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Börsen trotzen islamischem Terrorismus

Die jüngsten Anschläge in London, Manchester, Paris und Berlin reihen sich in die Liste zunehmender Terrorattacken in Europa ein. Diese Städte stehen exemplarisch für die zunehmende Bedrohung mitten in Europa. Die Frage lautet: Welchen Einfluss hat all dies auf die Börsen? Die Antwort ist eine Überraschung.

BÖRSE am Sonntag

Die jüngsten Anschläge in London, Manchester, Paris und Berlin reihen sich in die Liste zunehmender Terrorattacken in Europa ein: Nizza am französischen Nationalfeiertag 2016, Doppelanschläge in Paris 2015, der Anschlag in Kopenhagen, der in Stockholm. Diese Städte stehen exemplarisch für die zunehmende Bedrohung mitten in Europa. Die Frage lautet: Welchen Einfluss hat all dies auf die Börsen? Die Antwort ist eine Überraschung.

Von Ken Fisher

Bedauerlicherweise nehmen solche Anschläge zu, was dazu führt, dass Investoren über den möglichen Einfluss auf die Ökonomie und den Kapitalmarkt spekulieren. Es ist unmöglich zu wissen, wo und wann die Terroristen wieder zuschlagen, aber unserer Meinung nach können Investoren daraus jedoch neue Lehren ziehen: Terrorismus hat zweifellos verheerende Auswirkungen auf Personen und Eigentum gehabt, dennoch hatte es bisher keinen Einfluss auf die Aktienmärkte.

Märkte reagieren gewöhnlich auf Überraschungen. Aufgrund der Unberechenbarkeit von Terroranschlägen, sind Gesellschaften, Opfer, und dessen Angehörige oft überrascht. Trotzdem haben Terroranschläge jedoch an Überraschungsmoment verloren, da Gesellschaften sich mittlerweile daran gewöhnt haben, dass sie zu einer traurigen Realität unseres Alltags geworden sind. In der Folge scheinen Märkte unempfindlich gegenüber Terroranschlägen geworden zu sein.

Ab dem 11. September 2001 dominierte ein neues Schreckgespenst die westlichen Gesellschaften. Der erste Anschlag auf das World Trade Center 1993, Lockerbie 1988 und Anschläge der IRA und RAF waren ein Vorbeben. Die Dimension von 9/11 änderte jedoch alles. Das erste Mal töteten Terroristen tausende Menschen durch einen strategischen Schlag ins Herzen westlicher Regierungs- und Wirtschaftsinstitutionen. Diese Erfahrung war schockierend und in seiner Zerstörungskraft völlig unbekannt.

9/11 als Einschnitt an den Börsen

Die Märkte reagierten entsprechend: Nach der Börsenöffnung am 17. September fiel der S&P 500 um 11,6 Prozent über fünf aufeinanderfolgende Handelstage. Dennoch fand die Talfahrt ein Ende. Bereits im Herbst erholte sich die Börse, obwohl der Bärenmarkt der Dotcom Blase (24. März 2000 bis Oktober 2002) anhielt. Am 11. Oktober stand der S&P 500 bereits auf seinem Niveau vor dem Anschlag. Zum Jahresende sogar 5,1 Prozent höher als zum Marktschluss am 10. September. Die Folgezeit machte deutlich, dass selbst nach derart verheerenden Anschlägen das Leben weitergeht. Amerikas Wirtschaft wurde nicht tiefer in die Rezession gezogen. Stattdessen erholten sich die Märkte schnell von ihren Verlusten. Die Gesellschaft bewies Widerstandsfähigkeit im Angesicht des Schreckens.

Dieses Bild setzte sich auch dann fort, als der Terror Einzug in Europa erhielt. Am 11. März 2004 wurden 191 Unschuldige bei einem Anschlag auf die Nahverkehrszüge in Madrid getötet. Nur drei Tage vor der nationalen Wahl wurde die Ordnung in Madrid aus den Angeln gehoben. Europa erlebte den schlimmsten Anschlag seit Lockerbie. Die spanische Börse reagierte und gab am selben Tag um 2,18 Prozent nach. Beim Marktschluss am 15. März war ein Abschlag von 7,4 Prozent zum Niveau vor den Anschlägen. Aber bereits am Folgetag – dem vierten Handelstag nach dem Anschlag – erholten sich die Märkte. Am 7. April waren die Verluste bereits wieder ausgeglichen.

Rund ein Jahr später wurde London am 7. Juli 2005 Ziel von Terroristen. Der MSCI UK gab in der Folge um 1,4 Prozent am selben Handelstag nach. Am 8. Juli stieg der Index jedoch wieder und schloss zu einem höheren Niveau als am Vorabend der Anschläge. Wir sehen darin ein Zeichen, dass Märkte mit zunehmender Gewöhnung an die wiederkehrenden Anschläge immun gegen ihre verheerenden Auswirkungen wurden.

Irgendwann wird alles zur Routine

Seither haben die Märkte unerheblich auf Terroranschläge reagiert und ähnliche Bewegungsmuster gezeigt: Als am 22. März 2016 am Brüsseler Flughafen und in der Innenstadt Terroranschläge verübt wurden, verzeichneten belgische Aktien ein leichtes Wachstum und setzten diese Rallye am Folgetag fort. Ein ähnliches Muster zeigte sich beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin am 19. Dezember 2016: Am folgenden Handelstag legte der DAX leicht zu und zeigte wider Erwarten keine Schwäche. Frankreich hat seit den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 drei weitere folgenschwere Anschläge (und einige kleinere Zwischenfälle) erlebt. Dennoch sind französische Aktien seitdem um 27,5 Prozent gestiegen und haben kaum kurzfristige Reaktionen auf die Terroranschläge gezeigt.

Das gleiche Bild zeichnet sich bei den jüngsten Anschlägen in Großbritannien. Die Reaktionen des Marktes seit den Anschlägen in Manchester am 22. Mai und London am 3. Juni waren geringfügig. Am Tag nach dem Anschlag am 22. Mai, fielen Britische Aktien um 0,2 Prozent, aber endeten am 24. Mai wieder über dem Niveau des Handelsschluss am Vorabend des Anschlages. Am 26. Mai erreichten Britische Aktien für kurze Zeit ein Rekordniveau, kurz bevor sie sich den globalen Märkten wieder anpassten.

Wir sehen in den oben beschriebenen Beobachtungen ein hoffnungsvolles Bild: Die Fähigkeit der Märkte, sich schnell von Terroranschlägen erholen zu können, beweist nicht nur eine Widerstandsfähigkeit gegenüber der latenten Gefahr durch Attentate, die längst zu unserem Alltag gehört. Vielmehr ist es ein Beweis der Unbeugsamkeit unserer Demokratien gegenüber den negativen Kräften, mit denen Terroristen unseren westlichen Lebensstil zerstören wollen. Freie Gesellschaften und Märkte werden von derartigen Bedrohungen nicht in die Knie gezwungen. Davon sind wir überzeugt. Die Fähigkeit zur schnellen Erholung der Märkte im Angesicht von Terroranschlägen beweist die Solidarität und das Durchsetzungsvermögen unserer Gesellschaften und Rechtssysteme.

Ken Fisher ist ein US-amerikanischer Finanzanalyst sowie der Gründer und Geschäftsführer von Fisher Investments.