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Wandschmuck für die Vorstandsetage

Eine kleine Capri-Ansicht hat für Aufsehen gesorgt. Sie stand mit nur 800 Euro im Katalog bei Ketterer, wechselte am Ende aber für 58.000 Euro den Besitzer. Unsicher ist dabei, von wem sie gemalt wurde. Sicher ist, dass eine solche Steigerung derzeit noch nicht das Ende der Fahnenstange auf dem deutschen Kunstmarkt ist.

BÖRSE am Sonntag

Eine kleine Capri-Ansicht hat für Aufsehen gesorgt. Sie stand mit nur 800 Euro im Katalog bei Ketterer, wechselte am Ende aber für 58.000 Euro den Besitzer. Unsicher ist dabei, von wem sie gemalt wurde. Sicher ist, dass eine solche Steigerung derzeit noch nicht das Ende der Fahnenstange auf dem deutschen Kunstmarkt ist.

Adolph v. Menzel brachte im Jahre 1866 eine Zeichnung zu Papier, die er „Stehende Rüstungen (aus der Folge der Rüstkammer-Phantasien)“ nannte. Das Mischtechnik-Blatt – Gouache und Bleistift auf braunem Papier, 45 mal 57,9 cm – brachte nun bei Grisebach in Berlin stolze 3,5 Millionen Euro, inklusive Aufgeld. Der Schätzpreis hatte bei 100.000 bis 150.000 Euro gelegen. Bei derselben Auktion erbrachte der etwa 17 mal 12 Zentimeter kleine Holzschnitt „Die Frau mit dem Spinnennetz zwischen kahlen Bäumen (Melancholie)“ von Caspar David Friedrich 730.000 Euro; das Blatt war zuvor auf 10.000 bis 15.000 Euro taxiert worden. Das sind phantastische Werte, und Besitzer von Kunst aus dem 19. Jahrhundert können sich freuen; noch gibt es jedoch auch preiswertere Alternativen für Ihre Sitzungsräume und Vorstandsbüros. 

„Carl Blechen“ steht auf der Rückseite einer kleinen Capri-Ansicht mit Blick auf den entfernten Vesuv. Ein Beleg für die Echtheit ist dies mitnichten, doch allein das hat offenbar ein großen Zahl von Bietern gereicht, um sich für die reizvoll ausgeleuchtete Ruine auf dem Hochplateau der Insel vor der italienischen Küste kühn zu engagieren. Zahlreiche Telefonbieter trieben in Ketterers Auktion „Alte Meister und Kunst des 19. Jahrhunderts“ den Erlös von geschätzten 800 auf sagenhafte 58.500 Euro (alle Zuschläge inkl. Aufgeld). So stark war die Gewissheit auf Seiten der Bieter, so hoch werden vermeintliche Arbeiten Blechens momentan geschätzt.

Überschwenglich war die Einsatzbereitschaft eines deutschen Sammlers und seines Konkurrenten. Dabei konnte sich das Auktionshaus selber nicht dazu durchringen, Blechen das Bild sicher zuzuschreiben. Nach Auskunft von Robert Ketterer waren selbst die Gutachten von Experten abwägend. Der Fall Blechen macht klar, dass in Zeiten der verschleierten Geldentwertung Begehrlichkeit auf dem Kunstmarkt keine rationalen Grenzen kennt. Auch die kleinen Wolken-, Natur- und Landschaftsstudien des 19. Jahrhunderts hatten es den Sammlern angetan. 8.750 Euro setzte ein Sammler für eine nächtliche, wolkenverhangene Skizze einer fernen Rom-Silhouette ein, deren Taxe nicht einmal ein Zehntel des Erlöses betrug.

Freiraum für Illusionen

9.400 Euro musste der Käufer von Gustav Friedrich Papperitz´ „Landschaftsstudie in der Abenddämmerung“ aus den 1850er-Jahren bieten. Die Taxe hatte bei 1.500 bis 2.500 Euro gelegen. Eine „Wolkenstudie“ vom selben Künstler, nahezu gleich datiert, kostete letztlich sogar 15.000 Euro. Ein englischer Händler setzte sich gegen zahlreich vertretene deutsche Konkurrenz durch. Er hatte sich ein paar Lose zuvor auch schon eine Pflanzenstudie des Dresdner Malers für fast 14.000 Euro gesichert. Die Resultate übersteigen fast alle Preise, die die spätromantischen Landschaften Papperitz´ bislang auf Auktionen erzielt haben. Aber nicht der Maler zieht an, sondern ein ganzes Genre. Ketterers Erlöse untermauern die neue Lust auf skizzenhafte Natur- und Landschaftsstudien, die zwischen Realität und Illusion gedankliche Freiräume öffnet.

Bei den Genre-Gemälden animierte letztlich nur hervorragende Qualität. Das porzellanhaft ausgeführte Gemälde „Blindekuhspiel“ von Johann Georg Meyer von Bremen etwa ging für 39.000 Euro in eine österreichische Sammlung. Bei Carl Spitzwegs Gemälde „In Erwartung der Zeitung“ setzte sich mit 91.500 Euro ein Schweizer gegen zwei deutsche Bieter durch. Stark beboten wurde Joseph Wopfners „Verschiffung der Heuernte“ von 1908. Seine stimmungsvolle Chiemseeansicht kletterte von 4.000 auf 25.000 Euro. „Was Qualität und Attraktivität besitzt, wird sich preislich weiterhin nach oben entwickeln.“, meint Robert Ketterer.

So wird es hoffentlich auch mit den Geschäften sein, die dort verhandelt werden, wo derartige Kunst, dezent auf Seidentapete plaziert, sehr passend den Raum verschönert. Zum Beispiel in Ihrem Vorstandsbüro. Nicht vergessen sei zu guter Letzt Max Beckmanns „Stürmische Nordsee, das letzte Bild, das er vor seiner Emigration malte – ein düsteres Szenario, eine dürtstere Prophezeiung. In der Villa Grisebach in Charlottenburg blieb das Werk mit 1,15 Millionen Euro zwar knapp unter dem Schätzpreis, aber auch dies ist respektabel. Und es ist dem ernsten, sehr ernsten Hintergrund würdig, vor dem dieses Werk antstand.