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Keine Spur von Schwäche

Den deutschen Auktionshäusern geht es sehr gut. Einen beträchtlichen Teil ihres Erfolgs verdanken sie internationalen Sammlern. Nicht nur Spitzenstücke erzielen hohe Preise. Auch das mittlere Marktsegment läuft gut.

BÖRSE am Sonntag

Den deutschen Auktionshäusern geht es sehr gut. Einen beträchtlichen Teil ihres Erfolgs verdanken sie internationalen Sammlern. Nicht nur Spitzenstücke erzielen hohe Preise. Auch das mittlere Marktsegment läuft gut.

Der deutsche Kunstmarkt hat sich im ersten Halbjahr als ein Muster an Solidität erwiesen. Das zeigen nicht nur die Hochpreise für viele Spitzenlose der Frühjahrs-Auktionen. Selbst das von Kunsthändlern gern als „Graubrot“ bezeichnete mittlere Marktsegment hat sich gut behauptet. Und es gibt, allen Unkenrufen zum Trotz, neue Käufer. Nur bei den Möbeln herrscht nach wie vor starke Abstinenz, eine Trendwende ist hier noch nicht in Sicht. Beim Silber wird gesiebt; aber beim Porzellan laufen jetzt sogar Stücke, die nicht lupenrein erhalten sind, aber als wichtige Manufaktur-Beispiele gelten. Stärkeres Interesse denn je finden Schmuck und Juwelen. Bei Altmeistergemälden gibt es Sammlernachwuchs, der sich behutsam in höhere sechsstellige Preisregionen vortastet. Klassische Moderne und zeitgenössische Kunst ließen sich mühelos absetzen.

Internationale Sammler als Stütze

In wachsendem Maße werden die deutschen Auktionen von internationalen Käufern getragen. „Wenn wir die Ausländer nicht hätten, könnten wir einpacken“, gab im Juni ein breit vernetzter Auktionator inoffiziell zu. Russen, Amerikaner, Engländer und Schweizer waren dominante Käufer und Unterbieter der Saison. Einige Enttäuschungen im Hochpreissektor, die auf überzogene Preisvorstellungen der Einlieferer zurückzuführen sind, wurden durch hohe Gebote für zurückhaltend taxierte Objekte ausgeglichen. Zu diesen gehörte Günther Ueckers Frühwerk „Hommage à Fontana I“, ein zart benageltes Hochformat mit Fontana-Kreis, für das ein süddeutscher Sammler bei Ketterer 1,3 Millionen Euro einsetzte. Kandinskys Aquarell „Gewebe“ von 1923 erlöste hier denselben Preis. Eine hoch taxierte Pechstein-Landschaft ließ sich erst im Nachverkauf absetzen, aber ein betont niedrig geschätztes Selbstbildnis mit Rückenakt von Otto Mueller ging für 550.000 Euro an einen türkischen Sammler von Selbstporträts. Entscheidend für den Erfolg dieser Auktion war die Fülle marktfrischer Lose. Sie trugen entscheidend zum Rekordumsatz von 20,4 Millionen Euro bei.

Überschätztes fällt durch

Die Villa Grisebach-Auktionen erlösten insgesamt 18,5 Millionen Euro. Hier blieben viele hoch eingestufte Werke im Schätzrahmen, was für die These spricht, dass vor allem neue Käufer sich an den unteren Taxen orientieren. Das mit zwei bis drei Millionen Euro überbewertete Campendonk-Gemälde „Landschaft mit zwei Kühen“ ging sang- und klanglos zurück. Dafür nahmen ein kleines weißes Relief von Benedikt Nicholson und eine Kleinbronze von Eduardo Chillida überraschend die 500.000 Euro-Hürde.

Dass der Umsatz der Auktion von Kunst des 19. Jahrhunderts sich mit drei Millionen Euro verdoppelte, liegt nicht nur an den von deutschen Sammlern gebotenen Hochpreisen für Max Liebermann und Franz von Stuck. Auch die enthusiastischen Gebote neuer Käufer, die in der Malerei der frühen und mittleren Romantik die bezahlbare Alternative zur überhitzten Gegenwartskunst sehen, trugen zum Erfolg dieses Segments bei.

Höchste Aufmerksamkeit für Altmeister

Bei Lempertz genossen Hauptlose aus der Wiener Sammlung Hofstätter – Jordaens, Honthorst, eine sächsische Kalvarienberg-Gruppe von 1510 – und ein auf 1,52 Millionen Euro hochgebotenes, kunsthistorisch aber unbestimmtes Bild der Rembrandt-Schule aus Berliner Privatbesitz die höchste Aufmerksamkeit. In den Asiatika-Auktionen des Kölner Auktionshauses, die auf einen Gesamtumsatz von 2,2 Millionen Euro kamen, stand der erste Teil der russischen Netsuke-Sammlung Kolodotschko im Mittelpunkt. Bieter aus Frankreich, Rußland, England und der Schweiz ließen sich zu hohen Geboten verführen, die bis zum Zehnfachen des Schätzpreises reichten.

Nach Aussagen von Lempertz gab es noch nie soviel Auslandseinlieferungen wie in diesem Jahr. Auch das synchrone Bieten über das Internet, das ein anderes Publikum an die Auktionen heranführt, habe deutlich zugenommen. Russen und Asiaten waren hier besonders aktiv. In der alljährlich in Kooperation mit dem französischen Auktionshaus Artcurial in Monaco durchgeführten Juwelenauktion, die 14 Millionen Euro einspielte, erlöste Lempertz mit einem blauen Diamanten von 2,39 Karat aus westfälischem Privatbesitz 1,8 Millionen Euro. Mit den Einnahmen dieser Auktion, die zur Hälfte an Artcurial gehen, summiert sich der Saisonumsatz von Lempertz auf 30,4 Millionen Euro.

Panoramen: Meeresstädte und Madonnen

Zu den herausragenden Ergebnissen dieses Frühjahrs gehören die 2,02 Millionen Euro, die zwei in Berliner Privatbesitz entdeckte Panoramen der Meeresstädte Neapel und Messina von Gaspare Vanvitelli und Antonio Joli bei Bassenge in Berlin erlösten. Die Sonderauktion mit dem zeichnerischen Nachlass des Architekten Hans Poelzig rief Architekten, Sammler, Händler und Institutionen auf den Plan. Sie boten bis zu 34.000 Euro – für ein nach New York verkauftes Skizzenbuch.
In der Münchener Traditionsfirma Neumeister belebte die Moderne das Geschäft. In der Auktion Alter Kunst im März hatte sich eine rheinische Madonna im „schönen Stil“ des 14. Jahrhunderts mit 228.600 Euro an die Spitze gestellt. Im Juni erlöste ein Aquarell von Paul Klee, das 1914 auf oder kurz nach einer Tunis-Reise entstanden war und mit „Garten“ übertitelt ist, 508.000 Euro.

Internationale Bietgefechte prägten auch die Auktionen bei Van Ham, die 11,5 Millionen Euro einspielten. Das Kölner Unternehmen, das am 3. September seinen logistisch nützlichen Neubau im Süden der Stadt eröffnet, hat mit moderner und zeitgenössischer Kunst bisher nie erreichte 6,7 Millionen Euro eingefahren. Werke von Feininger und Tony Cragg liegen an der Spitze der Erfolgsskala. Englische, russische und italienische Bieter engagierten sich in den Van Ham-Auktionen mit Kunst des 19. Jahrhunderts. Noch in diesem Sommer wird angesichts der wachsenden Internationalisierung eine neue Abteilung eingerichtet. In Kooperation mit der Händlerin Trudel Klefisch, die selbst 40 Jahre als Auktionatorin tätig war, wird am 4. Dezember die erste Auktion für Kunst aus China, Indien, Japan, Korea, Nepal, Tibet und Südostasien durchgeführt.

In der Juni-Auktion von Karl & Faber in München lief die Kunst nach 1945 blendend. Mehrfach wurde die 100.000 Euro-Marke überschritten. Bei Hauswedell & Nolte, wo sich die Kunst nach 1945 als absatzstark erwies, wurde ein Nagelrelief von Günther Uecker mit 295.000 Euro teuerstes Los.

Im Stuttgarter Auktionshaus Nagel gab es diesmal keine Preisexplosionen in den Millionenbereich, aber dafür ein breites und gutsortiertes Angebot asiatischer Kunst. Chinesische Porzellane konnten ihre Schätzpreise deutlich überrunden. Den Spitzenpreis von 760.000 Euro erzielte eine kaiserliche Bronze der Kangxi-Periode mit der Darstellung des Amitayus. Dieser Buddha ist Sinnbild des langen Lebens, ein Garant der Kontinuität.

Damit ist der Buddha aus Stuttgart geradezu ein Sinnbild für das Kunstjahr 2014. Kontinuität strahlt zur Zeit auch der deutsche Kunstmarkt aus.