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Gegen den Strich: Keith Haring in der Münchner Kunsthalle

Unglaublich viel junges Publikum kam zur Vernissage der Keith Haring-Ausstellung in München. Menschen, die seine Werke wohl eher von T-Shirts und Bildschirmen kennen, als aus Galerien und Ausstellungen. Keith Haring wäre heute ein „Silverager“. Seine Botschaft aber ist noch immer hochaktuell.

BÖRSE am Sonntag

Unglaublich viel junges Publikum kam zur Vernissage der Keith Haring-Ausstellung in München. Menschen, die seine Werke wohl eher von T-Shirts und Bildschirmen kennen, als aus  Galerien und Ausstellungen. Keith Haring wäre heute ein „Silverager“. Seine Botschaft aber ist noch immer hochaktuell.

„Gegen den Strich“ leben, sich nicht wie eine Datei formalisieren lassen von Gesellschaft und Politik, nur um zu funktionieren. Vielleicht kamen gerade wegen dieser Idee so viele zur Ausstellungseröffnung, die ganz augenscheinlich gleich zwei Generationen später geboren wurden.

Zum allerersten Mal gibt es in München eine Einzelausstellung mit Werken von Keith Haring (1958 – 1990). Und es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass Harings Werke wieder in Deutschland präsentiert werden. Dabei hatte Haring einen echten Bezug zu Deutschland. Er war es, der in den 1980er Jahren begann mit Graffitis die Berliner Mauer zu bemalen. In den folgenden Jahren nutzten viele be- und unbekannte Künstler die Berliner Mauer für ihre künstlerischen Projekte. Die Mauerkunst war nicht geschützt und jeder der wollte, konnte an der Westseite der Mauer seine künstlerischen Ideen umsetzen.

Keith Harings Designs prägte die – damals – neue Alltagskunst: die ersten öffentlichen Bildschirme am Broadway in New York unterhielten mit seinem „Barking Dogs“, er malte auf LKW-Planen oder inszenierte Körperkunst-Sessions mit Künstlern wie der Sängerin Grace. Andy Warhol war sein „Papa Pop“. Wer mit der Kunst von Haring aufgewachsen ist, wundert sich vielleicht, dass er nun in den Olymp der Künstler des 20.Jahrhunderts gehievt wird. „Zumindest gab es einige kritische Stimmen seitens Kollegen“, gibt der Direktor der Kunsthalle, Dr. Roger Diederen zu. „Doch seine Ästhetik, seine Bildsprache seine Gorillaicons- sie waren wie ein kollektives Virus, das unsere Wahrnehmung entscheidend geprägt hat. Wer an an Sonnenblumen denkt, erinnert sich an Van Gogh. Wer an Computer-Icons denkt, dem ist die Ästhetik von Haring vor Augen.“ 

Ein Großteil der über 160 Leihgaben stammt aus der Keith Haring Foundation in New York, die durch Exponate aus amerikanischen und europäischen Museums-und Privatsammlungen ergänzt werden. Einige sind zum ersten Mal seit dem Tod des Künstlers zu sehen. Diese Zusammenstellung zeugt von der Vielfalt seines Schaffens, mit dem Haring sich seiner Umwelt künstlerisch bemächtigte: von seinen frühen Zeichnungen, den Plakatwänden in der Subway, Leinwänden und Kunststoffplanen über Motorhauben und alltägliche Gebrauchsgegenstände bis hin zu Skulpturen. Dokumentarisches Material vervollständigt das Bild des Künstlers und Aktivisten. Die Kunsthalle hat aber auch ein umfangreiches Begleitprogramm ausgearbeitet. Filmvorführungen, Konzerte, Beteiligung am Christopher Street Day und diverse Workshops gibt es. Damit würdigt man die politische Aktivität Harings.

Keith Haring hatte es sich im New York zu Zeiten der konservativen Reagan-Regierung zum Ziel gesetzt, mit seiner Kunst auf gesellschaftliche Mißstände aufmerksam zu machen. Er bezog klare Stellung zu gesellschaftspolitischen Themen. Auf diesen in Ausstellungen bisher wenig thematisierten politischen und sozialkritischen Aspekten seines Lebenswerks liegt der Fokus der Retrospektive. Keith Haring war der herausragende Künstler in der New Yorker Downtown-Community junger Maler, Performer und Musiker, deren Schaffen sich aus der Urban Street Culture speiste. Während seiner kurzen, aber intensiven Karriere in den 1980er-Jahren wurde sein Werk in mehr als 100 Einzel-und Gruppenausstellungen gezeigt. Als Keith Haring mit 31 Jahren – nach einer Schaffenszeitvon gerade einmal einem Jahrzehnt – an den Folgen von Aids starb, hatte er nicht nur für seine Kunst, sondern auch für sein politisches Engagement international Anerkennung erlangt: Er sprach offen über seine HIV-Infektion und leistete so einen wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung der Krankheit.

Der Künstler gründete 1989 die Keith Haring Foundation, deren beiden Hauptziele bis heute sind,
weltweit unterprivilegierten Kindern Ausbildungschancen zu bieten und ein vorurteilsfreies Bewusstsein gegenüber HIV und Aidszu schaffen. Um dieses Vermächtnis weiterzugeben, kamen auch Familienmitglieder von Keith Haring nach München. Denn Haring ist weit mehr, als es die unzähligen Merchandising-Artikel von Stickern über T-Shirts bis hin zu Smartphone-Hüllen vermuten lassen! Auch wenn der Pop-Shop, den es auch innerhalb der Ausstellung gibt, vom Publikum begeistert besucht  und als Ort zum Einkauf genutzt wurde.  Nicht nur der Einfluss auf seine eigene Generation kann kaum überschätzt werden: Sein Ideal einer politisch engagierten Kunst lebt weiter, und die Wirkung seiner Bildsprache ist ungebrochen.