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Ausblick 2012

Die Unsicherheit hat die weltweiten Finanzmärkte fest im Griff. Die Eurozone droht auseinanderzubrechen, jenseits des Atlantiks türmen sich ebenfalls bedrohliche Schuldenberge auf und die Aussichten der großen Schwellenländer haben sich eingetrübt. So viel Angst und Pessimismus eröffnen Chancen.

BÖRSE am Sonntag

Das laufende Jahr hat Anlegern viel abverlangt. Die ersten Monate standen zumindest hierzulande noch im Zeichen eines nicht für möglich gehaltenen Aufschwungs. Deutschland war wieder Wachstumslokomotive. Die Zuwachsraten erreichten mit 3,7% (2010) und 2,9% im laufenden Jahr ein Niveau, das uns nicht mehr zugetraut worden war. Parallel dazu sank die Arbeitslosigkeit bis Ende November auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren und der DAX konnte seine Gewinne aus den beiden Vorjahren im ersten Halbjahr um weitere 6% ausbauen. Unser Land: eine Insel der Glückseligen.

Der Absturz

Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Das Krebsgeschwür der Überschuldung, das sein hässliches Gesicht als Erstes in Griechenland zeigte, hatte sich in den Eingeweiden der westlichen Staaten ausgebreitet und war ob der Untätigkeit der Politik, aber auch dank der Trägheit unserer Strukturen, zu einem lebensbedrohlichen Tumor herangewachsen. Das gesamte Finanzsystem ist nun wieder in Gefahr. Eine Operationsmethode, die eine rasche Heilung verspricht, ist nicht in Sicht, stattdessen werden die Symptome bekämpft. Ein Krisengipfel jagt den nächsten und nicht nur die Anleger verlieren langsam das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Entscheidungsträger in der Politik und den Institutionen.

Wohin mit dem Geld?

In der Folge verliert der DAX in nicht einmal drei Monaten 31% – davon allein im August rund 20%. Noch schlimmer sieht es auf einem viel größeren Markt aus: Staatsanleihen der Euro-Peripheriestaaten werden als potenziell toxisch eingestuft und verlieren teilweise zweistellig an Wert. Bis zu diesem Zeitpunkt galten solche Investments als risikolos. Im Gegensatz zu den Turbulenzen am Aktienmarkt erschüttert dies das Bankensystem erneut in seinen Grundfesten. Es beginnt ein Run auf als sicher geltende Assets, insbesondere amerikanische und deutsche Staatsanleihen. Das treibt die Rendite der sicheren Häfen in den Keller. Weil deren Renditen in der Folge unter der Inflationsrate rangieren, verlieren Investoren auch hier Geld. Was also tun?

Suche nach Rendite dominiert

„Angesichts einer negativen Realverzinsung von Staatsanleihen vieler Industrieländer sind solche Anlagen zurzeit äußerst unattraktiv und sollten 2012 gemieden werden. Deutlich attraktiver sehen im Moment Unternehmensanleihen und auch Aktien von gesunden Unternehmen aus, die mit einer attraktiveren Rendite bzw. Dividende aufwarten können und eine deutlich breitere Risikostreuung ermöglichen, als dies bei Staatsanleihen möglich ist“, so Stefan Angele, Leiter Investment Managements Swiss & Global Asset Management. Mit dieser Empfehlung steht Angele keineswegs allein: „Wir setzen auch für 2012 auf Aktien und hier wiederum auf Dividendentitel. Eine kluge Anlage in Dividendentitel kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, mit dem eigenen Portfolio auch bei moderatem Risiko eine angemessene Rendite zu erzielen“, so Andrej Brodnik, Leiter des Retail-Geschäfts von BlackRock Deutschland, Österreich und Osteuropa. Eine Einschätzung, die auch Mark Burgess, Chief Investment Officer, Threadneedle, teilt: „Angesichts des schwachen Wachstums und der straffen Fiskalpolitik werden in vielen Märkten die Zinsen mittelfristig auf historisch niedrigem Niveau verharren.  Da Staatsanleihen wenig Wert bieten, wird 2012 und in den kommenden Jahren die Suche nach Rendite das dominierende Thema sein.“

Chancen am Aktienmarkt

Wer weiterhin auf Anleihen setzen möchte, dem legt Burgess die Schwellenländer ans Herz: „High-Yield-Anleihen und Emerging-Markets-Anleihen bieten größere Transparenz und ein besseres Chance-Risiko-Profil als klassische Staatsanleihen und sollten daher weiterhin gut unterstützt sein.“ Interessante Chancen eröffnen sich mutigen Anlegern in den kommenden Monaten aber auch auf dem Aktienmarkt. So sind zahlreiche Blue Chips im Zuge der Turbulenzen in Sippenhaft genommen worden, obwohl sie hervorragend aufgestellt sind: „Viele dieser Qualitätsunternehmen sind günstig bewertet und bieten großes Outperformance-Potenzial. Zu den starken Unternehmen und Märkten gehören beispielsweise Nestlé – das Unternehmen kombiniert eine außergewöhnlich starke Bilanz mit hoch rentablen und marktführenden Produkten in einem relativ defensiven Sektor – und Booker – der britische Cash-and-Carry-Anbieter zeigt, dass ein gut geführtes Unternehmen sogar in einem der umkämpftesten britischen Marktsektoren prosperieren kann“, so Burgess weiter. Weil die Perlen nicht so einfach zu finden sind, rät Brodnik dazu, auf entsprechende Fonds zu setzen: „Da die Auswahl geeigneter Titel für den privaten Anleger oft schwierig ist, sind qualitativ hochwertige Dividendenfonds die geeignete Verpackung.“ Meiden sollten Anleger hingegen bis auf Weiteres Finanzwerte und Versorger.

Rohstoffe gehören dazu

Es könnte jedoch auch ganz anders kommen. Nämlich dann, wenn es nicht in Richtung Inflation geht, sondern wir in eine Phase der Deflation eintreten: „Gegenwärtig schwanken die wirtschaftlichen Perspektiven zwischen Deflation und Inflation. In einem Deflationsszenario müsste man sich auf Nominalwerte, also Cash plus Anleihen, der letzten solventen Schuldner stürzen, die allerdings immer schwieriger zu finden sind. Den zweiten Fall würde man mit Realwerten wie Gold, Immobilien, Substanzaktien sowie inflationsgeschützten Anleihen am ehesten unbeschadet überstehen“, so Alex Durrer, Chefökonom der LGT Group. Anleger sollten ihr Vermögen daher möglichst breit streuen und da trifft es sich gut, dass die Aussichten im Rohstoffbereich durchaus gut sind: „Ein Investment in Rohstoffe hat einen hohen Diversifikationseffekt und kann damit die Stabilität eines Gesamtportfolios deutlich erhöhen. Durch einen aktiven Management-Ansatz lassen sich strukturelle Knappheiten einzelner Rohstoffe oder Ineffizienzen in den Terminkurven gezielt in Rendite ummünzen. Rohstoffaktien hingegen sind im Augenblick besonders interessant, weil viele von ihnen stark unterbewertet sind. Die Kurse vieler Unternehmen reflektieren kaum deren starkes Ertragsniveau“, so Ralf Müller-Rehbehn, Portfoliomanager des VCH Expert Natural Resources. Neben den Klassikern Öl und Gold gelten Soft Commodities als besonders aussichtsreich: „Im Rohstoffbereich erachten wir zurzeit insbesondere Energieträger wie Rohöl als attraktiv, längerfristig dürften Gold und Agrarrohstoffe aus strukturellen Gründen eine interessante Investitionsmöglichkeit darstellen“, so Angele.

Nicht nur BRIC

Bei den Schwellenländern vollzieht sich langsam eine Wachablösung. Zwar dürfte sich der Aufstieg der großen Staaten fortsetzen, die zweistelligen Wachstumsraten der jüngeren Vergangenheit dürften jedoch auch in China, Brasilien und Indien der Vergangenheit angehören. Daher gilt es, den Blick nunmehr auf die zweite Reihe zu richten: „Die Emerging Markets bestehen ja aus weit mehr als nur den vier BRIC-Staaten. Noch mehr als in Afrika sehen wir die dynamischsten Volkswirtschaften derzeit in Asien und in Lateinamerika. Diese Regionen profitieren von steigenden Einkommen, wachsenden Mittelschichten, einer bereits besser entwickelten Infrastruktur sowie von einer relativen politischen Stabilität. Das dürfte sich auch im kommenden Jahr kaum ändern“, so Brodnik.

Bleiben Sie flexibel

Wie es auch weitergeht, Flexibilität bleibt gefragt. Das hat zur Folge, dass neben der Diversifikation – und hierzu zählt eben auch die Barkomponente – die Liquidität der Assets eine überragende Rolle spielt: „Angesichts der immer noch hohen ökonomischen und politischen Unsicherheiten kommt 2012 sowohl der Diversifikation (Vermeidung von Gegenpartei- und Klumpenrisiken) als auch der Handelbarkeit (Vermeidung möglicher Illiquidität von Anlagevehikeln) eine besondere Bedeutung zu, was ganz klar für täglich handelbare und sauber regulierte Publikumsfonds spricht“, so Angele. Das spiegelt sich auch bei den derzeit so beliebten deutschen Immobilien wider. Große Investoren setzen nur auf Core-Objekte, also voll vermietete Spitzenobjekte in den Top-Lagen. An diesen Grundsätzen sollten sich auch Kleinanleger orientieren.