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ETFs am Scheideweg

Börsengehandelte Indexfonds boomen und gelten als die Finanzinnovation des letzten Jahrzehnts schlechthin. Das rasante Wachstum, zahlreiche neue Varianten und fehlende Standards machen das Segment jedoch anfällig für Fehlentwicklungen. Jetzt schlagen die Aufsichtsbehörden Alarm. Worauf Anleger achten sollten, erfahren Sie hier. 

BÖRSE am Sonntag

Anfang 2010 durchbrach die ETF-Industrie erstmals die Schallmauer von 1 Bio. US-Dollar: Das weltweit in solchen Produkten verwaltete Vermögen betrug zu diesem Zeitpunkt 1,032 Bio. US-Dollar und damit 45% mehr als noch Anfang 2009. Und noch immer ist ein Ende des Booms nicht in Sicht: Ende Februar des laufenden Jahres betrug das ETF-Volumen bereits 1,367 Bio. US-Dollar. Dabei hat das Produkt ETF eigentlich wenig Besonderes zu bieten.

Passivität zahlt sich aus

Unter ETF versteht man passiv gemanagte, börsengehandelte Fondsprodukte, die lediglich die Wertentwicklung einer bestimmten Benchmark nachvollziehen sollen. Die Absicht, eine Outperformance oder bestimmte Zielrenditen zu erwirtschaften, sucht man in dem Konzept vergeblich. Stattdessen sind die Indexfonds in ihrer Zusammensetzung und Gewichtung strikt an einen bestimmten Basisindex gebunden, den sie möglichst im Verhältnis 1:1 abbilden. Im Unterschied zu herkömmlichen Investmentfonds werden sie – wie Aktien – direkt und kontinuierlich an einer Börse gehandelt. Der Preis wird also nicht nur einmal täglich festgestellt, sondern richtet sich den ganzen Tag nach Angebot und Nachfrage. Der Vorteil: Sie bieten zu besonders günstigen Preisen die Flexibilität einer Aktie verbunden mit den Diversifizierungseffekten eines Investmentfonds und der Möglichkeit, genauso gut wie der Markt abzuschneiden.

Teure Konkurrenz befeuert Wachstum

Weil aktiv gemanagte Fonds teurer sind, aber langfristig meist hinter ihren Benchmarks zurückbleiben, lassen sich mit diesem simplen Ansatz Milliarden US-Dollar beziehungsweise Euro sparen: Die renommierte britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ zitierte hierzu kürzlich aus einem noch unveröffentlichten Bericht des IBM Institute for Business Value. Danach würden durch die Verwaltungskosten in der traditionellen Investmentfonds-Branche weltweit Jahr für Jahr Hunderte Milliarden US-Dollar sinnlos verbrannt. Der Großteil der Summe entfällt auf den Anlagefondssektor, weil den hohen Verwaltungsgebühren und Spesen der Produkte kein Mehrwert (langfristige Outperformance) gegenübersteht. Dass ETFs immer populärer werden, vermag angesichts solcher Ergebnisse kaum zu verwundern: Die Zahl der spesengünstigen, transparenten und hochliquiden Produkte stieg allein zwischen Februar 2010 und Februar 2011 von 2.091 auf 2.557.

Mehr Auswahl, weniger Transparenz

In Verbindung mit fehlenden Standards ließ das ungebremste Wachstum jüngst jedoch auch Kritik an den Indexprodukten aufkommen. So bewertete das renommierte Financial Stability Board in Basel (FSB) börsennotierte Indexfonds und ähnliche Produkte im April sogar als Risiko für die Finanzmärkte. Zuvor hatten bereits amerikanische Finanzbehörden ähnliche Bedenken geäußert. Demnach könnten vor allem Fonds, die weniger liquide Marktsegmente wie beispielsweise Emerging Markets und Rohstoffe abdecken, sowie gehebelte und Short-Produkte für Probleme sorgen. Illiquide Marktsegmente sind vor allem aufgrund der Konstruktion einiger ETFs ein potenzieller Gefahrenherd. Nicht immer enthalten die Indexfonds nämlich auch genau die gleichen Bestandteile wie der Bezugsindex. Stattdessen greifen einige Anbieter auf moderne Finanzinstrumente zurück, um die Wertentwicklung darzustellen.

Ganz oder gar nicht?

Im Laufe der Zeit haben sich daher zwei Spielarten von ETFs entwickelt. So gibt es die klassische Indexreplikation mittels der sogenannten Full Replication. Diese ETFs werden im Finanzjargon als „voll replizierende ETFs“ oder „physische ETFs“ bezeichnet, weil der Basiswert bei dieser Methode 1:1 durch die im Fonds enthaltenen Vermögenswerte abgebildet wird, ohne auf Swaps zurückzugreifen. Letzteres wird als „synthetische Replikation“ beziehungsweise „teilreplizierender ETF“ bezeichnet und hat neben einem geringeren Tracking Error (Vorteil) ein zusätzliches Kontrahentenrisiko (Nachteil) zur Folge. Darüber hinaus erregte auch das Verleihen von Aktienbeständen das Missfallen der Aufsichtsbehörden. Der Grund: Auch hier bringt die zusätzliche Chance das Risiko mit sich, dass die Gegenpartei ausfallen könnte. Komplex ist auch die Kategorie der gehebelten Indexfonds. Hier leidet die Transparenz schon allein aufgrund der Konstruktion.

Die Tücken der Hebelprodukte

So ist es praktisch unvermeidlich, dass sich Basiswert und Fonds über einen längeren Zeitraum unterschiedlich entwickeln. Das liegt schlichtweg an den Tücken der Prozentrechnung: Notiert der DAX beispielsweise bei 4.000 Punkten und klettert an einem starken Börsentag um 200 Punkte, so gewinnt er 5%. Der gehebelte ETFX-DAX 2x Short Fund (WKN: A0X9AA) würde an diesem Tag 10% verlieren. So weit so gut, innerhalb eines Börsentages ist also alles okay. Damit der Hebel aber stets gleich bleibt, muss der ETF am Ende des Tages neu ausbalanciert werden, sodass der neue Schlusskurs des DAX wieder 100% entspricht. Büßt der DAX nun am nächsten Tag seine Gewinne wieder ein und fällt auf 4.000 Punkte zurück, so verliert er prozentual lediglich 4,76%. Mit der Folge, dass auch der Short-ETF nicht um 10%, sondern lediglich um 9,5% zulegt.

Privatanleger: Gut informiert

Zwar richten sich die neuen Hebel- und Short-ETFs eigentlich vor allem an institutionelle Investoren. Weil auch diese Fonds frei an der Börse gehandelt werden, haben aber auch Privatanleger leichten Zugriff. Genutzt werden die Neulinge vor allem als Ersatz für Hebel-Zertifikate. Gegenüber den Zertifikaten haben die Hebel-ETFs zwei handfeste Vorteile: Zum einen der durch das Sondervermögen der ETFs bedingte bessere Schutz bei einer Insolvenz des Emittenten und zum anderen die niedrigeren Spreads. Kein Wunder, dass die riskanten Varianten immer beliebter werden. Aktuell sind an der Deutschen Börse bereits über 30 ETFs mit Hebel gelistet und das Anlagevolumen in diesen spekulativen Produkten wächst deutlich. Die hohe Nachfrage lockt wiederum weitere Emittenten an, die mit neuen Produkten Marktanteile gewinnen wollen. Allerdings scheinen sich die Anleger der Risiken der Produkte wohl bewusst zu sein. Wie eine aktuelle Studie der Hochschule Konstanz belegt, begrenzen Privatanleger den Einsatz bei diesen Produkten und halten diese jeweils nur über kurze Zeitspannen.

Echter Wildwuchs

Als echter Wildwuchs sind hingegen die seit Kurzem vermehrt angebotenen, aktiv gemangten ETFs zu betrachten. Grundsätzlich besitzen diese zwar auch den Vorteil einer hohen Liquidität, denn schließlich müssen Emittenten für jeden ETF – egal ob passiv oder aktiv – einen Designated Sponsor beziehungsweise Market Maker präsentieren. Dessen Aufgabe ist es, jederzeit An- und Verkaufskurse für den Fonds zu stellen. Weil bei großen ETFs mehrere Market Maker zueinander in Konkurrenz stehen, sind die Spreads in der Regel meist sehr gering. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Market Maker ganz genau weiß, was ein Fondsanteil wert ist, und genau das ist bei aktiven Produkten nicht mehr gewährleistet.

Fazit

Anleger sollten sich vor dem Kauf naturgemäß über die Konstruktion des ETFs informieren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass synthetische ETFs nicht per se schlechter sind als voll replizierende Produkte. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile. Gehebelte ETFs sollten ferner ausschließlich von erfahrenen Anlegern genutzt werden, die sich über die Funktionsweise und die Risiken im Klaren sind. Anders als herkömmliche ETFs eignen sie sich nicht zum langfristigen Vermögensaufbau.