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Letzte Ausfahrt Schweiz

Die Schweiz gilt traditionell als ein Hort der Stabilität. Sowohl institutionelle Anleger als auch vermögende Privatpersonen transferieren ihr Geld in rauer See daher gerne in die schöne Alpenrepublik. Das treibt die Preise und stellt den kleinen Staat aktuell vor große Probleme.  

BÖRSE am Sonntag

Weil Anleger im derzeitigen Umfeld nach den risikoärmsten Investments suchen, landen viele von ihnen in der Alpenrepublik. Der Schweizer Franken, Immobilien, aber auch viele dort ansässige Unternehmen wie Nestlé oder Novartis genießen einen hervorragenden Ruf. Das Image als Zufluchtsort und Tresor der Welt hat sich das Land über Jahrhunderte aufgebaut. Das hat sich in den Köpfen verankert: Der Name ist heute ein Synonym für Sicherheit und solche Denkmuster werden nur ungern hinterfragt.

Sicherer Hafen

Die ganz großen Player sind bei ihren Anlagen neben einem extrem niedrigen Risiko auch auf der Suche nach größtmöglicher Liquidität. Diese Voraussetzung erfüllt mit Blick auf die Schweiz neben den Staatsanleihen nur die Währung selbst. Letztere galt bislang neben Gold als einzig verbliebener sicherer Hafen. In einer aktuellen Studie der Investmentbank Nomura heißt es beispielsweise, dass der Anstieg des Schweizer Franken auf Rekordwerte durch Anlageumschichtungen verursacht wurde. Demnach stiegen Investoren aus Dollar-Einlagenkonten aus und suchten im Schweizer Franken Zuflucht: „Vermögende Investoren steigen in den Franken als Währung ihrer Wahl um. Der einzig übrig gebliebene sichere Hafen ist die Schweiz”, so Geoff Kendrick, Leiter Devisenstrategie Europa bei Nomura in London, in einem Bloomberg-Interview.

Währung wird zum Risiko

Wie bei allen Gütern führt eine steigende Nachfrage auch bei Währungen zu einem steigenden Preis. Ablesen lässt sich dies hier an den Wechselkursen: Gegenüber Euro, US-Dollar und britischem Pfund hat der Franken in diesem Jahr neue Rekordwerte erklommen. Was für die Währungsflüchtlinge positiv ist, stellt die Wirtschaft des Landes vor große Probleme. Von Anfang 2010 bis Anfang August 2011 kletterte der Franken von 68 Euro-Cent auf 99 Euro-Cent. Der starke Franken verteuerte Schweizer Waren im Ausland demnach in etwas mehr als 18 Monaten um 45%. Wer nach den positiven Auswirkungen des Euro für Deutschland fragt, sollte die Auswirkungen solcher Währungsrisiken auf die Unternehmensgewinne genau studieren. Dazu aber später mehr. Dass dies keineswegs nur die Großen trifft, zeigt ein Blick auf das Hotel- und Gaststättengewerbe: Ein Urlaub in den idyllischen Schweizer Ferienregionen wurde damit für viele Touristen unerschwinglich. Weil die Schweizer die starke Währung für Shopping-Touren ins benachbarte Ausland nutzten, gerieten darüber hinaus die Verbraucherpreise unter Druck.

Inflation geringeres Übel

Für die Notenbank ein Alarmsignal, denn Deflation hat häufig viel schlimmere Auswirkungen als Inflation. Anfang September verkündete die Schweizerische Nationalbank (SNB) in einem überraschenden Schritt – mit 1,20 Franken pro Euro – eine Untergrenze für den Wechselkurs. „Die gegenwärtige massive Überbewertung des Schweizer Franken stellt eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung“, kommentierte die SNB die Maßnahme in einer Mitteilung. Die heimische Währung brach daraufhin ein: Der Kurs des Franken fiel von 1,11 auf 1,21 Franken je Euro. Doch die Auswirkungen sind keineswegs auf die Wechselkurse beschränkt. Vielmehr ergeben sich Wechselwirkungen mit allen anderen Asset-Klassen. Unmittelbar reagiert hat neben dem Devisenmarkt naturgemäß auch der Aktienmarkt: Der Schweizer Leitindex SMI legte nach Bekanntwerden der Entscheidung um gut 5% auf 5.500 Punkte zu. Die Kursreaktion fiel so heftig aus, weil die Gewinnschätzungen der Schweizer Konzerne bei diesem Wechselkursniveau um 4% bis 6% nach oben korrigiert werden können.

Abwertung überrascht Spekulanten

Für Devisenspekulanten hat der Franken freilich an Attraktivität verloren. Während sie zuvor davon ausgehen konnten, dass – leider zu erwartende – zukünftige Verschärfungen der Schuldenkrise jeweils automatisch zu weiter steigenden Kursen beim Franken geführt hätten, ist dieser Mechanismus zumindest deutlich unwahrscheinlicher geworden. Allerdings könnte es durchaus passieren, dass die Marktteilnehmer versuchen werden, die Entschlossenheit der SNB, das angestrebte Niveau zu verteidigen, in den kommenden Monaten auf die Probe zu stellen. Bereits im letzten Jahr hatte die Nationalbank zeitweilig am Markt interveniert und dabei hohe Verluste erlitten. Darüber hinaus könnte es jedoch durch die Ausweitung der Geldmenge – die SNB finanziert die Intervention über die Notenpresse – auch zu inflationären Tendenzen kommen. Für Ausländer, die ihr Geld ja gerade vor dieser schützen wollen, wäre das eine schlechte Nachricht. Zudem wird kolportiert, dass die Schweizer Währungshüter den Franken mit einem weiteren Schritt weiter auf 1,25 Franken je Euro drücken wollen. Dass diese Spekulationen am Markt ernst genommen werden, zeigt die aktuelle Entwicklung: Erstmals seit Anfang Juli müssen wieder 1,22 Franken pro Euro bezahlt werden.

Alternative Schweizer Immobilien?

Befeuern dürften solche Gedankenspiele hingegen den ohnehin schon boomenden Immobiliensektor unseres südlichen Nachbarn. Die Preise für Betongold haben dort in den vergangenen Jahren stark angezogen: Eigentumswohnungen verteuerten sich beispielsweise seit der Jahrtausendwende um gut 50%. Trotzdem kommt die Crédit Suisse in ihrer Studie „Immobilien – Fakten und Trends 2011“ zu dem Schluss, dass mit Preisrückgängen nicht zu rechnen sei. Als Grund wird neben den niedrigen Zinsen der Zuzug gut bezahlter Arbeitskräfte aus dem Ausland und – dadurch natürlich zum Teil bedingt – eine insgesamt höhere Nachfrage angeführt. Die gute Entwicklung des Sektors spiegelt sich auch in der Entwicklung der börsennotierten Immobilienwerte wider. Der entsprechende Index hat seinen Wert allein seit Anfang 2009 nahezu verdoppelt, während es der Aktienmarkt insgesamt nur auf ein Plus von gut 25% brachte. Doch nach der Rally erscheint der Spielraum für die Immobilienaktien nun begrenzt: „Sie bieten kein großes Kurspotenzial mehr, garantieren aber eine attraktive Rendite“, so Markus Waeber von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) in einem Reuters-Interview.

Gefahr steigender Zinsen

Die Mischung aus billigem Geld und stark steigenden Immobilienpreisen ruft unweigerlich Erinnerungen an die Wurzeln der amerikanischen Subprime-Krise wach. Allerdings sind die Parallelen bei genauerem Hinsehen damit auch bereits erschöpft. Die Klientel der Immobilienkäufer in der Schweiz darf sicherlich in vielen Fällen als erstklassig gelten und kann damit auch mit dem genauen Gegenteil von „Subprime“ beschrieben werden. Eine Verbriefung und damit Distribution und Kaschierung der Risiken findet ebenfalls nicht statt. Finanziert wird überwiegend klassisch mittels Darlehen. Allein hier bestehen aufgrund der derzeit extrem niedrigen Zinsen Bedenken. So fürchtet die SNB, dass etwaige höhere Zinsniveaus in der Zukunft die Leistungsfähigkeit zahlreicher Kreditnehmer überfordern könnte. Allerdings würde eine Zinserhöhung die Bemühungen, den Franken zu schwächen, konterkarieren. Die Währung würde dann wieder attraktiver werden. Ein solcher Schritt ist demnach nur zu erwarten, wenn der Immobilienmarkt stark überhitzt oder die Inflation dramatisch ansteigt.

Fazit

Die Schweiz wurde ihrem Ruf als sicherer Hort bislang gerecht: Die Verschuldung ist niedrig, das Wirtschaftswachstum deutlich höher als im Euro-Raum, die Arbeitslosenzahl niedrig und die Binnenwirtschaft stabil. Die Unternehmen des Landes zeichnen sich durch solide Bilanzen, robuste Margen und eine moderate Bewertung aus. Aktien international ausgerichteter Schweizer Großkonzerne wie Nestlé, Novartis & Co. sind daher für langfristig orientierte Anleger mehr als einen Blick wert. Immobilien dürften sich dagegen für Käufer aus dem Euro-Raum auch nach der Intervention als zu teuer erweisen.