Kein Ende des ETF-Booms in Sicht
Im vergangenen Jahr floss so viel Geld in börsengehandelte Indexfonds wie seit 2008 nicht mehr. Trotz des Marktwachstums nimmt der Konkurrenzkampf in der Branche zu. Für Anleger hat das Vorteile. Um diese auch nutzen zu können, müssen bei der Auswahl aber bestimmte Punkte beachtet werden.
Das weltweit in Indexfonds verwaltete Vermögen wuchs in den ersten neuen Monaten des vergangenen Jahres bereits stärker als im gesamten Vorjahr: 2011 lagen die Zuflüsse bei insgesamt 173 Mrd. US-Dollar – allein bis Oktober 2012 steckten Anleger über 193 Mrd. US-Dollar in Indexfonds. Aber nicht alle ETF-Anbieter hatten Grund zur Freude. Der Glaubenskrieg innerhalb der Branche nähert sich der entscheidenden Phase.
Original oder Kopie?
Bislang existieren nämlich zwei Spielarten von ETF. Zum einen die klassische Indexreplikation mittels der sogenannten Full Replication. Diese ETFs werden im Finanzjargon als „voll replizierende ETFs“ oder „physische ETFs“ bezeichnet, weil der Basiswert bei dieser Methode 1 : 1 durch die im Fonds enthaltenen Vermögenswerte abgebildet wird. Im Gegensatz dazu greift man bei der synthetischen Replikation auf Swap-Geschäfte zurück. Auf diese Weise soll ein geringerer Tracking Error erreicht werden – sprich die Performance des Basiswertes genauer nachvollzogen werden. Allerdings bringt diese Methode ein zusätzliches Kontrahentenrisiko mit sich.
Am Scheideweg
Dass die Risiken der synthetischen Replikation am Markt durchaus eine Rolle spielen, zeigte sich in der durch die Euro-Krise geprägten ersten Jahreshälfte 2012: Die Indexfonds europäischer Banken, die auf synthetische ETFs setzen, mussten im ersten Halbjahr Nettomittelabflüsse verkraften, während die Produkte der großen US-Anbieter BlackRock (iShares), State Street Global Advisors (SPDR) und Vanguard hohe Zuflüsse verzeichnen konnten. Die europäischen Banken bilden die Indizes in aller Regel mithilfe von Swaps nach, die sie mit ihren Konzernmüttern eingehen. Bei db x-trackers ist das beispielsweise die Deutsche Bank, bei Lyxor die Société Générale. Zwar ist das Swap-Geschäft in der Regel durch ausreichende Sicherheiten geschützt, doch offensichtlich reichte die Dosis dieser Beruhigungspille in den turbulenten Zeiten nicht mehr aus.
Entzauberung eines Mythos
Auch von anderer Seite gerieten die „künstlichen“ ETFs zuletzt unter Beschuss. Das wichtigste Argument für die Vertreter dieser Spielart bestand nämlich darin, dass voll replizierende Produkte, die ja den Kauf aller Einzeltitel eines Index inklusive Änderungen bewerkstelligen müssen, eine höhere Kostenbelastung und damit eine schlechtere Performance zur Folge haben. Aber: „Die angeblich bessere Indexnachbildung durch synthetische ETFs lässt sich empirisch nicht belegen“, so Sigrid Müller, Leiterin des Instituts für Finanzierung an der Humboldt-Universität. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Christian Meinhardt, Sigrid Müller und Stefan Schöne auf Basis aller an der Frankfurter Börse gehandelten Indexfonds, für die relevante und vergleichbare Daten vorlagen, kürzlich vorgestellt haben. Das Ergebnis ist eindeutig: Egal ob synthetisch oder Vollreplikation, es gibt keinen statistisch messbaren unterschiedlichen Tracking Error.
Europäische Finanzwerte unter Beobachtung
Es ist also kein Zufall, dass der Emittent db x-trackers noch im Dezember für die Indizes DAX, EURO STOXX 50 und FTSE 100 erstmals auch voll replizierende Produkte lancierte. Die entsprechende Variante ist jeweils durch den Zusatz „DR“ im Produktnamen gekennzeichnet. Mit dem db x-trackers EURO STOXX 50 ex Financials UCITS ETF (DR) (WKN: DBX0NE) bekommen Anleger nach Angaben des Emittenten zudem erstmals die Möglichkeit, direkt an der Wertentwicklung der größten Unternehmen in der Eurozone mit Ausnahme des Finanzsektors zu partizipieren. Man darf letztere Emission getrost als Zeichen dafür interpretieren, dass das Vertrauen in den europäischen Bankensektor noch immer nicht zurückgekehrt ist. Für Privatanleger dürfte dies im Vergleich zum Original daher die risikoärmere Variante darstellen. Die Zahl der verfügbaren Produkte wächst also weiter und ist laut einem Branchenreport des Marktführers BlackRock per 31.10.2012 auf über 4.700 Produkte angewachsen. Die Auswahl wird damit nicht einfacher – im Gegenteil.
Drum prüfe, wer sich lange bindet
Um dem entgegenzuwirken, hat BlackRock beziehungsweise die Tochter iShares bereits 2011 einen sechsstufigen Leitfaden erstellt, an dem sich Anleger orientieren können. „Am Anfang des Prozesses steht die richtige Frage“, so David Gardner, Vertriebsleiter iShares für Europa, Afrika und Nahost, bei der Veröffentlichung. Im ersten Schritt sollte man sich über die Struktur und die Replikationsmethode informieren. Auch wenn synthetische ETFs zuletzt – wie oben dargestellt – auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden, heißt das nicht, dass diese generell zu meiden wären. Vor einem Kauf sollte man jedoch die spezifischen Risiken kennen und abwägen. Anschließend sollten steuerliche Aspekte geklärt werden – allerdings ist dies aufgrund der einheitlichen Regelungen in Deutschland weniger problematisch als in anderen Regionen. Im dritten Schritt gilt es, die Performance zu untersuchen. Viertens muss die Qualität im Handel – Stichwort Liquidität - bewertet werden. Erst an fünfter Stelle folgt die Auseinandersetzung mit den Kosten. Zuletzt wird die Frage gestellt, ob das Fondsmanagement mit dem Verleih von Wertpapieren Zusatzerträge generiert und welche Risiken damit verbunden sind.
Darf es etwas mehr sein?
Auch wenn man es angesichts der passiven Konstruktion kaum glauben mag: Der Vergleich der Performance ist auch bei ETFs enorm wichtig. So manchem Emittenten gelingt die Abbildung des Basiswertes schlichtweg besser als anderen. So blieb beispielsweise der DAX-ETF von ETFlab nach Analysen der Unicredit in den vier Jahren zwischen 2009 und 2012 nur 20 Basispunkte hinter dem Index zurück, während es beim Lyxor ETF DAX 120 Punkte (1,2%) waren. Einigen Fonds gelingt sogar das Kunststück, die Wertentwicklung des Basiswertes zu übertreffen. Dies wird durch Zusatzerträge – meist aus Wertpapierleihe – möglich. Allerdings ist diese Vorgehensweise umstritten: Denn hier bringt die zusätzliche Chance das Risiko mit sich, dass die Gegenpartei ausfallen könnte. In der Vergangenheit tat sich insbesondere der Anbieter ETFlab mit einer Outperformance seines ETF auf den EURO STOXX 50 hervor. ETFlab schaffte zwischen 2009 und 2012 – nach Kosten – mehr als 250 Basispunkte Outperformance in vier Jahren!
Top-Performance mit Indexprodukten
Besonders das Segment der festverzinslichen Wertpapiere erfreut sich innerhalb des ETF-Universums einer ungebrochenen Nachfrage: In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres floss mit über 60 Mrd. US-Dollar rund ein Drittel aller neuen Mittel in Produkte mit festverzinslichen Basiswerten. Das Angebot hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren enorm verbreitert und erlaubt Anlegern eine sehr genaue Umsetzung der eigenen Anlagestrategien. Im Umfeld der auf Euro lautenden Unternehmensanleihen mit Investment Grade erfreuen sich beispielsweise der iShares Markit iBoxx Euro Corp. Bond (WKN: 778928) und der Lyxor Euro Corporate Bond (WKN: LYX0EE) großer Beliebtheit. Um den Non-Investment-Grade-Bereich abzudecken, nutzen viele Investoren den iShares Markit iBoxx Euro High Yield (WKN: A1C8QT): „Bei einer Rendite von über 6% kann man sich regelmäßig über schöne Ausschüttungen freuen. Allerdings ist das Risiko eher in der Region von Aktien anzusiedeln“, so Peter Scharl, Leiter institutioneller Vertrieb iShares ETFs bei BlackRock, in einem Interview mit Extra-Funds.de. Apropos Aktien: Die Aktienmärkte spielen beim Blick auf die Produkte mit der stärksten Performance naturgemäß eine wichtige Rolle. Ganz weit vorne liegen mit jeweils rund 30% in den letzten zwölf Monaten beispielsweise der RBS Market Access MSCI EFM Afr. ex South Africa ETF (WKN: A1JHLZ) oder der Shares MSCI Turkey (WKN: A0LGQN).
Fazit
Bei der Auswahl von ETFs sollten Anleger auf die Liquidität, niedrige Handelskosten sowie die Art der Replikation achten. Gerade für den langfristigen Vermögensaufbau sind die Produkte ideal, lassen sich doch verschiedene Asset- und Risikoklassen mit wenigen Bausteinen zusammensetzen. Wichtig: Anleger sollten sich von den hohen Performance-Werten bei Emerging-Markets-Aktienprodukten nicht blenden lassen. Denn im Rückblick ist stets nur von den Siegern die Rede. Entsprechende Produkte sollten daher lediglich zur Beimischung verwendet werden.