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Notenbankpolitik muss mit der Zeit gehen

Aktuell wird viel über die neue Normalität der Geldpolitik gesprochen. Notenbanken sollen demnach nicht nur die Inflation im Blick haben, sondern auch die Finanzmarktstabilität. Überlegungen solcher Art sind nicht überraschend; denn schließlich muss sich die Rolle einer Notenbank immer aus den Herausforderungen ihrer Zeit ergeben. Klaus Bauknecht erklärt – und mahnt zugleich.

BÖRSE am Sonntag

Aktuell wird viel über die neue Normalität der Geldpolitik gesprochen. Notenbanken sollen demnach nicht nur die Inflation im Blick haben, sondern auch die Finanzmarktstabilität. Überlegungen solcher Art sind nicht überraschend; denn schließlich muss sich die Rolle einer Notenbank immer aus den Herausforderungen ihrer Zeit ergeben.

Von Klaus Bauknecht

Die unabhängigen Notenbanken, die vor allem die Inflation steuern, mit den steigenden Inflationsraten in den 1970er Jahren stark an Bekanntheit und Popularität gewonnen. Die gegenläufige Entwicklung  war in den 1990er Jahren zu beobachten: Deregulierung und Finanzkrise ließen die Forderungen nach einer stärkeren Finanzaufsicht, einer Kontrolle der Notenbanken immer stärker aufkommen.

Mit veränderten Prioritäten ergibt sich allerdings auch ein Wandel bei den Instrumenten, die der Notenbank dauerhaft zur Verfügung stehen sollten. Zwar wird häufig die Notwendigkeit von Aufkaufprogrammen und negativen Zinsen anlässlich einer anhaltend niedrigen Inflation gesehen; doch die EZB steht in der Kritik, diese Instrumente bereits zu lange anzuwenden. Sie seien zwar Teil einer neuen Normalität, angewandt werden sollten sie allerdings nur im Krisenfall.

Solche Überlegungen übersehen jedoch, dass es weniger um das Niveau der Zinsen oder des Aufkaufprogramms geht, sondern darum, was eine geldpolitische Wende für die Wirtschaft bedeuten könnte. Auch das ist Teil einer neuen Normalität: Zinsen können für lange Zeit negativ sein, weil eine Veränderung unberechenbare realwirtschaftliche Risiken mit sich bringen könnte.

Sicherlich schafft die aktuelle Geldpolitik starke Anreize zur Blasenbildung, zu Umverteilungen und Fehlinvestitionen. Doch diese Folgen sind entweder zum Teil gewünscht oder noch nicht sichtbar, während die Überschuldung vieler Euro-Länder und anhaltend niedriges Wachstum weiterhin reale Risiken darstellen. Neben ihrer neuen Funktion als Finanzaufsicht steht die EZB deshalb zunehmend in der Pflicht, die Konjunktur mittel- bis langfristig zu stützen. Sicherlich hat die Sorge, dass eine zu lockere Geldpolitik zu Inflation führt, auch weiterhin Bestand; doch noch scheint Europa hiervon weit entfernt zu sein.

Extrem niedrige Zinsen oder ein Aufkaufprogramm sind deshalb trotz Sorgen über langfristige Konsequenzen zu einem zentralen Bestandteil des Instrumentenkastens der Notenbank und somit Teil ihres neuen Selbstverständnisses geworden. Aus der ehemaligen Geldpolitik im Krisenfall ist Normalität geworden. Denn eine langfristige Perspektive oder Prinzipien sind in einem Umfeld von schwachem Wachstum eher weniger gefragt, sondern aktive Geldpolitik. Schwaches Wachstum und nicht eine mögliche zukünftige Überhitzung gilt es aktuell zu bekämpfen. Gemäß dieser keynesianischen Perspektive handelt die EZB richtig. Die grundsätzliche Frage ist, ob die Notenbank ausreichende Instrumente besitzt, um diese neuen Ziele zu erreichen. Doch dies ist vielleicht nur eine Sorge derjenigen, deren Denken in alten Ideen und Prinzipien gefangen ist. Schließlich hat die Geldpolitik das Monopol der Geldschöpfung.

Dr. Klaus Bauknecht ist Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG.