Die Auswirkungen der Zinserhöhung
Die EZB hat den Leitzins auf 1,5% erhöht. Als Grund für die Entscheidung nennt sie die zunehmende Inflation. An den Märkten war der Schritt erwartet worden. Es dürfte nicht die letzte Erhöhung im laufenden Jahr gewesen sein. Was steigende Zinsen für Anleger und das Finanzsystem bedeuten, erfahren Sie hier.
Am Donnerstag vor einer Woche beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) eine Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5%. Zwar war der Schritt erwartet worden, doch ist er angesichts der aktuellen Entwicklung an den Finanzmärkten nicht ohne Risiko. Seit Wochen folgt schließlich in Sachen Staatsverschuldung der südeuropäischen Euro-Länder eine Hiobsbotschaft auf die nächste. Gerade die ohnehin taumelnden Staaten Griechenland, Portugal, Irland und Italien kommt diese Maßnahme teuer zu stehen.
Die Inflation ist da
Der Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, hatte die Anhebung seit Wochen in offiziellen Erklärungen angedeutet. Zur Begründung verweisen die Währungshüter auf die hohe Inflationsrate in der Eurozone. Nach Berechnungen der europäischen Statistikbehörde Eurostat lag die jährliche Inflationsrate im Juni wie auch im Mai bei 2,7% und damit deutlich über dem angestrebten Wert von knapp unter 2%. Zum Vergleich: Im Juni 2010 lag der Wert noch bei moderaten 1,4%. Damit werden die Folgen der Politik des billigen Geldes langsam sichtbar: „Die Inflationsrisiken haben durch die steigende Kapazitätsauslastung und die anziehenden Rohstoffpreise zugenommen“, so die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem Jahresbericht. Das Institut warnte vor einer Fortsetzung der Niedrigzinspolitik in den Industrieländern, da diese gleichzeitig auch die Gefahr von Übertreibungen in den Schwellenländern erhöht. „Die Zinsen in Europa, Japan und den USA sind weiterhin niedrig und werden es auch noch eine Weile bleiben. Das billige Geld wird weiterhin in die Schwellenländer fließen. Ein guter Nährboden für expandierende Spekulationsblasen“, so Oliver Roth, Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank. Mit Blick auf die Ungleichgewichte im internationalen Finanzsystem war die Leitzinserhöhung also ein Schritt in die die richtige Richtung, aber letztendlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Immobilienkäufer aufgepasst!
Wer sein Geld in Immobilien investiert, muss mittelfristig mit steigenden Kreditzinsen rechnen. Kurzfristig hat sich die Leitzinserhöhung jedoch noch nicht negativ ausgewirkt. Im Gegenteil: Wie aus Analysen der FMH Finanzberatung hervorgeht, sind die Hypothekenzinsen der Banken nach dem Zinsentscheid im Mittel sogar noch einmal leicht zurückgekommen. Anfang Juli lag der Durchschnittswert noch bei 3,99%, zur Mitte des Monats liegt er nunmehr nur noch bei 3,9%. Wie tief das aktuelle Niveau wirklich ist, zeigt ein Blick auf den langjährigen Durchschnitt für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung: Dieser liegt bei knapp über 6%.
Das bringt Tagesgeld wirklich
Auch für Anleger, die ihr Geld auf Tagesgeldkonten oder in deutsche Staatsanleihen stecken, ändert sich zunächst nicht viel. Die Bank of Scotland erhöht ihren Zinssatz für Tagesgeld ab dem 15. Juli um 0,1 Prozentpunkte auf 2,5% pro Jahr. Die Volkswagen Bank direct, einige andere Direktbanken sowie die Commerzbank waren bereits vorgeprescht und hatten ihre Verzinsung schon im Vorfeld leicht angehoben. Doch die Mehrzahl der Sparer hat ihr Geld bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu deutlich niedrigeren Zinsen – meist unter 2% – angelegt. In diesen Fällen hat der Anstieg der Inflation mittlerweile zu einer deutlich sinkenden realen Verzinsung geführt: „Die Kritik, dass die realen kurzfristigen Zinsen im Vorjahr weltweit von –0,6% auf –1,3% sogar noch angestiegen sind, ist berechtigt“, so Roth weiter. Zu sogenannten negativen Realzinsen kommt es, wenn das aktuelle Zinsniveau unter der Inflationsrate liegt. In diesem Fall können die Zinsen den Kaufkraftverlust nicht kompensieren, sodass den Anlegern tatsächlich ein Verlust entsteht.
Anleihen in der Bonitätsfalle
Etwas mehr Rendite als Tagesgeld und Sparbuch bringen traditionell Staatsanleihen. Aktuell liegt die Rendite einer Bundesanleihe mit zehnjähriger Laufzeit bei 2,7%. Die Auswirkungen steigender Zinsen sind bei Renten jedoch differenziert zu betrachten. Theoretisch führen steigende Leitzinsen auch zu anziehenden Renditen bei den Staatsanleihen. Die fortgesetzte Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit der südeuropäischen Krisenländer führt jedoch regelmäßig zu einer Flucht in die als sicher geltenden Papiere Deutschlands. Eine steigende Nachfrage sorgt nun regelmäßig für sinkende Renditen bei diesen auch als risikolos bezeichneten Anlagen. Diese Effekte konterkarieren derzeit die Auswirkungen der Leitzinserhöhungen. So ist die Rendite der Bundesanleihen seit Mitte Mai trotz zweier zwischenzeitlicher Zinsschritte der EZB von rund 3% auf 2,7% gefallen. Ohne diesen Effekt kommt es bei Anleihen im Zuge von Zinserhöhungen stets zu Kursverlusten. Dieser Anpassungsprozess sorgt dafür, dass die Rendite bereits am Markt befindlicher Papiere auf das neue Niveau ansteigt. Anleger, die ihre Bonds vor Endfälligkeit verkaufen, müssten daher Verluste in Kauf nehmen.
Belastung für Schuldenstaaten
Das Risiko eines festverzinslichen Wertpapiers drückt sich in der Regel im Rating des begebenden Unternehmens oder Landes aus. Als Referenz für die Renditeaufschläge, die bei einem höheren Risiko geboten werden müssen, dienen die oben genannten risikolosen Staatsanleihen. Je schlechter nun die Bonität eines Schuldners ist, desto höher sind auch die Renditeaufschläge (Spreads). Die Zinserhöhung führt daher im Falle Griechenlands, Portugals & Co. zu einer weiteren Belastung der Staatshaushalte, da die Erhöhungen dort 1:1 ankommen. Bei einer Schuldenlast von 300 Mrd. Euro wie im Falle Griechenlands hat allein der Anstieg um 0,25 Prozentpunkte eine jährliche Mehrbelastung in Höhe von 750 Mio. Euro zur Folge. Gleichzeitig wirken höhere Leitzinsen dämpfend auf die Konjunktur.
EZB – Europa zahlt bestimmt
Denn der Leitzins ist der Mindestsatz, den die Geschäftsbanken für Kredite der EZB zahlen müssen. Die Kosten einer Erhöhung geben die Institute natürlich an ihre Kunden weiter, also an Unternehmen, Kommunen und Verbraucher. Höhere Kreditzinsen führen in der Folge zu einer sinkenden Kreditnachfrage und letztlich zu einem Rückgang der im Umlauf befindlichen Geldmenge. Weniger Investitionen und ein sinkender Konsum drosseln jedoch automatisch das Wachstum und führen letztlich zu sinkenden Steuereinnahmen. Für die PIIGs-Staaten kommen die steigenden Zinsen also zur Unzeit. Betrachtet man das langfristige Zinsniveau, relativiert sich das Bild jedoch teilweise wieder. Mit 1,5% bewegen wir uns noch immer auf historisch niedrigem Niveau. Die höhere Verzinsung im Falle der Krisenstaaten ist also vor allem den Risikoaufschlägen geschuldet. Letztere erhielten zudem ein wichtiges Zugeständnis: Die EZB wird nämlich trotz der deutlichen Bonitätsherabstufung weiterhin portugiesische Staatsanleihen als Sicherheit für Kredite akzeptieren. Dieses Vorgehen wird bereits seit Längerem in den Fällen Griechenlands und Irlands praktiziert. Ein möglicher Ausfall eines dieser Länder trifft daher nicht mehr nur die privaten Kreditinstitute, sondern alle europäischen Steuerzahler.
Fazit
Andererseits gilt: Solange sich die Krise auf die kleinen Randstaaten beschränkt, sind die Kosten für den Einzelnen und das System zu verkraften – ein weiterer Finanz-Tsunami hätte dagegen katastrophale Folgen. Demgegenüber haben die derzeitigen Mini-Zinsschritte für Anleger in Deutschland kaum spürbare Auswirkungen. Bezogen auf das gesamte Finanzsystem führen sie jedoch zu einem Abbau der Ungleichgewichte und stellen einen von vielen notwendigen Schritten dar.