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„Flucht in die Qualität“

Auf den New Yorker Fotoauktionen kommen seltene Abzüge amerikanischer Klassiker groß heraus. Kein Finger hebt sich für die über 500 Bilder von Edward Weston, die sein Sohn Cole nach seinem Tod abgezogen hat.

BÖRSE am Sonntag

Auf den New Yorker Fotoauktionen kommen seltene Abzüge amerikanischer Klassiker groß heraus. Kein Finger hebt sich für die über 500 Bilder von Edward Weston, die sein Sohn Cole nach seinem Tod abgezogen hat.

Nur für Erwachsene! Klickte man auf Christie’s e-commerce-Seite „Helmut Newton Photographs for Playboy“ (23.9.-7.10.), tauchte als erstes diese Warnung auf. Die 20 Bilder, die zu Startgeboten von je 15.000 oder 25.000 Dollar aufgerufen wurden, stammten aus der riesigen Sammlung von über 10.000 Aktfotos des prominenten Finanziers Don Sanders. Er kann in Houston, Texas, das Baseball-Team „The Hooks“ samt Stadion sein eigen nennen. Über Christie’s wird er nach und nach den größten Teil seiner seit 2002 gekauften Werke verkaufen. Angeblich, so wispert die Branche, trennt sich Sanders seiner neuen Gattin zuliebe von dem Material.

In der Live-Auktion „Triple XXX“ verteilte Christie’s dazu am 29. September 2014 weitere 78 heiße Aufnahmen 30 anderer Fotografen. Die Resonanz blieb jedoch lauwarm. Nur 56 Lose brachten vor allem über Telefon- und Internetgebote 2,08 Millionen Dollar ein. Sie blieben unter den mindestens erwarteten 2,5 Millionen Dollar.
Unter dem Strich lief nur Newton gut. An die Spitze setzte sich seine nur noch selten vollständig angebotene 45-teilige Serie „Private Property, Suites I, II and III“. Sie liefert eine Übersicht über das zehnjährige Schaffen vor 1983. Dafür bewilligte ein europäischer Bieter 389.000 Dollar (Taxe 250.000 bis 350.000 Dollar). Das Motiv „Bergstrom over Paris, 1976“ ging in einem übergroßen Abzug – möglicherweise dem einzigen in dieser Größe – für 293.000 Dollar nach Südamerika. Geschätzt war er auf 200.000 bis 300.000 Dollar.

Nur Seltenes wird akzeptiert

Christie’s bot eine zweite Privatsammlung an, 62 Fotos aus dem Besitz des Schriftstellers und Präsidenten des Lifestyle Magazins ForbesLife, Robert L. Forbes (65). Aber auch die wurde radikal auf 59 Prozent nach Losen ausgesiebt. „Es gibt eine Flucht in die Qualität“, weiß ein Händler; nur Gutes und Seltenes werden akzeptiert.
Das traf auch Irving Penn zu, einen von Forbes‘ Favoriten. Er unterhielt an der Fifth Avenue und 12. Street, um die Ecke des vor vier Jahren an die New York University verkauften Forbes-Firmensitzes ein Studio. Von seinen 27 angebotenen Motiven wurden nur die zwölf besten akzeptiert. Die drei bekanntesten schafften es dank europäischer Gebote auf die Top Ten Liste, darunter der berühmte, 1950 entstandene “Harlequin Dress“ in einem nummerierten Platinum-Palladium-Abzug von 1979 zu 245.000 Dollar (Taxe 200.000 bis 300.000 Dollar).

Jahrzehnte in der Schublade

Ausreißer war Lewis Carrolls kleines charmantes Foto der jungen „Lorina and Alice Liddell in Chinese Costume“ (ca. 1860) auf Albuminpapier. Es kletterte von der überaus niedrigen Taxe von 10.000 bis 15.000 auf 106.250 Dollar. Alice lieferte später die Inspiration für die Titelheldin in Carrolls Klassiker „Alice in Wonderland“ (1865).

Christie’s Top-Preis erzielte dann am Nachmittag Edward Westons samtartiger Abzug „Nautilus Shell“ (1927) mit eigenhändiger Widmung an den Schwippschwager Henry Clay Seaman, Jr.. Es ist eines seiner wichtigsten Bilder. Clays Erben, die das Foto zum Schätzpreis von 300.000 bis 500.000 Dollar eingeliefert hatten, erzielten rund 461.000 Dollar. Über Jahrzehnte hatten sie das Bild sicher in einer Schublade verwahrt.

Posthumes Konvolut floppt

Sotheby’s verkalkulierte sich gründlich beim „Master Set“ von 548 posthum (vor 2003) vom Sohn Cole Weston abgezogenen Negativen Edward Westons (1886 – 1958). Die schwarzweißen Aufnahmen decken zwar Edwards Karriere von den 1910ern bis in die 1940er-Jahre ab, bei einer hochgesteckten Erwartung von bis zu drei Millionen Dollar hob sich jedoch kein einziger Finger.
Ebenfalls bei Sotheby’s wurde vor allem die amerikanische Moderne gut bewertet. Lewis W. Hines bekannter „Mechanic at Steam Pump in Electric Power House“ (um 1921) vervielfachte sich auf gerechtfertigte 269.000 Dollar, Hines handgeschriebener Titel sicherte den privaten Sammler ab, denn noch 2001 wurde der Hines-Markt von einem Fälschungsskandal geschüttelt. Gut schlugen sich auch die sieben Abzüge aus dem Besitz des Schweizer Regisseurs Thomas Koerfer. Man Rays drei Aktstudien seiner Geliebten und Muse Lee Miller (um 1930) gingen erst bei 455.000 (100.000/150.000) Dollar an den in Westport, Connecticut, ansässigen Privathändler Michael Shapiro.

Phillips verbucht Topeinnahmen

Die Topeinnahmen der Woche verbuchte wieder einmal Phillips. Hier verkaufte am 1. Oktober das bereits 40 Jahre alte angesehene Department of Photography am Art Institute of Chicago 117 Werke. Weitere Tranchen sollen im November in London und im Dezember online folgen.

Aber trotz der angesehenen Provenienz waren auch hier nur rare Abzüge erfolgreich. Henri Cartier-Bressons frühes und seltenes surrealistisches Frauenbild „Córdoba, Spain“ (1933), das mit dem Archiv des New Yorker Händlerpioniers Julien Levy 1979 erworben wurde, sicherte sich ein Käufer am Telefon zu 161.000 Dollar, nur unterboten vom New Yorker Händler Edwynn Houk. Geschätzt war es auf 80.000 bis 120.000 Dollar. Houk erhielt dafür den Zuschlag für Edward Westons „Dunes, Oceano, 1936“ zu 112.000 Dollar. In Phillips regulärer Auktion wurden vor allem marktfrische Zeitgenossen nachgefragt. Aber auch hier setzte sich Helmut Newtons rare Serie „Private Property: Suites I, II and III“ von 1984 zu 389.000 Dollar an die Spitze.