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Nicht nur in Europa obenauf

Die Länder im hohen Norden Europas haben das letzte Jahrzehnt konsequent genutzt. Fast mustergültig machen sie vor, wie sich kriselnde Wohlfahrtsstaaten in wachstumsstarke Volkswirtschaften verwandeln lassen. Von der aktuellen Krise sind sie kaum betroffen. Ob sich ein Investment jetzt noch lohnt, erfahren Sie hier.  

BÖRSE am Sonntag

Das Vertrauen in Euro und Dollar hat in den letzten Monaten arg gelitten. Wohin also mit dem Ersparten? In solchen Situationen denkt der Deutsche fast schon reflexartig an die Schweiz. Das Alpenland gilt schließlich nach wie vor als Inbegriff von Sicherheit und Stabilität. Wer sich jedoch die Mühe macht, die ökonomischen Fakten zu analysieren, dem eröffnen sich in einer ganz anderen Richtung attraktive Möglichkeiten. Und zwar im hohen Norden.  

Stärker als die Wachstumslokomotive

Noch genauer: in Skandinavien. Diese Region umfasst die Länder Schweden, Norwegen und Dänemark. Obwohl direkt vor der Nase der Mitteleuropäer gelegen, haben in den vergangenen Jahren immer wieder exotische Anlageziele die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich gezogen: von den BRIC-Staaten über die sogenannten Next11 bis hin zu Ländern auf dem afrikanischen Kontinent. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Weltoffenheit nahmen nur sehr wenige Akteure von der erstaunlichen Entwicklung der skandinavischen Länder Notiz. Dass Norwegen und Schweden kaum verschuldet sind, ist gerade noch so bekannt, dass von dem Dreigespann nur Dänemark den Euro eingeführt hat, hat man auch noch irgendwo im Hinterkopf, aber dass Schweden und Norwegen selbst die hochgelobte deutsche Wirtschaft in Sachen Wachstum abhängen konnten, ist hierzulande kaum bekannt.

Besser durch die Krise

Im Krisenjahr 2009 schrumpfte die norwegische Wirtschaft lediglich um 1,4%, während Deutschland mit einem Minus von 4,7% den schlimmsten Einbruch der Nachkriegsgeschichte verkraften musste. 2010 konnte Deutschland mit 3,6% ein deutlich höheres Tempo vorweisen als viele andere westliche Staaten, doch ein Plus von 0,4% reicht den Norwegern, um unter dem Strich die Nase vorn zu haben. Im laufenden Jahr dürften beide Staaten um rund 2,5% vorankommen. Zum Vergleich: Für die gesamte Eurozone rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) für das laufende Jahr mit einem Plus von rund 2%. Im Nachbarland Schweden erwarten die Ökonomen für das laufende Jahr ein kräftiges Wachstum von 3,5% nach 5,5% im vergangenen Jahr. Auf Sicht der letzten drei Jahre rangiert das Land damit noch vor Norwegen und Deutschland – auch wenn die Wirtschaft des Landes im Krisenjahr 2009 mit –5,2% sogar stärker eingebrochen war als hierzulande.

Gut gerüstet in die Zukunft

Die Region, in der nur 24 Mio. Menschen leben, profitiert neben den oben genannten beeindruckenden volkswirtschaftlichen Kennzahlen vor allem von der großen politischen Stabilität und den Investitionen in das Humankapital: Die öffentlichen und privaten Bildungsausgaben betragen in Dänemark 7%, in Schweden 6,5% des BIP – auf ähnliche Werte kommen nur die USA. Bei den Universitätsabschlüssen haben die Norweger weltweit die Nase vorn. Nicht weniger als 38% haben einen Universitätsabschluss. Für Europa hat das Lisbon Council im Jahr 2006 den European Human Capital Index erstellt, der den Stellenwert des Humankapitals in den einzelnen Nationen widerspiegelt. Kaum verwunderlich, dass Schweden vor Dänemark auf Platz 1 steht. Laut der Studie investiert Schweden in jeden Arbeitnehmer im Durchschnitt rund 175.000 Euro für Schule, Aus- und Weiterbildung – das ist doppelt so viel, wie zum Beispiel Spanien ausgibt. Bei der Weiterbildung der Erwachsenen ist der Unterschied noch dramatischer: Die 44- bis 64-jährigen Schweden verbringen pro Jahr 358 Stunden mit berufsbezogener Weiterbildung – doppelt so viel wie die Deutschen und dreimal so viel wie die Spanier.

Doch nicht alle Nordländer sind ein sicherer Hafen

Besonders attraktiv wirken die beiden Nordlichter, wenn man sich die Staatsfinanzen ansieht: Norwegen hat dank seiner Öl- und Gasvorkommen statt Schulden sogar Hunderte von Milliarden auf der hohen Kante und in Schweden beträgt die Staatsverschuldung gerade einmal 40% des BIP. Mit 80% ist die Quote der Bundesrepublik aktuell doppelt so hoch – Italien steckt mit 120% bereits in ernsten Schwierigkeiten. Dass der Verschuldungsgrad jedoch als Beurteilungskriterium allein nicht ausreicht, wird am Beispiel Dänemarks deutlich. Unser nördlicher Nachbar weist mit 40% des BIP ebenfalls eine gemäßigte Verschuldung auf. Die wirtschaftliche Entwicklung sieht jedoch alles andere als rosig aus: Bereits im vierten Quartal 2010 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) inflationsbereinigt um 0,2% zurückgegangen und auch im ersten Quartal des laufenden Jahres schrumpfte die dänische Wirtschaftsleistung (–0,5%). Eine Entwicklung, die umso schwerer wiegt, weil sich das Land bis jetzt noch nicht von den Einbrüchen der Jahre 2008 (–1,1%) und 2009 (–5,2%) erholt hat. Mittlerweile kriselt es nicht nur in der Bauwirtschaft und auf dem Agrarsektor, auch die Finanzindustrie ist schwer angeschlagen: Mit der Fjordbank Mors und den Amagerbanken sind in diesem Jahr bereits zwei Institute pleitegegangen. Weil das Land im Gegensatz zu seinen skandinavischen Bruderstaaten zudem dem Euro-Raum angehört, sollten Anleger auf ihrem Entdeckungszug gen Norden nicht „über Los gehen“, sondern sich direkt in Schweden und Norwegen umsehen.

Wikinger-Aktien im Sog der Tiefe

Ein Blick auf die Blue Chips der beiden Länder sorgt jedoch zunächst einmal für Ernüchterung: Die Electrolux-Aktie hat im laufenden Jahr bereits über 40% verloren,  Norsk Hydro notiert mit rund 30% im Minus, Statoil liegt 12% tiefer und TeliaSonera über 22%. Auch wer mit dem Skandinavien Performance Basket (WKN: RCB7UD) auf die Topwerte aller drei skandinavischen Länder gesetzt hat, musste gegenüber dem Jahresbeginn einen Abschlag von rund 25% hinnehmen. Mit etablierten Fonds fuhren Anleger kaum besser: Sowohl der Nordic Equity Fund (–20%) von Nordea (WKN: 973346) als auch der Nordic Fund (–22%) von Fidelity (WKN: 973277) mussten in den ersten 7,5 Monaten des laufenden Jahres herbe Abschläge hinnehmen. Der einzig in Deutschland für diesen Markt verfügbare ETF, der Amundi ETF MSCI Nordic (WKN: A0REJU), musste gegenüber dem Stand zu Jahresbeginn sogar Abschläge von 28% aushalten. Ob nordische Aktien angesichts solcher Ergebnisse im Augenblick das Mittel der Wahl sind, um das Ersparte vor Inflation und der europäischen Transferunion zu retten, darf wohl eher verneint werden.

Solide Finanzen ohne Euro-Risiko

Anders stellt sich die Lage bei Staatsanleihen dar. Norwegische Titel mit zehnjähriger Laufzeit bringen momentan rund 2,2% p. a., schwedische rund 2,4%. Wer etwas mehr Rendite möchte, greift zu Rentenfonds wie dem Nordea Norwegian Bond Fund (WKN: 988130). Im laufenden Jahr liegt dieser (in Euro) bereits mit 4,5% im Plus – auf Sicht der letzten drei Jahre sogar mehr als 20%. Gerade der Währungsaspekt ist der große Bonus. Seit dem Höhepunkt der Finanzkrise haben beide Kronenwährungen gegenüber dem Euro um mehr als 20% aufgewertet. Dennoch sind die Kurse nicht übertrieben. Auf Sicht der letzten zehn Jahre notieren sie nun wieder nahe ihrem Durchschnittskurs.

Fazit

Die niedrige Staatsverschuldung, das vergleichsweise hohe Wirtschaftswachstum und die große politische Stabilität bilden in Kombination mit der jeweils eigenständigen Währung ein Alleinstellungsmerkmal, das insbesondere festverzinsliche Wertpapiere als attraktiv erscheinen lässt. Wer nach einer soliden Depotbeimischung sucht und sein Erspartes nicht nur in Euro veranlagen möchte, sollte sich schwedische und norwegische Anleihen guter Bonität näher ansehen.