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Das 18. Jahrhundert: Sehnsuchtsland für Anleger

Die Kunst des 18. Jahrhunderts strotzt nur so von Anzüglichkeiten. Das offenbart eine fulminante Ausstellung in der Nordfrankreich-Dependance des Louvre. Anleger, die überlegen, vor den internationalen Krisen in Sachwerte auszuweichen, werden hier geradezu unnachahmlich zur Investition verführt.

BÖRSE am Sonntag

Die Kunst des 18. Jahrhunderts strotzt nur so von Anzüglichkeiten. Das offenbart eine fulminante Ausstellung in der Nordfrankreich-Dependance des Louvre. Anleger, die überlegen, vor den internationalen Krisen in Sachwerte auszuweichen, werden hier geradezu unanachahmlich verführt.

Wenn sich die Damen und Herren am Hofe Ludwigs XV. als Schäfer, Gärtner oder Pilger verkleideten und sich in den Schlossparks frivolen Spielen hingaben, bezeichnete man diese Freizeitgestaltung als „fêtes galantes“. Die Verführungskunst im Zeichen des freizügigen Liebesgottes Amor folgte streng kodierten Regeln mit genau festgelegten Körperhaltungen und Gesten für pseudo-naive Männlein und Weiblein.

Die Geschichte dieser Liebesspiele „à la française“ und ihre rasche Verbreitung in Europa zeigt nun eine geistreiche Ausstellung im Musée du Louvre-Lens, der vor drei Jahren in Nordfrankreich eröffneten Dependance des Louvre. „Tanzt, küsst wen ihr wollt. Feste und Liebesgenuss im Jahrhundert der Madame Pompadour“, lautet ihr leichtfüßig klingender Titel. Er ist der Refrain eines Liedes, das eigentlich junge, mit älteren Herren verheiratete Frauen sangen, die – nach dem Karnevalsprinzip – sich einen Tag im Jahr mit Männern ihrer Wahl belustigen durften.

Auch im Palais der Marquise de Pompadour (heute Elysée-Palast), der einflussreichen Geliebten Ludwigs XV., erklang dieses Liedchen. Es fordert nicht nur zum Tanzen und Küssen, sondern auch zum Blumenpflücken auf. Das Winden von Kränzen und das Pflücken von Blumen symbolisierte in der Neuzeit Jungfräulichkeit und ihren Verlust. Für dieses doppelbödige Spiel, dessen Anfänge in der flämischen Malerei des 17. Jahrhunderts zu suchen sind, war man im 18. Jahrhundert besonders empfänglich.

Blick unter gebauschte Röcke

Graphische Darstellungen und Porzellanfiguren verbreiteten die erotischen Szenen an den Königs- und Fürstenhöfen ganz Europas. Die Vorlagen lieferten Maler. Antoine Watteau und Honoré Fragonard gehörten zu den angesehensten Vertretern auf diesem Gebiet. Besonders Watteaus Gemälde wurden mit Hilfe der Graphik rasch verbreitet. Sorgfältig gegliederte Bilder mit eleganten Personen, deren Kleidung aus Samt und Seide im Licht schimmern, sind seine Stärke.

Fragonard zeigt die spontane Lebenslust und erotische Freiheit. Er lässt junge Frauen auf Schaukeln fliegen, was den Herren voyeuristische Einblicke unter die gebauschten Röcke ermöglicht. Das Thema der Schaukel durchzieht das ganze Jahrhundert und auch die Ausstellung in Lens, die mit einer Variante von Francisco de Goya y Lucientes von 1779 endet. Davor malte François Boucher Madame de Pompadour als Gärtnerin. Ein Standporträt des jungen Ludwig XV. in der Verkleidung eines Pilgers wird Jean-Baptiste Vanloo zugeschrieben.

Flötenspiel und Renditen

Schäfer und Schäferinnen gaben sich der Leichtigkeit des höfischen Daseins hin, umgeben von Ziegen und Schafen. Deren Sexualtrieb war allgemein bekannt. Als extrem triebhaft gilt der rammelnde Hase. Ihn brachte bereits Rembrandt auf seinem erotischen Kupferstich „Der Flötenspieler“ mit ins Bild. Auf vielen Gemälden des 18. Jahrhunderts halten junge Männer eine Flöte in der Hand, den Inbegriff eines phallischen Symbols. Dabei legen sie den Arm um ein junges Mädchen, damit sie in die Flöte bläst.

So erotisch ging es zu, bevor mit der Französischen Revolution das Fanal für ein neues Zeitalter gegeben wurde. Anleger von heute könnte das damalige Idyll erinnern an Zeiten, als noch um 13 Uhr Kassakurse festgelegt wurden. Als festverzinsliche Papiere noch echte Rendite abwarfen, als Kohlekraftwerke zugleich auch Renditegaranten waren und als ein Bluechip noch ein Bluechip war. Fürwahr, schöne Zeiten für Anleger waren das! Handelsblatt /Olga Grimm-Weissert / Schlussbemerkung: sig