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Blonde Locken und Meeresschnecken

Wer außergewöhnliche Objekte aus der Rokoko-Zeit sucht, steuert den Kunsthandel von Ulf und Marlene Härtl an. Zum 45-jährigen Geschäftsjubiläum haben die beiden Bamberger Händler erneut einen aufwendig bebilderten Katalog vorgelegt. Eines der Top-Stücke ist ein kleines ovales „Mädchenporträt mit Notenblatt“ von Louis-Rolland Trinquesse, für das Härtl einen höheren fünfstelligen Betrag ansetzt.

BÖRSE am Sonntag

Wer außergewöhnliche Objekte aus der Rokoko-Zeit sucht, steuert den Kunsthandel von Ulf und Marlene Härtl an. Zum 45-jährigen Geschäftsjubiläum haben die beiden Bamberger Händler erneut einen aufwendig bebilderten Katalog vorgelegt. Eines der Top-Stücke ist ein kleines ovales „Mädchenporträt mit Notenblatt“ von Louis-Rolland Trinquesse, für das Härtl einen höheren fünfstelligen Betrag ansetzt.

Es ist ein qualitätvolles Rokoko-Bildnis, auf dem vor allem die feine Wiedergabe seidiger Stoffe und modischer Details ins Auge fällt. Die ins Rund einer blumen- und baumreichen Ideallandschaft hineinkomponierte Sitzende trägt einen crèmeweißen, sich bauschenden Seidenrock, dessen im Licht schimmernde Oberfläche einen reizvollem Kontrast zum eng anliegenden braunen Oberteil bildet. Um den Hals trägt das junge Mädchen ein leicht transparentes, das Licht eher schluckendes Tuch. Es trumpft nicht so auf wie der prächtige Rock und bringt auf diese Weise die zarte Gesichtshaut und die üppigen, blonden Locken zur Geltung.

Inspiration für Marcel Proust

Das 1785 datierte Bild hat eine interessante Herkunftsgeschichte. Einst gehörte es den französischen Aristokraten Henri, Compte de Greffulhe (1848 – 1932), und seiner ebenso musikalischen und modebewussten Gattin Comtesse Greffulhe (1860 – 1952), beides Persönlichkeiten, die sich in Marcel Prousts Roman-Opus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (1913 – 1927) wiederfinden. Im Sommer 1937 wurde es für 460 britische Pfund bei Sotheby’s in London in die USA vermittelt, dem großen Markt für die Kunst des Rokoko, auf dem auch für der Bamberger Händler immer wieder fündig wird. Käufer war damals die New Yorker Galerie Knoedler. Zuletzt tauchte das Motiv wieder in Europa bei Christie’s in Amsterdam auf, wo es für 15.000 Euro innerhalb der Taxe verkauft wurde.

Eine typische, von der Form her an Meeresschnecken erinnernde Rokoko-Arbeit sind die beiden aus Lindenholz geschnitzten kleinen Spiegel. Das um 1750 entstandene Pärchen aus der Sammlung Fischer-Böhler ist von außerordentlichem, fast minimalistischen Reiz. Es besitzt noch seine originale Fassung und Teilvergoldung und soll 16.000 Euro kosten. Ein Augenfänger ist auch die einbeinige Rokoko-Konsole aus derselben Sammlung, die mit 35.000 Euro zugeschlagen wurde.

Mit Phantasie konstruiert

Stolz ist Härtl auf die mit Porzellanfiguren und –Blüten dekorierte „Kamingarnitur“ mit Uhr, deren originales Werk vom Uhrmachermeister Jean Warin signiert ist. Hervorzuheben ist die transparente Durchbildung der ganzen Konstruktion mit schmalen, an Ästen erinnernden Trägerelementen, zwischen denen eine Art Netz gespannt ist. Die Form zitiert das Lattengeflecht der im Rokoko überaus beliebten Gartenlaube. 45.000 Euro erwartet der Kunsthändler für diese, mit heutigen Augen betrachtete ebenso phantasiereiche wie abenteuerliche Konstruktion. Ähnliches gilt für das sogenannte „Bougeoir de Paravent“. Dahinter verbirgt sich ein hochartifizieller Kerzenhalter, der am Bett und bei nächtlichen menschlichen Bedürfnissen zum Einsatz kam. Er konnte praktisch über einen Paravent gehängt werden.

Einen größeren Aufwand in Verarbeitung und Material ist bei einem Kerzenhalter heute kaum vorstellbar und auch zu seiner Zeit eine Seltenheit. Seine Bronzeteile sind ziseliert und feuervergoldet, die vielen verschiedenen Blüten aus Meissener Porzellan und die Bodenplatte besteht aus einer königsblauen, mit feinen Sternen und Blüten dekorierte Emailplatte, entworfen von Joseph Coteau, dem besten Emailleur seiner Epoche. Der Preis passt sich der Außerordentlichkeit des Objekts an und bewegt sich in der unteren mittleren sechsstelligen Region.