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Mit dem Latein schon am Ende?

Die Volkswirtschaften in Lateinamerika haben sich im Rekordtempo von der globalen Wirtschaftskrise erholt. Doch der riesige Wirtschaftsraum ist alles andere als homogen. Sprich, es läuft nicht überall rund. Kein Wunder, die Region umfasst so unterschiedliche Staaten wie Brasilien, Peru und Mexiko. Hier erfahren Sie, wo sich Investments lohnen.

BÖRSE am Sonntag

Im Krisenjahr 2009 mussten die Volkswirtschaften in Lateinamerika – eine Region, die von Mexiko im Norden bis Argentinien im Süden reicht – einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von rund 2% verkraften. Doch mit einer fulminanten Aufholjagd im vergangenen Jahr hat die lateinamerikanische Wirtschaft 2010 bereits wieder die Wachstumsdynamik der Vorkrisenjahre erreicht.

Zwei Geschwindigkeiten

Betrachtet man die Zahlen genauer, wird jedoch rasch deutlich, dass die Entwicklung mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten verläuft. So brachten es die Schwergewichte Mexiko und Brasilien zwar auf eine Zuwachsrate beim BIP (inflationsbereinigt) von 6%, die Spitzenreiter innerhalb des Wirtschaftsraums Lateinamerika konnte 2010 jedoch bis zu 10% Wachstum vorweisen. Das hat naturgemäß auch Auswirkungen auf die Performance der lokalen Aktienmärkte. Wer in der Vergangenheit nur auf Brasilien setzte, wurde enttäuscht: Mit hohen zweistelligen Zuwachsraten übertrafen 2010 die Börsenindizes in Peru und Chile nicht nur die Entwicklung des brasilianischen Aktienmarktindex Bovespa (+1,1%) um ein Vielfaches.

Mexiko zeigt sich stabil

Nichtsdestotrotz zeigen sich die Schwergewichte fundamental in einer sehr robusten Verfassung. So dürfte Mexiko, die zweitgrößte Wirtschaft, im laufenden Jahr trotz des schwachen Wachstums in den USA und der Schuldenproblematik in Europa immerhin noch um rund 4% wachsen. Dies ist umso erstaunlicher, da das Land wirtschaftlich in besonderem Maße von seinem nördlichen Nachbarn abhängig ist. So besitzt Mexiko zwar reiche Rohstoff- vorkommen, vor allem Öl. Die Industrie produziert jedoch hauptsächlich für den nordamerikanischen Markt: Im ersten Halbjahr 2011 gingen rund 79% der mexikanischen Exporte in die USA. Dementsprechend schlagen Konjunktursorgen nördlich des Rio Grande sofort auf die Stimmung und die Aktienkurse durch. Weil sich das Stimmungsbild in der US-Wirtschaft langsam bessert und sich die Inlandsnachfrage sehr erfreulich entwickelt, konnten die Aktienkurse in den letzten Monaten bereits wieder anziehen. Weiterhin zeichnet sich die größte spanischsprachige Nation durch eine große volkswirtschaftliche Stabilität aus. Die Inflation ist trotz hoher Öl- und Nahrungsmittelpreise niedrig (3,0% bis 3,5%) und „eine tragbare Schuldenlast dürfte Mexiko vor etwaigen Auswirkungen der Finanzturbulenzen in Europa und USA schützen“, so Germany Trade & Invest in einer aktuellen Studie.

Neues Selbstbewusstsein am Zuckerhut

Weit stärker als Mexiko steht jedoch das größte Land Lateinamerikas im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Brasilien zählt zu den vier wichtigsten Emerging Markets und wird bereits heute als wirtschaftliches Schwergewicht wahrgenommen. Gemeinsam mit China bot man den europäischen Schuldensündern jüngst Finanzhilfe an. Die neue Rolle hat sich der Riesenstaat am Zuckerhut hart erarbeitet. In den letzten 20 Jahren entwickelte er sich von einem Dritte-Welt-Land zu einer Industrienation ersten Ranges. Bei der Eisenerzproduktion rangiert man weltweit auf Platz 2, bei der Flugzeugproduktion auf Platz 3 und im Automobilbau auf Platz 4. Das Land hat kaum Auslandsschulden und verfügt über Devisenreserven von rund 330 Mrd. US-Dollar. Weil sich das Wachstum in diesem Jahr auf 4% verlangsamen dürfte, orakeln einige Analysten bereits über ein Ende des Booms. Verwiesen wird dabei auf den ins Stocken geratenen Reformkurs und die Abhängigkeit von der Weltkonjunktur. An den Aktienmärkten dürften diese Bedenken bereits eingepreist sein: In den letzten zwölf Monaten hat der Bovespa über 18% verloren. Die schwache Performance und steigende Unternehmensgewinne bescheren dem Leitindex nun ein KGV von knapp unter 10. Mit Blick auf die anstehenden Großereignisse, die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016, sowie der einmaligen Kombination aus riesigem Binnenmarkt und Rohstoffreichtum können Anleger getrost einen Ausflug nach Brasilien in Betracht ziehen. Das Augenmerk sollte dabei auf Sektoren gerichtet werden, die von der starken Binnennachfrage profitieren. Dazu zählen laut einer aktuellen Marktstudie von Germany Trade & Invest unter anderem Telekommunikation, Lebensmittel, Kosmetik und Gesundheit. Ein seit Kurzem in Deutschland erhältlicher Fonds (Schroder ISF Brazilian Equity; WKN: A1JKEF) konzentriert sich ebenfalls auf brasilianische Konsumtitel.

Samba auch in den Nachbarländern

Der Aufstieg Brasiliens strahlt auch auf seine Nachbarn ab. Es ist kein Zufall, dass mit Paraguay (+9,7%) und Uruguay (+9%) 2010 zwei Nachbarstaaten des Amazonas-Riesen das stärkste Wachstum in ganz Lateinamerika vorweisen konnten. Gut sieht es auch in Kolumbien aus. Im März erklärte das Magazin „Forbes“ die Börse des Landes zur rentabelsten in ganz Südamerika. Auf den Plätzen 3 und 4 rangieren Peru (+8,6%) und Argentinien (+8,4%).

Starker Süden

Auch in diesem Jahr läuft es dort rund: In Argentinien sorgt die staatliche Konjunkturpolitik im Wahljahr für Auftrieb. Im Oktober wurde Cristina Fernández de Kirchner als erste weibliche Staatspräsidentin des Landes im Amt bestätigt. Zwar stand Kirchner im Vorfeld aufgrund zahlreicher Eingriffe in die Marktwirtschaft in der Kritik, doch angesichts der anhaltend hohen Wachstumsraten und den niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit rund 20 Jahren ist die Wiederwahl keine Überraschung. Hauptverantwortlich für das Wachstum ist die stark exportorientierte Agrarindustrie. Ein Problem ist jedoch die hohe Inflation. Gelingt es nicht, diese zu zügeln, dürfte das Land trotz der guten Rahmenbedingungen Probleme bekommen. Wer speziell auf Argentinien setzen möchte, kann dies mit dem Argentina Basket Open End Zertifikat (WKN: AA0B5L) der RBS realisieren.

Glänzende Gipfel

Die beiden Andenstaaten Chile und Peru können, wie oben dargestellt, ebenfalls mit einem starken Wachstum aufwarten. Getragen wird der Aufschwung vor allem von den reichen Bodenschätzen beider Länder. Chile profitiert dabei insbesondere von seiner Stellung als führender Kupferexporteur. Ähnliches gilt für die peruanische Wirtschaft. Die Andenrepublik profitiert seit Jahren vor allem von ihrer Stellung als größter Produzent von Silber und seltenen Metallen. Interessant ist zudem, dass die japanische Investmentbank Nomura Securities in einer kürzlich vorgestellten Studie die Landeswährungen Peso (Chile) und Sol (Peru) als deutlich sicherer einstuft als den brasilianischen Real. Anleger, die nur auf Peru setzen möchten, können dies mit dem Peru TR Index Zertifikat (WKN: AA0PEU) komfortabel realisieren. Allerdings ist zu beachten, dass sich der Basisindex nur aus neun Werten zusammensetzt. Wer etwas breiter streuen, die Standard-Südamerika-Selection jedoch umgehen möchte, sollte einen Blick auf  den neuen S&P MILA 40 Index werfen. Letzterer setzt sich aus 22 chilenischen, sechs peruanischen und zwölf kolumbianischen börsennotierten Gesellschaften zusammen.

Risiken

Unbestreitbar ist, dass das Wachstum Lateinamerikas in starkem Maße von der Entwicklung der Weltwirtschaft  und dabei in besonderem Maße von den Rohstoffpreisen abhängig ist. Auch haben die inflationären Tendenzen nahezu überall in der Region deutlich zugenommen.

Fazit

Insbesondere vor dem Hintergrund langfristig weiter steigender Rohstoffpreise, verbesserter politischer Rahmenbedingungen und der Entwicklung des Binnenmarktes – allein in Brasilien stiegen in den letzten acht Jahren über 29 Mio. Menschen in die Mittelklasse auf – wird die Bedeutung Lateinamerikas weiter zunehmen. Ein gut diversifiziertes Engagement z. B. via ETF auf den MSCI Latin America (WKN: A0NA0K oder WKN: DBX1ML) in dieser Region dürfte sich daher mittel- bis langfristig auszahlen.