Schutzpatronin des Landes zwischen Annaberg und Schneekoppe. Die Landschaft ist überall herrlich, und kleinere Städte wie Schweidnitz oder Hirschberg bieten geradezu eine Zeitreise an: unzerstörte Vorkriegsidylle voller Ruhe und Poesie, sonst nur auf alten Postkarten zu besichtigen. Und dies alles – wer hätte das gedacht – keine vier Autostunden von Berlin entfernt. sig