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Double Vanity: Wenn Fotografie und Malerei eins werden

Double Vanity – doppelte Eitelkeit – heißt die aktuelle Ausstellung im Düsseldorfer CuraMeum. Zu sehen sind Arbeiten von Britta Weimer. Die Künstlerin hat auch für ihre neuesten Arbeiten Fotografien verwandt, die sie anschließend übermalt. Doch Britta Weimer versteht sich weder als Fotografin noch als Malerin allein. Die Bilder, die reihum an den Wänden hängen, leben von beiden Kunstformen, sie sind Verschmelzungen, doppelte Schichten, Transformationen – auf einen Nenner gebracht: es entstehen neue Welten.

BÖRSE am Sonntag

Double Vanity – doppelte Eitelkeit – heißt die aktuelle Ausstellung im Düsseldorfer CuraMeum. Zu sehen sind Arbeiten von Britta Weimer. Die Künstlerin hat auch für ihre neuesten Arbeiten Fotografien verwandt, die sie anschließend übermalt. Doch Britta Weimer versteht sich weder als Fotografin noch als Malerin allein. Die Bilder, die reihum an den Wänden hängen, leben von beiden Kunstformen, sie sind Verschmelzungen, doppelte Schichten, Transformationen – auf einen Nenner gebracht: es entstehen neue Welten.

Das künstlerische Spiel zwischen Fotoarbeiten, Malerei und gemalten Verfremdungseffekten prägt die Werke. Die Künstlerin greift damit ein Selbstfindungsthema moderner Kunst gezielt auf und variiert es mit lusvollem Bekenntnis. Tatsächlich fotografierten schon im 19. Jahrhundert insbesondere Portraitmaler ihre Modelle, sie nutzten das neue Medium, den Fotoapparat, zur Produktion von Malvorlagen. Allerdings geschah das meist heimlich, denn für nach Fotografien malende Künstler bestand die Gefahr, dass ihr Honorar nicht mehr als gerechtfertigt angesehen wurde. Fotohilfe für Malerei galt als unkünstlerisch, als verwerflicher Trick und eines echten Künstlers nicht würdig.

Der Grund:  Als die Fotografie erfunden wurde, verloren die bildenden Künstler ihr Monopol über die Bildherstellung, und schnell waren Fotografien im Gegensatz zu gemalten Bildern preiswerter und schneller erhältlich. Deshalb lichteten die Künstler damals ihre Modelle eben heimlich ab, achteten sorgfältig darauf, ihre fotografischen Vorlagen nicht aus der Hand zu geben und verfügten: „nach meinem Tode verbrennen“. Wie selbstverständlich Maler mit Fotografien umgingen, wird jedoch am Umfang ihrer Nachlässe deutlich: Der berühmte Portraitmaler Franz von Lenbach (1836 – 1904) beispielsweise hinterließ mehr als 13.000 Negative. Auch die zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder entdeckten Fotografien des Portraitmalers Ferdinand Schmutzer (1870 – 1928) belegen, welche wichtige Rolle das neue Medium bei der Schaffung von Kunstwerken gespielt hat.

Umgekehrt ist die Fotografie längst zur eigenen Kunstform aufgestiegen. „Mich reizen die Zwischenwelten der Formen", erklärt Britta Weimer. Sie lehnt den Weg des Vortäuschens und des so tun als ob ab und beschreibt unverkrampft und detailliert, wie sie mit der Kamera Augenblicke des Lebens einfängt. Wie sie im Alltag auf Motive stößt, besondere Momente protokolliert oder Gedanken mit einem Klick in ihr digitales Fotoalbum wandern. Jedes Foto werde so allerdings zu einem eingefrorenen Eindruck, zu einem (ein)gefangenen Gefühl.

Und weil diese Starre so eisern ist und die Momentaufnahmen dem Fluss des Leben entrissen worden sind, seien die Fotografien wie stumme Zeugen mundtot gemacht. In Weimers Augen schreien die Fotografien nach Transformation, nach erneutem Fließen, nach neuer Existenz. Und so greift sie zu Pinsel oder Spachtel, um den Bildern wieder neues Leben einzuhauchen. Die Übermalung nimmt der fotografischen Unbeweglichkeit ihre Steife, befreit den eingesperrten Moment und schenkt ihm eine zeitbereinigte Kraft in der Form eines übermalten lebendigen Bildes. Dabei verschmelzen Fotografie und Malerei; die Übermalung macht Fotografie und Malerei ästhetisch unzertrennlich.

Bestätigt wird diese Auffassung der Künstlerin durch Botho Strauß, der schon 2008 zu einer Gerhard-Richter-Ausstellung „Übermalte Fotos“ eine Theorie zu diesen Kunstwerken entwickelte. Danach ist „jedes Foto ein getöteter Augenblick.“ Es vermittelt zwar ein Bild des Realen, bleibt aber immer „etwas Festgehaltenes, eine falsche Gegenwart und wiegelt das Gedächtnis weniger auf als das Strömende von Duft und Melodie“. Allein die  Malerei kann das Gefängnis öffnen, den gefangenen Zeitpunkt befreien  und ihn dem Leben zurückgeben.

Ob das digitale Zeitalter, in dem elektronischen Bearbeitungen keine Grenzen gesetzt sind, die Übermalung nicht überflüssig mache, wollen wir zum Schluss von Britta Weimer wissen, die man in Düsseldorf als Veranstaltungschefin in der Staatskanzlei kennt. “Nein, keinesfalls”, erklärt die 57-Jährige, “denn digitale Bearbeitung kann immer nur auf digitalem Grund stattfinden, elektronisch eben. Und so bleibt der digitale Künstler in einer Ebene”. Anders bei Malerei auf Fotoabzügen. Durch die Übermalung würden beide Kunstformen berührt, gewürdigt, ja geadelt. Die stoffliche Gestaltung setze der beliebigen Reproduzierbarkeit ein Ende, führe zurück zum Unikat und bediene so die Eitelkeit beider Formate: Double Vanity, also.

Die Ausstellung “Double Vanity” ist ab dem 22.11.2015, dann Vernissage von 11:00 – 16:00 Uhr, im CuraMeum, Poststraße 12, Düsseldorf zu sehen. www.brittaweimer.com