Nachhaltige Investments am Scheideweg
Die Energiewende und insbesondere ihre Kosten sind derzeit in aller Munde. Ungeniert wird eines der wichtigsten Themen für den Wahlkampf ausgeschlachtet. Bedauerlicherweise. Denn es entsteht der Eindruck, dass nachhaltige Investments stets teuer erkauft werden. Dies gilt jedoch weder für die Energiewende, noch für nachhaltige Finanzanlagen im Allgemeinen.

1.000 Milliarden Euro. Soviel könnte die Energiewende kosten, warnte Umweltminister Peter Altmaier in der letzten Woche. Eine gigantische Zahl, die sich plakativ verwenden lässt. Doch abgesehen davon, dass es sich lediglich um eine grobe Schätzung handelte, wird wie so oft darauf verzichtet den Gesamtkontext herzustellen. Dabei rechnet sich die Energiewende und damit das derzeit wohl „teuerste“ nachhaltige Investment überhaupt.
Energiewende größtes nachhaltiges Investment
Gerne werden nämlich einige Fakten unter den Tisch gekehrt. Die Kosten des Atomstroms beinhalteten beispielsweise zu keinem Zeitpunkt adäquate Versicherungsprämien, geschweige denn die Kosten für die Entsorgung. Auch die Tatsache, dass ohnehin hohe Investitionen in die in die Jahre gekommene Netzinfrastruktur investiert werden müssen, wird gerne übersehen. Viel entscheidender sind jedoch die langfristigen Auswirkungen des Unterfangens auf die deutsche Volkswirtschaft. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes machen Erdöl und Erdgas den größten Teil unserer Rohstoffimporte aus: „2011 wurden Erdöl und Erdgas im Wert von 82 Milliarden Euro importiert, das waren 9,1% der Gesamtimporte“. Ein nicht unerheblicher Teil dieser 82 Milliarden Euro – die bislang Jahr für Jahr ins Ausland abfließen – würde bei einer erfolgreichen Energiewende jedoch zukünftig in Deutschland verbleiben. Welche Dimension hier realistischerweise erwartet werden dürfen, zeigen die Einsparungen, die bereits seit Mitte der 1990er Jahre durch steigende Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien realisiert wurden: Allein im Jahr 2011 betrugen diese laut Schätzungen der Bundesregierung bereits 25 Milliarden Euro!
Das beste Konjunkturprogramm
Aufgrund der dezentralen Struktur der ökologischen Energiegewinnung wandert dieses Geld nicht in die Taschen der großen Energiekonzerne und Versorger, sondern zu Stadtwerken, mittelständischen Betreibergesellschaften und privaten Erzeugern. Ein besseres Programm für die Binnenkonjunktur ist kaum denkbar: „Teilindikatoren deuten an, dass die Energiewende vorteilhafte Wirkungen auf Innovation, Investitionen, Beschäftigung sowie durch die Vermeidung von Energieimporten und externen Kosten hat“, heißt es etwa im ersten Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung vom 20.12.2012. Noch deutlicher sind die Ergebnisse einer weiteren Analyse: „Spätestens ab dem Jahr 2030 wird die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien kostengünstiger sein, als die Erzeugung mit Hilfe konventioneller Energieträger und volkswirtschaftliche Einsparungen bringen“, heißt es in einer Studie, die das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), im Auftrag des Umweltministeriums für Baden-Württemberg erstellt hat. Alleine in diesem einen Bundesland schafft der „Zubau von Anlagen erneuerbarer Energien sowie der Netzausbau weitere rund 5.000 Arbeitsplätze“, heißt es dort. Nimmt man nun – unter Berücksichtigung der vom Bundesumweltminister selbst bezifferten Einsparmöglichkeiten von 300 Milliarden Euro – einen Betrag von 700 Milliarden Euro als Bezugsgröße und kalkuliert mit jährlichen Einsparungen in Höhe der für 2011 geschätzten 25 Milliarden, hätte sich die Energiewende in weniger als 30 Jahren amortisiert.
Nachhaltig rechnet sich
Doch nicht nur bei dem Großprojekt Energiewende herrschen Zweifel an der ökonomischen Sinnhaftigkeit: „39 Prozent der Deutschen sind der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit Rendite kostet“. Dies ist das Ergebnis einer bevölkerungsrepräsentativen Studie von AXA Investment Managers (AXA IM) und dem Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest. Dass dies keineswegs der Fall ist wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Das heißt jedoch nicht, dass nachhaltige Anlagen automatisch besser abschneiden als konventionelle Investments: „Es gibt empirische Studien, die besagen, dass nachhaltige Anlagen tendenziell besser performen als normale. Andere Studien sind zum gegenteiligen Schluss gekommen. Man kann als Fazit sagen, dass nachhaltige Anlagen in etwa ähnlich rentieren wie normale“, bringt es Urs von Arx, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Corporate Responsibility and Sustainability (CCRS) der Universität Zürich, in einem Stocks-Interview auf den Punkt. Dabei haben nachhaltige Investments jedoch einen entscheidenden Vorteil: Geringe Risiken. Das zeigt sich im Großen - wie beim Super-Gau in Japan und der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko – aber auch im Kleinen: „Wir glauben fest daran – und unsere Zahlen belegen das –, dass es sich unter Rendite-Risiko-Aspekten lohnt, sich mit Nachhaltigkeit zu befassen. Firmen, die nachhaltig wirtschaften, haben ein geringeres Risiko", so Roderick Munsters, der CEO von Robeco in einem Interview.
Nicht nur ökologisch richtig
Doch was heißt überhaupt nachhaltig und wo bleibt hier die ökologische Betrachtung? Nach ethischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten getätigte Investments werden international unter den Begriffen Socially Responsible Investments (SRI) beziehungsweise Environment, Social, Governance (ESG) zusammengefasst. Hierzulande wird dafür der Oberbegriff nachhaltige Anlagen verwendet. Vielfach werden auch die Bezeichnungen grünes Geld und grüne Investments gebraucht, die genau genommen aber nur einen Teilaspekt abdecken. Denn um nachhaltige Investitionen handelt es sich, wenn neben wirtschaftlichen Aspekten, wie beispielsweise Gewinnmarge und KGV, auch die Art und Weise, wie der Gewinn erwirtschaftet wird, von Bedeutung ist. Dazu gehören aber eben nicht nur ökologische Kriterien, sondern - wie im englischen Ausdruck Environment, Social, Governance zum Ausdruck kommt - auch die Berücksichtigung sozialer und ethischer Belange.
Schöner Schein
Doch mit der Definition ist das Problem noch nicht gelöst: „Bei nachhaltigen Investments gibt es zwar ein reichhaltiges Produktangebot, aber keinen einheitlichen Mindeststandard, der aussagt, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Das verwirrt – und hält möglicherweise interessierte Anleger von einer Investition ab“, so Karin Kleinemas, Head of Marketing, Communications & Brand Northern Europe bei AXA IM. Erschwerend kommt hier hinzu, dass nicht jeder Fonds, der die Schlagwörter Nachhaltigkeit, Öko, SRI & Co. im Namen führt, diesen Ansprüchen auch gerecht wird: „Mit dem Begriff Nachhaltigkeit wird ein Haufen Schindluder getrieben", warnte der Wirtschaftswissenschaftler Bruno S. Frey, von der Universität Zürich, in einem Interview mit der Zeitschrift Öko-Test.
So finden Sie den Richtigen
Angesichts dieser Probleme verwundert es kaum, dass über ein Drittel der Deutschen laut der Axa IM Studie gerne nachhaltig investieren würde, aber keine geeigneten Anlageprodukte kennt. Bei der Auswahl sollten Anleger von einem besonders eng gefassten, ökologisch dominierten Verständnis Abstand nehmen. Letzteres würde dazu führen, dass lediglich Firmen aus dem Bereich regenerativen Energien übrig bleiben. Dass dies kein geeigneter Ansatz ist, hat die Entwicklung der vergangenen Jahre gezeigt: Die Windkraft- und Solarfirmen gerieten in schwere Turbulenzen – die Notierungen stürzten ab. Breiter aufgestellte Fonds beziehungsweise Indizes sind dagegen ihren Geschwistern ohne Nachhaltigkeits-Fokus ebenbürtig. Dazu zählen beispielsweise der Ökoworld Ökovision Classic (WKN: 974968), der Triodos Sustainable Equity (WKN:A0RJ28), der Sarasin Sustainable Portfolio Balanced (WKN: 973502) oder der KCD-Union Nachhaltig Mix (WKN: 975000).
Fazit
Die Energiewende ist für Deutschland eine historische Chance. Mit diesem Megaprojekt kann gezeigt werden, dass sich Nachhaltigkeit und ökonomische Interessen nicht widersprechen. Im Gegenteil: Diese Herangehensweise hat das Potenzial unser Land und unsere Wirtschaft zum Besseren hin zu verändern. Es wäre für die nachhaltigen Investments der Wendepunkt – der Schritt aus der Nische und hin zu sichtbaren Auswirkungen.