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Naher Osten in Flammen

Die Revolution der Bevölkerung in den nordafrikanischen Staaten versetzt die Welt in Aufruhr. Weil Investoren Unsicherheit fürchten, haben sie sich in großem Stil von Aktien aus der Region getrennt. Doch historisch betrachtet sind solche Zeiten häufig gute Einstiegszeitpunkte.

BÖRSE am Sonntag

Die aktuellen Proteste der Menschen in Nordafrika markieren einen bedeutenden Wendepunkt. Im Unterschied zu früheren Unmutsäußerungen wird der Wunsch nach Veränderung von fast allen Bevölkerungsschichten mitgetragen. Fernsehen und Internet machen es den Regimen nahezu unmöglich, die Vorgänge zu vertuschen. Das ist auch dem Militär bewusst. Letzteres genießt in diesen Staaten ein hohes Ansehen und wird als Hüter der Stabilität geachtet. Ohne die Unterstützung der Streitkräfte können sich die autoritären Systeme jedoch nicht halten. Das ist die Lehre, die alle Machthaber von Tunis bis Amman aus den letzten Wochen gezogen haben. Doch während sich westliche Politiker auf die Zuschauerrolle verlegen, handelten die Anleger.

Arabische Aktienmärkte im Sinkflug

Innerhalb kürzester Zeit zogen sie Milliarden aus den Aktienmärkten der Region ab und schickten die Kurse auf Talfahrt. Am schlimmsten erwischte es Ägypten: Rund 26% verlor der Leitindex innerhalb weniger Tage. Fast wahllos abgestoßen wurden aber auch Finanzanlagen aus Dubai, den Arabischen Emiraten und allen anderen Nachbarländern. Abzulesen ist das an der Benchmark, dem MSCI Arabian Markets Index. Das Börsenbarometer hat in den vergangenen beiden Wochen rund 10% an Wert verloren.

Afrika-Papiere im Kommen

Internationale Investoren haben die politischen Bedingungen und die Lebensumstände der Bevölkerung in den afrikanischen Staaten jahrzehntelang ignoriert. Der Kontinent einschließlich des Nahen Ostens war lediglich als Absatzmarkt für billige Massenware und Lieferant günstiger Rohstoffe interessant. Autoritäre Systeme wurden unterstützt, solange sie Stabilität garantierten. Doch die Globalisierung und der Aufstieg der Schwellenländer haben auch diese Region erfasst. Mit den immer knapper werdenden Ressourcen und den ersten Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs geriet auch der einst vergessene Kontinent verstärkt in das Blickfeld der Anleger. Zahlreiche Neuemissionen von Afrika-Fonds und entsprechenden Zertifikaten in den letzten beiden Jahren sind Zeugen des aufkeimenden Interesses. So legten beispielsweise die Investment-Gesellschaften Barings und Union Investment im Frühjahr 2010 mit dem Baring Mena Fonds und dem UniEM Middle East & North Africa (WKN: A0Q93L) jeweils einen Fonds mit Fokus auf Unternehmen aus Nordafrika und dem Nahen Osten auf. Für einzelne Länder wie beispielsweise Ägypten standen Anlegern plötzlich sogar mehrere Zertifikate zur Auswahl: Das „The Egyptian Exchange Index X-pert Zertifikat“ (WKN: DB1CEX) der Deutschen Bank sowie zwei Open-End-Zertifikate auf den ägyptischen CASE-30-Preisindex von Goldman Sachs (WKN: GS0J63) und der Royal Bank of Scotland (WKN: ABN1EJ).

Hohe Wachstumsdynamik

Tatsächlich sind die Aussichten dieser Staaten durchaus bemerkenswert. Gerade Nordafrika wird für europäische Konzerne aufgrund seiner geografischen Nähe als Produktionsstandort immer interessanter. Zahlreiche Firmen wie beispielsweise Leoni, BMW und andere haben bereits Werke in Nordafrika aufgebaut. Vor allem die niedrigen Lohnkosten sind eine starke Motivation für diese Unternehmen. In Ägypten, dem bevölkerungsreichsten Land der Region, beträgt der durchschnittliche Monatslohn gerade einmal 230 US-Dollar. Auch die Demografie und das Binnenwachstum bieten enormes Potenzial. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds soll das afrikanische Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren im Schnitt um 5% steigen. Für Ägypten rechnet die Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing im laufenden Jahr mit einem Plus von rund 5,5%. „Das ist mehr als in den meisten Industriestaaten und auch mehr Wachstum, als in Russland oder Brasilien erwartet wird“, so John Mackie, Manager des Nordea 1 – African Equity Fund (WKN: A0RASM).

Ausverkauf am Nil

Mit den Unruhen in Ägypten traten diese Chancen in den Augen der Anleger jedoch in den Hintergrund. „Viele Investoren verkaufen jetzt panikartig“, so Patryk Jablonowski von Deka Investment. In diesem Umfeld brach der Dow Jones EGX Egypt Titans 20 Total Return Index seit dem 10. Januar um gut 26% ein und auch die Börsen der Nachbarstaaten mussten hohe Abschläge hinnehmen. Die Märkte in Kairo wurden daraufhin in der vorletzten Woche geschlossen und sollen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Middle East News erst am 7. Februar wieder öffnen. Von diesen Maßnahmen sind auch deutsche Anleger betroffen. Mit Verweis auf eine vorliegende Marktstörung stellten die Emittenten der drei oben genannten Produkte den Handel dieser Zertifikate beziehungsweise deren Preisfeststellung ebenfalls vorübergehend ein.

Einstiegszeitpunkt rückt näher

Trotz alldem hat sich an den fundamentalen Aussichten wenig bis gar nichts verändert: „Diese Krise ist rein politisch bedingt und politische Korrekturen sind meist kurzlebig“, so Jablonowski. Auch hält er das Land weiterhin für wirtschaftlich interessant: „Ägyptische Unternehmen haben eine gute Bilanzstruktur und die dortigen Banken gehören zu den stabilsten in den Emerging Markets“, so der Fondsmanager, der für den Aktienfonds Deka-MiddleEast and Africa zuständig ist, weiter. Den Einstiegszeitpunkt sieht er in nicht allzu ferner Zukunft erreicht: „Wir sind nicht mehr weit von den Tiefstständen entfernt“, so Jablonowski.

Spekulanten gehen in Stellung

Demgegenüber spekulieren viele internationale Investoren bereits jetzt auf einen Aufschwung am ägyptischen Aktienmarkt. Der einzige ETF, der sich ausschließlich auf Titel vom Nil bezieht, der Market Vectors Egypt Index ETF, konnte seit dem 28. Januar mit einem Plus von 10% deutlich zulegen. Der Egypt Index ETF des US-Vermögensverwalters Van Eck Global bildet den Market Vectors Egypt Index ab, der 27 Aktien ägyptischer Unternehmen umfasst. Er ist an der New York Stock Exchange notiert und in Deutschland nicht zum Vertrieb zugelassen. Auch die in London gehandelten Hinterlegungsscheine (Depository Receipts) der größten börsengehandelten Bauunternehmung des Landes, Orascom Construction Industries, haben seit ihrem 18-Monats-Tief vom 31. Januar um rund 18% zugelegt. Dass institutionelle Investoren Ägypten mittlerweile wieder positiv gegenüberstehen, belegt auch der Kursanstieg zehnjähriger ägyptischer Anleihen. Diese konnten nach Angaben des Datendienstleisters Bloomberg in der letzten Woche um 2,6% zulegen. Da die Kurse von Anleihen bei höheren Ausfallwahrscheinlichkeiten aufgrund der dann fälligen höheren Zinsen fallen, ist dies ein starker Vertrauensbeweis.

Arabische Titel in Sippenhaft

Auch im Umkreis des bevölkerungsreichsten Landes im Nahen Osten ergeben sich durch die Kursabschläge der vergangenen Wochen Chancen: So äußerte Madsched Assam, Analyst von AlembicHC in Dubai, jüngst in einem Interview, dass die Anleger keinen Unterschied mehr zwischen Firmen der arabischen Halbinsel und nordafrikanischen Werten machen würden. Zu den größten Verlierern zählen unter anderem der in Dubai ansässige Immobilienentwickler Emaar Properties, der ebenfalls aus Dubai stammende Billigflieger Air Arabia, Dana Gas, ein Erdgasförderer aus Abu Dhabi, und die in Jordanien beheimatete Arab Bank. Allerdings sind diese Unternehmen auch in Ägypten vertreten und damit trotz vieler Beteuerungen auch betroffen.

Fazit

Im Land der Pharaonen ändert sich die Lage täglich. Eine Prognose über die weitere Entwicklung ist daher derzeit nicht möglich. Die Risiken sind mithin genauso groß wie die potenziellen Gewinne. Zudem notiert der hierzulande nicht erhältliche einzige ägyptische ETF bereits signifikant über seinem inneren Wert. Sehr spekulativ eingestellte Anleger sollten sich daher die drei ägyptischen Index-Zertifikate näher ansehen – hierbei gilt es vor allem, den Spread im Auge zu behalten.