Devisenhandel - kein Markt wie jeder andere
Auf dem Devisenmarkt ist die Finanz- und Wirtschaftskrise längst vergessen. Die Handelsvolumina überstiegen zuletzt sogar die Rekordwerte aus der Zeit vor der Lehman-Pleite. Mit von der Partie sind auch immer mehr Privatanleger. Dabei gibt es gerade im Forex-Handel einiges zu beachten.
Der Handel mit Devisen, der im Börsenjargon als FX (Foreign Exchange) oder Forex-Handel bezeichnet wird, ist der mit Abstand größte Finanzmarkt der Welt. Und just in diesem Segment steigt der Risikoappetit der Investoren. Ein Grund dafür ist die Rückkehr der sogenannten Carry Trades. Wer zum Beispiel zu Jahresbeginn Kredite in US-Dollar aufnahm und dafür mexikanische Pesos einkaufte, kann sich bereits über einen Gewinn von 6,5% freuen.
Groß, größer, Devisenhandel
Das Muster hinter den Carry Trades ist einfach: Investoren nehmen Geld in Niedrigzinsländern auf und stecken es in höher rentierliche Währungen. Diese Strategie funktioniert naturgemäß besonders gut, wenn die Zinsdifferenzen hoch sind und das Umfeld stabil. „Da die Zentralbanken enorm viel Liquidität ins System pumpen, springen die Carry Trades überall an“, so Jose Wynne, Leiter Devisenanalyse Nordamerika bei Barclays, gegenüber Bloomberg. Eine weitere Voraussetzung ist ebenfalls gegeben: „Der Markt insgesamt ist weniger nervös“, so Wynne. Nach Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) stieg das Handelsvolumen im September 2011 auf ein Rekordvolumen von 5 Bio. US-Dollar pro Tag. Zum Vergleich: Vor Ausbruch der Finanzkrise im April 2007 waren es laut BIZ erst 3,2 Bio. US-Dollar. Dass zwischen den Schockereignissen und dem Devisenhandel ein enger Zusammenhang besteht, steht für Experten außer Frage: „Wenn es eine große Nachrichtenlage gibt, wie es mit der Griechenland-Krise der Fall war, dann sind die Anreize für Investoren größer, die Position zu verändern“, äußerte sich beispielsweise Paul Robinson, Währungsanalyst bei Barclays Capital, in einem Interview. Die Beruhigung in der Euro-Krise in den ersten Monaten des laufenden Jahres führte dementsprechend auch zu einem Rückgang der Handelsvolumina.
Handel ohne Börse
Mit Währungsanlagen Geld zu verdienen funktioniert jedoch anders als mit Aktien oder Staatsanleihen. Im Gegensatz zu Letzteren setzt man immer auf einen Wechselkurs und damit im Grunde auf die Entwicklung von zwei Währungen. Das bedeutet nichts anderes, als dass es sich um eine relative Betrachtung handelt. Der Schweizer Franken könnte beispielsweise gegenüber dem Euro steigen und gegenüber dem US-Dollar unverändert bleiben. Die Einflussfaktoren auf die einzelnen Wechselkurspaare sind dabei vielfältig: Neben den Unterschieden im Zinsgefüge beeinflussen Inflationsraten, Kapitalströme, Konjunkturdaten, Eingriffe der Notenbanken oder politische Ereignisse die Devisenkurse.
Um zu verstehen, wie der Markt funktioniert, sollten sich die Anleger vor Augen führen, dass der Devisenhandel im Grunde ein Interbankenmarkt ist. Das bedeutet, dass der weitaus größte Teil des Devisenhandels direkt zwischen den Marktteilnehmern stattfindet und nicht über eine Börse läuft. So wirbt beispielsweise Alpari – nach eigenen Angaben weltweit führenden Anbieter im Online-Forex-Handel – damit, dass Trader über die hauseigene MetaTrader-4-Plattform direkten Zugriff auf die Preise des Interbankenhandels erhalten.
Immer mehr Privatanleger setzen auf Devisen
Die enorme Reaktionsgeschwindigkeit ist neben der Liquidität ein weiteres Kennzeichen des Devisenhandels. Auf diesem Markt wird rund um die Uhr gehandelt und Informationen in Sekundenbruchteilen in die Wechselkurse eingepreist. Die Anforderungen an die Marktteilnehmer sind daher enorm. Sie müssen sowohl volkswirtschaftliche Daten und Kennziffern als auch politische Entwicklungen im Blick haben. Weil dem computergesteuerten Handel in diesem Bereich eine hohe Bedeutung zukommt, sind auch charttechnische Kenntnisse von Vorteil. Ein striktes Money Management – u. a. über Stop-Loss-Orders – gehört bei stark gehebelten Positionen zum kleinen Einmaleins. Im Day-Trading-Bereich werden neben Optionsscheinen und Hebelzertifikaten mittlerweile vor allem Contracts for Difference (CFDs) eingesetzt. Mit vollelektronischen Konto- und Handelssystemen, die über das Internet einfach und bequem eröffnet werden, haben spezielle FX-Broker den Devisenhandel für die Masse der Privatanleger erst in den letzten Jahren zugänglich gemacht. Eine stetig wachsende Zahl solcher Anbieter – wie beispielsweise ACM Advanced Currency Markets, Alpari, eToro, FXdirekt oder die Saxo Bank – bewegt für ihre Kunden rund um den Globus pro Tag mittlerweile ein Volumen zwischen 125 und 150 Mrd. US-Dollar. Nach Angaben von Marktteilnehmern sind Privatanleger und semi-professionelle Händler für 8% bis 10% des weltweiten Devisenhandels verantwortlich. Mit steigender Tendenz: Zum Ende des ersten Quartals 2012 handelten weltweit 41% mehr Kunden als noch ein Jahr zuvor über die Handelsplattformen des Anbieters FXCM.
Hohe Hebel riskant
Nicht wenige Anleger sind jedoch trotz der professionellen Tools und Werkzeuge im Umgang mit den hoch gehebelten Produkten überfordert und fahren Verluste ein. Denn der gewöhnliche Hebel beim Trading über die oben genannten FX-Broker beträgt 100:1 – und einige Broker erlauben sogar ein Vielfaches davon. Werden beispielsweise 2.000 Euro auf das Währungspaar EUR/USD gesetzt, können tatsächlich Devisen im Wert von 200.000 Euro gehandelt werden. Steigt nun der Kurs des Euro gegenüber dem US-Dollar um 1%, erzielt der Anleger einen Gewinn von 2.000 Euro – und damit bezogen auf das eingesetzte Kapital einen Gewinn von 100%. Fällt jedoch der Euro gegenüber dem US-Dollar um 1%, verliert der Anleger 2.000 Euro und mithin seinen gesamten Einsatz. In den amerikanischen Medien wurden daher jüngst Stimmen laut, die die Verluste vieler Kleinanleger anprangerten und die aggressive Werbung einiger Online-Devisenhändler kritisierten.
Weniger Nervenkitzel, langfristig profitabel
Trotz der hohen Anforderungen bietet die Spekulation mit Devisen aber auch anderen Zielgruppen Chancen: Kleinanleger können das Gesamtrisiko ihres Portfolios durch ein Währungsengagement senken. Denn die Korrelation mit den Aktienmärkten ist selbst in Krisenzeiten gleich null beziehungsweise sogar negativ. Das hat zur Folge, dass Währungsanlagen einen echten Risikoausgleich zu Aktienanlagen bieten und im Gegensatz zu Gold auch noch Zinsen abwerfen. Dazu kommt, dass (ungehebelte) Währungspaare in der Regel deutlich schwankungsärmer sind als beispielsweise Aktien. Die Risiken sind also grundsätzlich geringer. Zinszertifikate (z. B. WKN: ABN401 oder AA01E9), Fremdwährungsanleihen (Local-Currency-Bonds), spezielle Zertifikate, die beliebte Strategien wie etwa Carry Trades (z. B. WKN: UB0G10) nachbilden, oder Devisenfonds (z. B. WKN: A0CATK) sind daher für diese Gruppe einen Blick wert und sollten nicht mit den oben genannten Instrumenten in einen Topf geworfen werden. So bescherte etwa das Carry Total Return I Index Papier der UBS seinen Inhabern in den letzten drei Jahren eine Performance von ca. 25%.
Fazit
Der weltweite Devisenhandel wächst und Privatanleger mischen kräftig mit. Gerade unter Diversifikationsgesichtspunkten können Währungen im Depot einen wertvollen Beitrag leisten. Nicht jede Art der Währungsspekulation ist jedoch für das Gros der Anleger geeignet. Dreistellige Hebel mögen für Day-Trader und andere Semi-Professionelle interessant sein, für den Vermögensaufbau sind diese Angebote jedoch ungeeignet. Das bedeutet indes nicht, dass Privatanleger den Devisenmarkt gänzlich außen vor lassen sollten. Zinszertifikate und Devisenfonds bieten eine interessante Alternative zu deutschen Staatsanleihen. Der Barclays-Analyst Wynne geht beispielsweise davon aus, dass die Landeswährungen von Neuseeland, Mexiko, Brasilien, Indonesien und Südafrika in diesem Jahr eine Rally gegenüber US-Dollar, Euro, Pfund und Yen erleben werden.