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Hoher Coupon - wenig Sicherheit

Die Renditen klassischer Anleihen erstklassiger Schuldner befinden sich auf historisch niedrigem Niveau. Im Gegensatz dazu können Aktienanleihen mit hohen Coupons glänzen. Das bescherte den Produkten in den letzten Jahren einen wahren Boom. Dabei sind die Papiere nicht unbedingt so harmlos, wie die Bezeichnung suggeriert. 

BÖRSE am Sonntag

Die Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 hat Aktienanleihen wieder in den Fokus der Anleger gerückt. Mit der Änderung haben die Produkte ihren steuerlichen Nachteil gegenüber klassischen Index- oder Discount-Zertifikaten verloren. Darüber hinaus konnten die Papiere auch von der Vertrauenskrise bei den Zertifikaten im Zuge der Lehman-Pleite profitieren. Laut den Statistiken des Deutschen Derivate Verbands (DDV) stieg das ausstehende Volumen dieser Gattung zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2011 von 500.000 Euro auf 3,7 Mio. Euro. Der Anteil am Zertifikatemarkt kletterte mithin von 0,8% auf deutlich über 4%. Damit weisen Aktienanleihen das stärkste Wachstum unter allen Zertifikaten auf. Der positiv besetzte Namensbestandteil Anleihe dürfte an diesem Erfolg nicht unwesentlich beteiligt sein.

Nur der Titel macht den Unterschied

Die Bezeichnung Anleihe vermittelt aber nur eine scheinbare Sicherheit. Denn bei Aktienanleihen handelt es sich um Schuldverschreibungen des Emittenten. Die Papiere gehören zur Familie der Zertifikate und werden im Fall einer Insolvenz dementsprechend behandelt. Wie die Zahlen des DDV belegen, fliegen jedoch gerade konservative deutsche Privatanleger auf die Kombination aus fixem Zinscoupon und konservativ anmutender Namensgebung. Juristisch betrachtet ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden, der Begriff Zertifikat ist ohnehin ein Kunstwort. Streng genommen handelt es sich bei den Papieren um eine Kombination aus einer hochverzinslichen Anleihe und einer Inhaberschuldverschreibung.

Zinscoupons bis 30% möglich

Das heißt, dass der Käufer auch im derzeitigen Niedrigzinsumfeld einen hohen einstelligen, teilweise sogar zweistelligen Zinssatz erhält. Abhängig von der Volatilität des Basiswertes und der Laufzeit der Anleihe reicht das Spektrum für den Coupon von 5% bis 30%. Im Gegenzug muss der Käufer aber akzeptieren, dass er am Laufzeitende unter Umständen kein Bargeld zurückbekommt, sondern eine vorher festgelegte Anzahl einer bestimmten Aktie geliefert wird. Auf diese Weise sind mit Aktienanleihen zwar höhere Renditen als mit klassischen Anleihen möglich, der Käufer trägt aber im Gegenzug ein Aktienkursrisiko. Weil der Emittent zudem nicht mit dem Basiswert identisch ist, sondern die Aktienanleihe von einem Finanzinstitut begeben wird, ist die Bonität eines Dritten entscheidend. Anleger sollten deshalb sehr genau zwischen einer Daimler-Anleihe und einer Daimler-Aktienanleihe unterscheiden.

Anleihe ist nicht gleich Anleihe

Wenn Daimler wie beispielsweise Anfang 2009 eine Anleihe mit einem jährlichen Coupon von rund 8% (WKN: A0T5SE) emittiert, muss der Anleger außer der Bonität des Autoherstellers und vielleicht dem allgemeinen Zinsniveau nichts beachten. Bleibt der Emittent bis zum Ende der Laufzeit, im Fall unserer Anleihe der 16. Januar 2014, solvent, erhält der Anleger sein eingesetztes Kapital am Ende der Laufzeit zurück und hat zudem jährlich knapp 8% Zinsen kassiert. Ganz anders bei einer Aktienanleihe auf Daimler. Dies lässt sich an einem kürzlich emittierten Papier (WKN: GS9QXP) mit einem Coupon von 15% nachvollziehen. Wie oben beschrieben, wird Letzteres zum einen nicht von Daimler selbst begeben, sondern in diesem Fall von Goldman Sachs. Sollten die Amerikaner während der Laufzeit der Aktienanleihe (21. Juni 2013) in Schieflage geraten und zahlungsunfähig werden, droht dem Anleger der Verlust des eingesetzten Kapitals – völlig unabhängig von der Entwicklung der Daimler AG. Trotzdem spielt aber auch die Entwicklung des Daimler-Aktienkurses eine entscheidende Rolle.

Risiken abschätzen

Damit der Anleger am Ende der Laufzeit das eingesetzte Kapital wiederbekommt, muss der Aktienkurs der jeweils zugrunde gelegten Aktie oberhalb einer bestimmten Schwelle notieren. Im Beispiel der Daimler-Aktienanleihe beträgt diese Schwelle 46 Euro je Aktie. Derzeit werden für eine Daimler-Aktie rund 47 Euro gezahlt. Würde der Kurs der Aktien jedoch unter diese Schwelle sinken, beispielsweise auf 35 Euro, und sich bis zuletzt nicht mehr erholen, erhält der Anleger je Aktienanleihe 21,74 Aktien (Bezugsverhältnis) zurück. Dies entspräche einem Wert von rund 760 Euro. Gegenüber dem heutigen Kurs der Aktienanleihe in Höhe von 990 Euro (Stand 17. Februar 2012) wäre dies ein Verlust von 230 Euro bzw. 23%. Das Wahlrecht über die Art der Rückzahlung besitzt der Emittent. Er entscheidet am Ausübungstag, einige Tage vor Fälligkeit, welche Form der Tilgung genutzt wird. Schließt der Kurs des Basiswerts – beispielsweise der Aktie von Daimler – über dem bei Emission festgelegten Basispreis, erhält der Anleger den Nennbetrag der Aktie in Geld zurück. Liegt er darunter, nutzt die Bank ihre Option und liefert die vorab festgelegte Anzahl von Aktien. Nach oben ist der Gewinn bei einer Aktienanleihe ebenfalls begrenzt. Mehr als den Basispreis erhält der Anleger in keinem Fall zurück und auch die Dividende behält der Emittent.

Das steckt hinter dem Zinscoupon

Um zu verstehen, wie das Produkt auf verschiedene Marktentwicklungen reagiert und ob die Ausstattung fair ist, ist es notwendig, sich die einzelnen Bausteine näher anzusehen: Bei einer Aktienanleihe investiert der Käufer in eine Inhaberschuldverschreibung eines Kreditinstituts. Doch dies ist nicht die einzige Leistung des Anlegers. Neben dem Geldbetrag verkauft dieser der Bank zusätzlich auch immer eine Put-Option. Die Bank legt den Betrag im Gegenzug an und kassiert dafür Zinsen. Die Differenz zwischen der marktüblichen Verzinsung und dem höheren Coupon der Aktienanleihe kommt nun dadurch zustande, dass für die Put-Option eine Optionsprämie vereinnahmt wird. Über die Konstruktion der Aktienanleihe wird der Anleger, ähnlich wie bei einem Discount-Zertifikat, also in die Lage versetzt, auf bequeme Weise aus dem Verkauf von Put-Optionen einen Ertrag zu erzielen.

Nicht nur der Zinscoupon zählt

Ob der Coupon angemessen ist, hängt also einerseits davon ab, wie viel der Emittent von der Optionsprämie an den Anleger weitergibt. Aber auch das Verhältnis zwischen Basispreis und aktuellem Kurs des Basiswerts gilt es zu beachten. Beide Komponenten wirken nämlich wie ein Puffer. In unserem obigen Beispiel beträgt der rechnerische Sicherheitspuffer (Kauf 17. Februar 2012) also 17%: 2% kommen aus dem aktuellen Unterschied zwischen Basispreis und aktuellem Kurs und ca. 15% liefert der Zinscoupon. Je tiefer der Basiswert fallen kann, ohne dass der Anleger Teile seines Einsatzes verlustig geht, desto konservativer das Profil der Aktienanleihe. In der Regel korrespondiert ein niedriger Coupon mit einem höheren Abschlag beim Basispreis. Das heißt, mehr Sicherheit kann nur durch weniger Rendite erkauft werden. Auch ein Vergleich mit Discount-Zertifikaten, die ein sehr ähnliches Profil besitzen, kann bei der Entscheidungsfindung helfen.

Fazit

Eine Investition in Aktienanleihen lohnt sich insbesondere dann, wenn die Aktienmärkte seitwärts oder leicht steigend tendieren. In einem solchen Umfeld bieten die Papiere eine gute Alternative zu klassischen Anleihen und reinen Aktienengagements. Nach den kräftigen Kursgewinnen der vergangenen Wochen und mit Blick auf die nach wie vor moderate Bewertung deutscher Blue Chips bietet sich bei Aktienanleihen daher momentan eine attraktive Gelegenheit.