Der Computer empfiehlt
Mit gewaltigen Datenströmen in Echtzeit gefüttert, berechnen Computer rund um die Uhr für zahllose Produkte Verkaufs- oder Kaufempfehlungen. Weil Emotionen dabei außen vor bleiben, sind die Maschinen dem Menschen scheinbar überlegen. Doch gerade wenn es darauf ankommt, versagen viele Systeme. Was also taugen die sogenannten quantitativen Fonds?
Exakte Zahlen liegen zwar nicht vor, aber nach Schätzungen der englischen „Financial Times“ wurden bis zum Sommer 2008 weltweit fast 1.000 Mrd. US-Dollar in quantitativen Fonds verwaltet. Rund 10% bis 15% dieser Vehikel werden von Computern gesteuert. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Entscheidung über den Kauf und Verkauf einzelner Positionen ohne Zutun eines Menschen von der Maschine getroffen wird. Quant ist also nicht gleich Quant. Während bei der überwiegenden Mehrzahl der Fonds der Fondsmanager auf Basis der Ergebnisse des Computermodells auswählt, entscheidet bei einigen Produkten nur noch die Maschine.
Aufstieg der Quants
Richtig populär wurden quantitative Anlagestrategien in den 90er-Jahren. Parallel zur Weiterentwicklung der Finanzmathematik erlaubten es die Fortschritte der Computerindustrie, erstmals Arbeitsplätze in großer Zahl mit der dafür erforderlichen Rechenkapazität auszustatten. Bei der Umsetzung der abstrakten Formeln in immer komplexere Handelssysteme stießen die Banker jedoch rasch an ihre Grenzen und begannen deshalb, Physiker und Mathematiker anzuheuern.
Physiker im Maschinenraum
Vor allem Hedgefonds stellten hochdekorierte Akademiker ein und einigen gelang es tatsächlich, mit ihren Computersystemen gigantische Gewinne zu erwirtschaften. Mit der Pleite des berühmten Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) schwand jedoch auch die Begeisterung für den Computerhandel. Der von zwei Nobelpreisträgern gegründete Fonds sollte die auf Basis komplexer Rechenmodelle ermittelte Fehlbewertung von Wertpapieren ausnutzen. Um mit kleinsten Preisdifferenzen große Gewinne zu machen, hebelte LTCM seinen Kapitaleinsatz mithilfe von Derivaten und Krediten um ein Vielfaches. Die sagenhafte Gelddruckmaschine fand mit der Russland-Krise 1998 ein jähes Ende: Weil die Kurse viel stärker schwankten als in den Modellen berücksichtigt, liefen bei LTCM innerhalb weniger Tage Milliardenverluste auf. Der Großteil dieser Verluste war aufgrund des hohen Hebels nicht durch Eigenkapital gedeckt und drohte deshalb, auch das globale Finanzsystem ins Wanken zu bringen. Nur das beherzte Eingreifen der Fed verhinderte damals eine Kettenreaktion.
Kein Platz für Emotionen
Nach einer Phase der Beruhigung entdeckten institutionelle Anleger die quantitativen Systeme (Quant-Fonds) erneut für sich und steckten Milliarden von Dollar in Fonds mit computergesteuerten Handelssystemen. Viele dieser Modelle basieren auf sogenannten Momentumstrategien. Bei dieser Systematik verhält sich der Anleger wie ein Trittbrettfahrer. Getreu der alten Börsenregel „the trend is your friend“ werden regelmäßig die Aktien gekauft, die schon in der Vergangenheit am stärksten gestiegen sind. Die Modelle berechnen aufgrund von historischen Daten – u. a. Kursbewegungen oder der Gewinnentwicklung – Wahrscheinlichkeiten für die zukünftige Richtung der Kurse. Dem liegt die Theorie eines vollkommen effizienten Kapitalmarkts zugrunde: Demnach gilt, dass alle zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegenden Informationen wie zum Beispiel Nachrichten, Stimmungen und Meinungen bereits im Kurs eingepreist sind und sich Anleger vollkommen rational verhalten. Anders ausgedrückt: Wenn man wissen will, wie sich eine Aktie entwickelt, muss man nur auf die Kursentwicklung der Vergangenheit blicken.
Trüffelschweine der Finanzmärkte
Quant-Fonds berechnen mithilfe von Computermodellen Anlageentscheidungen für Millionen von Anlageprodukten und filtern daraus die aussichtsreichsten Werte heraus. Eine Datenmenge, die Menschen nicht bewältigen könnten. Neben Trendfolgemodellen spielen bei vielen Fonds auch Value-Gesichtspunkte eine große Rolle. Gerade das macht die Produkte bei vielen Anlegern populär. Schließlich lassen sich fundamentale Bewertungskennzahlen wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder die Dividendenrendite sehr leicht berechnen und vergleichen. Auf Basis einer solch rationalen Entscheidungsgrundlage können dann die aussichtsreichsten Titel gekauft und die vermeintlich überbewerteten verkauft werden. Diese Strategien funktionieren so lange hervorragend, wie die genutzten Korrelationen, die auf Basis historischer Daten ermittelt wurden, sich auch im dadurch vorgegebenen Rahmen bewegen. Kurzum: Die Systeme sind durch ihre DNA, sprich die Daten aus der Vergangenheit, limitiert. Zusammenhänge oder Volatilitäten, die dort nicht bestanden haben, können von den Systemen zukünftig auch nicht berücksichtigt werden.
Gegen jede Regel
Genau das wurde vielen von ihnen in der zurückliegenden Finanzkrise zum Verhängnis und hatte zur Folge, dass die Fonds teilweise gigantische Verluste erlitten. Denn auch die von den Fonds berechneten Hedging-Strategien gingen plötzlich nicht mehr auf, ja diese liefen sogar gegen sie. Daraufhin gerieten die Investoren in Panik, zogen Kapital aus den Fonds ab und verstärkten so die Dynamik: Immer mehr Positionen mussten aufgelöst werden, um die Anleger zu bedienen. Das brachte immer mehr Fonds immer stärker unter Druck. In diesem Zusammenhang wird häufig auf ein Flagschiffprodukt von Goldman Sachs verwiesen. Der Global-Equity-Opportunity-Fonds (GEO) verwaltete vor dem Ausbruch der Finanzkrise rund 7 Mrd. US-Dollar. Nach einem Rekordverlust im August 2007 begannen die Anleger, ihr Kapital abzuziehen. Trotz einer Milliardenspritze des Mutterhauses musste der Fonds Anfang 2010 geschlossen werden. Das Vermögen war auf nur mehr 200 Mio. US-Dollar zusammengeschrumpft.
Umfeld entscheidet
Auch im ersten Halbjahr des laufenden Jahres konnten viele Trendfolge- beziehungsweise Momentummodelle die Erwartungen nicht erfüllen: Der GAM Star Keynes Quantitative Strategies Fund (WKN: A1CU34), der neben Trends auch Makrodaten und Stimmungen berücksichtigt, verlor beispielsweise auf Jahressicht 3,8%. Der auf deutsche Aktien ausgerichtete Allianz RCM Thesaurus AT EUR (WKN: 847501) Momentum-Fonds musste sogar einen Abschlag von fast 10% hinnehmen. Allerdings ist diese Performance angesichts der Auswahlkriterien der Produkte keine Überraschung: Quantitativ gemanagte Fonds schneiden meist in value-orientierten Phasen gut ab, während sie in einem Growth-Umfeld häufig Probleme bekommen.
Die Top-Quants
Zu den erfolgreichsten Quant-Fonds in Deutschland zählen mit einer Performance von jeweils über 50% in den letzten drei Jahren der AXA Rosenberg Pacific ex Japan (WKN: 692192) und der First Private Aktien Global A (WKN: A0KFRT). Eine gute Figur macht bislang auch der relativ junge Swiss Alpha-Strategy Europe (WKN: A0YCL9). Zwar ist das Produkt noch keine drei Jahre am Markt, aber mit über 6% Wertzuwachs in den letzten zwölf Monaten konnte die marktneutrale Strategie bislang überzeugen.
Fazit
Unter dem Strich waren in den letzten fünf Jahren herkömmliche Fonds quantitativ gemanagten Produkten überlegen. Zu diesem Ergebnis kommt die Großbank JPMorgan in einer aktuellen Analyse. Allerdings weisen die Spezialisten darauf hin, dass quantitative Produkte eine bessere Absicherung nach unten, sprich geringere maximale Verluste, sowie eine niedrigere Schwankungsbreite bieten. Die Fonds eignen sich daher zur Portfoliodiversifikation für Anleger mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont.