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Ludwig van Beethoven - 250. Geburtstag

Es gibt Meisterdenker und Klassiker der Musikgeschichte. Ludwig van Beethoven war Deutschlands Genius der Symphoniekantate. Damit betrat er neuen Boden und schuf eine Musik, die auch nach zwei Jahrhunderten immer noch fasziniert. Vor 250 Jahren wurde das Genie in Bonn geboren, doch zu Ruhm wird er erst in seiner Wiener Zeit gelangen. Was aber fasziniert Beethoven an den Idealen der Aufklärung? Wir begeben uns auf Spurensuche.

(Foto: Shutterstock)

Es gibt Meisterdenker und Klassiker der Musikgeschichte. Ludwig van Beethoven war Deutschlands Genius der Symphoniekantate. Damit betrat er neuen Boden und schuf eine Musik, die auch nach zwei Jahrhunderten immer noch fasziniert. Vor 250 Jahren wurde das Genie in Bonn geboren, doch zu Ruhm wird er erst in seiner Wiener Zeit gelangen. Was aber fasziniert Beethoven an den Idealen der Aufklärung? Wir begeben uns auf Spurensuche.

Von Dr. Dr. Stefan Groß

Vor 250 Jahren wurde er in Bonn geboren, das Genie Ludwig van Beethoven. Und er war der Revolutionär in Geist und Musik, Sprengstoff pur, emotional wie ein Vulkan, ein Übermensch, der für eine neue Epoche der Musik steht und Mozarts fulminanter Klassik seine Symphoniekantate entgegensetzen wird. Bekannte sich der Salzburger Wunderknabe bereits in, „Le nozze di Figaro“, im „Don Giovanni“ und in der „Der Zauberflöte“ zu den freiheitlich-bürgerlichen und antimonarchischen Idealen der Freimaurer, folgt ihm Beethoven dann, wenn er sich selbst als glühender Verfechter der französischen Revolutionsideen versteht, die er dann heroisch in seiner 9. Sinfonie als sein höchstpersönliches Glaubensbekenntnis manifestiert.

Der Ruf nach Freiheit war explosiv

Es war der Sieg der Aufklärung über den Absolutismus. Was 1789 als Französische Revolution begann, hatte die Weltgeschichte gründlich verändert und die Fundamente der Moderne gezimmert. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit pfiff es durch die Gassen und zündete dann in den Köpfen jene Feuer, die seither für die Freiheit brennen. Ob die deutschen Idealisten, ob Friedrich Schiller oder die Romantiker – ihnen allen wurde Freiheit zum Losungswort von Dichtung und Kultur – und für den Bonner Ludwig von Beethoven zur Passion. Schillers Ode „An die Freude“ ist es, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten wird, die er aber erst 1824, drei Jahre vor seinem Tod, grandios und gigantisch in Musik vollenden kann.

Beethovens Angst vor dem System Metternich

Schillers Ode, das, umschlungen Millionen“ im vierten Satz von Beethovens Neunter, war auch für den Bonner Menschheitsideal. Und wie sich einst Georg Wilhelm Friedrich Hegel in den 90ziger Jahren des 18. Jahrhunderts über den Policeystaat beklagt, so litt auch Beethoven an der Bespitzelung, an der Restauration und einem aufstrebenden Adel unter Metternich nach dem Wiener Kongress 1814/15. „Sprecht leise! Haltet euch zurück! Wir sind belauscht mit Ohr und Blick“, heißt es bekanntlich im Freiheitschor der einzigen Oper, dem „Fidelio“. Der Ruf nach Freiheit drohte in Deutschland zumindest wieder zu ersticken. Und wie einst Jean-Jacques Rousseau ein „Zurück zur Natur“ einklagen wird, so ist Beethovens Neunte ein Aufruf an das entmündigte Bürgertum, liberal, grenzenlos, für die Ewigkeit der Menschheit gedacht, ein globaler Freiheitsruf par excellence, der mit Schiller an das Frankreich im Jahr 1789 erinnert und die Bande neu knüpfen will.

Schiller, der Meisterdenker der Freiheit

Beethoven war ein glühender Verfechter der französischen Ideen und Schiller lieferte den Stoff dazu. 1885 hatte der Dichter in Leipzig-Gohlis für seinen Freund Körner, wie Mozart ebenfalls Freimaurer und Aufklärer, die Strophen geschrieben, die Weltgeschichte machen sollten. Doch dieser Schiller war kein unbeschriebenes Blatt. War er doch der Autor der „Die Räuber“ und in ganz Deutschland darob frenetisch gefeiert. Und Schiller selbst derzeit noch ein Ausgestoßener und Flüchtiger, verbannt aus dem Herzogtum Württemberg unter Herzog Karl Eugen, hatte das Joch der Tyrannei endgültig abgestreift. Der Verve der Ode war geballte Kraft eines Genius, der sich die Freiheit geradezu aus der Seele schreibt. Dieser Wille zur Unbändigkeit, dieser Frevel, die bestehende Ordnung kritisch zu hinterfragen, diese Lebendigkeit und dieser Pathos der Freiheitsbeschwörung haben Beethoven, der seit 1802 zunehmend an Schwerhörigkeit litt und dies im berühmten „Heiligenstädter Testament“ verewigte, beflügelt, gegen das Räderwerk des Absolutismus zu opponieren. Diese Energie hat dem Krankheitsgeplagten immer wieder das Blut in den Adern auflodern lassen.

Faszination und Geheimnis – Der wird keine Zehnte geben

Die 9. Sinfonie, die d-Moll-Symphonie, sei vergleichbar mit Da Vincis Mona Lisa, so zumindest hatte sie Claude Debussy 1901 beschrieben. Faszinierend und zugleich geheimnisvoll. Faszinierend wirkte sie auf Robert Schumann, für den sie einen Endpunkt markierte, wo Maß und Ziel der Instrumentalmusik erschöpft seien. Von Erlösung wird später Richard Wagner sprechen, da „auf sie kein Fortschritt mehr möglich“ sei, „denn auf die unmittelbar kann nur das vollendete Kunstwerk der Zukunft, das allgemeine Drama folgen.“ Der Barrikadenstürmer Wagner, der Revolutionär, wurde sodann von den Aufständischen feurig begrüßt, als am 6. Mai 1849 die Alte Dresdner Oper in den Flammen aufging. „Herr Kapellmeister, der ‚Freude schöner Gotterfunken’ hat gezündet, das morsche Gebäude ist in Grund und Boden verbrannt“.

Musik ist höchste Offenbarung jenseits aller Weisheit und Philosophie

Für eine ganze Generation, für Berlioz über Liszt bis hin zu Mahler wird die 9. Symphonie Prototyp für ein die Gattungsgrenzen überschreitendes Kunstwerk bleiben, war sie doch, wie Beethoven generell von der Kraft der Musik überzeugt gewesen war, „höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie“ zusammen.

Die Erlösung wartet noch

Aber geheimnisvoll blieb sie auch, weil sie mit der Aura des Todes seltsam umwoben war, gar eine Offenbarung des nahen Endes bedeuten sollte. Beethoven wird keine „Zehnte“ mehr schreiben, ebenso wenig wie Anton Bruckner. Auch Gustav Mahler hatte Angst vor dem Begriff „Neunte Symphonie“. Und auch er wird seine nicht überleben. Der Mythos der Neunten kulminierte so im Aberglauben, dass kein Symphoniker darüber hinauskommen sollte. Wie sehr Segen und Fluch sich in ihr verbanden, brachte 1912 Arnold Schönberg auf den Punkt: „Die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muss fort. Es sieht aus, als ob uns in der Zehnten etwas gesagt werden könne, wofür wir noch nicht reif sind. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe. Vielleicht wären die Rätsel dieser Welt gelöst, wenn einer von denen, die sie wissen, die Zehnte schrieb.“

Mehr Aktualität Beethovens geht nicht

Spätestens als Europahymne, die die 9. Symphonie seit 1972 ist, steht sie für Beethovens Wunsch nach universaler und globaler Freiheit. Jenseits von Blutrausch, Nationalismus und Chauvinismus, „was der Mode Schwerd getheilt“, bleibt die Vision des Bonner Musikers zu höchst aktuell in einem Europa, das sich „Einheit in Vielfalt“ auf die Fahnen geschrieben hat. Und Beethoven wie Schiller sind auch nach über 200 Jahren die geistigen Vordenker für eine Welt, wo gemeinsame Werte regieren, wo Verschiedenheit der Kulturen kein Frevel, sondern eine Bereicherung ist, und wo es den Gedanken zu verteidigen gilt, dass alle Menschen Brüder werden.