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Risiko Rohstoffnotierungen

Jahrelang verwöhnten die Rohstoffmärkte Anleger mit satten Gewinnen. Analysten und Experten riefen einen Superzyklus aus, der mehrere Jahrzehnte andauern sollte. Bereits die letzte Finanzkrise hatte die Notierungen jedoch dramatisch abstürzen lassen. Es folgte eine schwungvolle Erholung, die sich Anfang dieses Jahres in Euphorie verwandelte – zu Unrecht.  

BÖRSE am Sonntag

Wie so oft kam es anders als erwartet. Die Staatsschuldenkrise kehrte mit Wucht zurück, Chinas Wachstumstempo schwächte sich merklich ab und die Konjunktur in den USA kam nicht mehr richtig in Tritt. Weil sie in hohem Maße von den zukünftigen Erwartungen bestimmt werden, ist diese Mischung für die Rohstoffnotierungen ein Giftcocktail:  „Der HWWI-Rohstoffpreisindex sank im Juni im Vergleich zum Vormonat auf US-Dollar-Basis um 11%, während er in Euro um 9% nachgab. Damit liegt der Index um gut 16,8% (in Euro –3,3%) unter dem Niveau von vor einem Jahr. Die Beschleunigung im Preisrückgang, die wesentlich durch die verschlechterten Aussichten für die Weltkonjunktur bestimmt wurde, betraf nahezu alle Rohstoffe“, so das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).  

Seriöse Prognosen nicht möglich

Weil von den Sorgen um die Konjunktur naturgemäß vor allem Rohstoffe aus den Bereichen Energieträger und Industriemetalle betroffen sind, mussten diese auch die größten Verluste hinnehmen: So verbilligte sich der HWWI-Index für Rohöl im Juni mit 12,7% (in Euro –10,7%), der Kohleindex sank um 9,3% (in Euro –7,3%), Kupfer fiel um 6,5%  (in Euro –4,4%) und der von der Nachfrage der Automobilindustrie abhängige Kautschuk sogar um 15,2% (in Euro –13,2%). Von gänzlich anderen Faktoren ist demgegenüber die Entwicklung der Preise für Agrarrohstoffe abhängig. Hier spielen die erwarteten Erntemengen und die Höhe der Lagerbestände eine wesentliche Rolle: „Die USA als der wichtigste weltweite Maisexporteur weisen zurzeit so niedrige Maislagerbestände auf wie seit Jahren nicht mehr. In Russland beeinflusste dagegen trockenes Wetter negativ den Weizenanbau, was zu steigenden Weizenpreisen führte“, kommentiert das HWWI die aktuelle Lage. Nachdem seit Anfang Juni nun auch in weiten Teilen der USA eine Dürre herrscht, haben die Preise von Weizen und Mais jüngst um rund 50% angezogen.

Unterschiede bei Rohstoffindizes

Die Auswirkungen, die politische Entscheidungen im Rahmen der Staatsschuldenkrise entfalten, sind jedoch für Privatanleger wie Profis kaum noch abschätzbar. Wie aktuelle Entwicklungen zeigen, ist eine seriöse Prognose über die weitere konjunkturelle Entwicklung derzeit kaum möglich. Mitte Juni sorgten beispielsweise Hoffnungen auf ein beherztes Eingreifen der Zentralbanken – insbesondere beim Ölpreis – für deutlich steigende Notierungen. Daraufhin konnte auch das Rohstoffbarometer S&P GSCI Total Return Index bis Ende Juli um fast 14% zulegen! Das dürfte das Gros der Privatanleger freuen: Sie besitzen in der Regel Fonds und Zertifikate, die sich auf die marktbreiten Rohstoffindizes beziehen. Allerdings gibt es hier erhebliche Unterschiede. So hat beispielsweise der RICI Rohstoffindex in den letzten zwölf Monaten um fast 10% verloren – während der S&P GSCI Total Return Index unter dem Strich nahezu unverändert notiert. Um zu verstehen, warum Ersterer vergleichsweise schlecht abgeschnitten hat, ist ein Blick hinter die Kulissen notwendig.

Mehr Energie, dafür weniger Agrarrohstoffe

Das Universum der Commodities umfasst so unterschiedliche Güter wie Schweinehälften, Orangensaft, Kupfer, Gold und Öl. Es kommt daher auf die Zusammensetzung – beziehungsweise die Gewichtung – im Index an. Fossile Energieträger wie Öl und Gas haben in den Benchmark-Indizes traditionell einen hohen Stellenwert. Preisänderungen dieser Güter wirken sich dort dementsprechend überproportional stark aus. Beim GSCI-Rohstoffindex machen Energierohstoffe beispielsweise rund 70% des Index aus. Demgegenüber kommen Agrarrohstoffe (Soft Commodities) zusammen mit der Viehwirtschaft lediglich auf einen Anteil von rund 20%. Bei dem RICI Index (z. B. RBS Index-Zertifikat WKN: ABN4JE) ist der Energiesektor hingegen mit 40% spürbar niedriger gewichtet, der Agrarbereich mit rund 32% dafür deutlich höher.

Das Rollrisiko

Auf den ersten Blick scheint da etwas nicht zusammenzupassen: Denn obwohl die Soft Commodities zuletzt deutlich zulegen konnten – und auch auf Sicht der letzten zwölf Monate höher notierten – hat sich der RICI Index, der diese Produkte stärker gewichtet, schlechter entwickelt als der energielastige S&P GSCI Total Return Index. Die Erklärung für dieses Phänomen ist eine Eigenheit dieser Asset-Klasse: Im Unterschied zu Aktien und Währungen sind Rohstoffe physische Güter. Da es für die Anbieter von entsprechenden Finanzprodukten unwirtschaftlich ist, die Waren wirklich zu lagern, nutzen die Emittenten die Terminbörsen, um die Preisänderungen der Rohstoffe abzubilden. Hierzu werden Future-Kontrakte ge- und verkauft. Um die spätere Lieferung des Rohstoffs zu vermeiden, werden die Kontrakte vor Laufzeitende in länger laufende getauscht. Dabei unterscheiden sich die Terminkurse meist von den Kassapreisen (Spot-Preisen). Durch dieses Rollen können Verluste entstehen, wenn der neue Kontrakt teurer ist, oder Gewinne, wenn der Preis des Future niedriger ausfällt. Haben die Marktteilnehmer also bereits die Erwartung, dass ein Rohstoff zukünftig teurer wird, spiegelt sich das rasch in den Kursen der Future-Kontrakte wider. Anleger können dann nur noch Gewinne erzielen, wenn der Preisanstieg höher ausfällt als allgemein erwartet. Dazu kommt, dass mit der steigenden Anzahl an derivativen Produkten – die alle im selben Zeitraum ihre Positionen rollen – die Preise zusätzlich in die Höhe getrieben werden.

Physisch gedeckt oder strukturell optimiert

In einem solchen Umfeld wurden die Situationen, in denen der Future-Kurs unter dem Spot-Preis liegt, immer seltener. Für Anleger kam es daher immer häufiger zu den oben geschilderten Rollverlusten. Umgehen lassen sich die Probleme jedoch mit Produkten, die tatsächlich mit dem entsprechenden Rohstoff hinterlegt sind. Dieser Umstand erklärt auch das große Interesse an dem ersten physisch besicherten Kupfer-ETC. Dessen Zulassungsprüfung dauert jedoch bereits seit über zwei Jahren an. Bislang gibt es entsprechende Produkte nur für gängige Edelmetalle. Eine andere Variante sind speziell konzipierte Strukturen der Zertifikate-Anbieter. Papiere wie das Vontobel-Natural-Gas-Strategy-Index-Zertifikat (WKN: VFP9NG) schichten im Falle drohender Rollverluste beispielsweise in entsprechende Aktien um. Diese Vorgehensweise zahlt sich aus: Während der Natural Gas ETC (WKN: A0KRJ3) in den letzten zwölf Monaten um rund 46% eingebrochen ist, kann das Vontobel-Papier ein Plus von 5% vorweisen. Auch einige Produkte aus der rolloptimierten DZ-BANK-Indexreihe BestCommodity konnten bislang überzeugen – beispielsweise das Zertifikat auf Mais (WKN: DZ2X4H). Eine weitere Möglichkeit stellen sogenannte Laufzeit-Zertifikate dar, die sich nur auf einen bestimmten festen Future-Kontrakt beziehen.

Fazit

Rohstoffe eignen sich zweifellos zur Diversifizierung des Depots. Mittlerweile sind jedoch auch die Gütermärkte eng mit den Finanzmärkten verzahnt. Bricht die Realwirtschaft in Folge der derzeitigen Schuldenkrise erneut ein, wird dies auch die Rohstoffnotierungen in die Tiefe reißen. Insbesondere die Spekulation auf einzelne Rohstoffe birgt in diesem schwer kalkulierbaren Umfeld große Risiken. Gut gemanagte Commodity-Fonds sind für Privatanleger daher keine schlechte Wahl und sind zuletzt deutlich zurückgekommen. Eine Ausnahmestellung besitzen auch Edelmetalle – allen voran Gold. Deutliche Preisrücksetzer können hier zum Einstieg oder Ausbau von Positionen genutzt werden.