Sicherheit allein reicht nicht
Die Turbulenzen der letzten Monate haben zu einer Flucht in besonders sichere Anlageformen geführt. Kein Wunder also, dass die ehemals als Garantie-Zertifikate bekannten Kapitalschutzprodukte einen neuen Boom erleben. Dabei ist das Umfeld für diese Papiere alles andere als ideal. Worauf Anleger achten sollten, erfahren Sie hier.

Voll von den Chancen des Aktienmarktes profitieren und, wenn es wider Erwarten schlecht läuft, den Einsatz trotzdem komplett zurück erhalten. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Doch genau das versprechen sogenannte Garantie-Zertifikate, die mittlerweile als Kapitalschutzprodukte verkauft werden. Das ist zwar juristisch korrekt, Risiken gibt es aber dennoch.
Marktanteil wächst
Das Kapitalschutzversprechen greift bei diesen Papieren regelmäßig erst am Ende der Laufzeit. Zu diesem Zeitpunkt erhalten die Anleger in der Regel mindestens ihr eingezahltes Kapital zurück. Zusätzlich partizipiert der Anleger in einem bestimmten Verhältnis an steigenden Kursen des zugrunde liegenden Basiswerts. Ein solches Modell erscheint vielen Anlegern offensichtlich sehr attraktiv: Das spiegelt sich beispielsweise in der Entwicklung der Marktanteile wider. Laut der vom Deutschen Derivate Verband (DDV) veröffentlichten Statistik zum Marktvolumen im Juli stecken mittlerweile fast zwei Drittel (62,6%) des Geldes, das Anleger in Zertifikate investiert haben, in Produkten mit vollständigem Kapitalschutz. Damit hat sich der Marktanteil dieser besonders konservativen Produktgattung innerhalb der letzten vier Jahre nahezu verdoppelt: Auf dem Gipfel des Zertifikate-Booms, im September 2007, lag ihr Anteil bei lediglich einem Drittel.
Turbulenzen sorgen für Outperformance
Dass sich dieser Hang zur Sicherheit ausgezahlt hat, zeigt ein Blick auf den von der European Derivatives Group berechneten Benchmark-Index für Garantie-Zertifikate: In der Zeit zwischen September 2008 bis heute schaffte der Index eine Performance von 3,7%. Damit hat der Garantie-Index seine Benchmark, den EURO STOXX 50, deutlich geschlagen. Der Aktienindex musste sich im gleichen Zeitraum Abschläge von über 22% gefallen lassen. Dazu kommt, dass sich die Ausgestaltung der Kapitalschutz-Zertifikate im Frühjahr des laufenden Jahres zugunsten der Anleger entwickelt hat. Ausschlaggebend für die besseren Konditionen waren die zu diesem Zeitpunkt anziehenden Zinsen. Um zu verstehen, welchen Einfluss Letztere auf die Papiere haben, ist es notwendig, sich den Baukasten der Emittenten näher anzusehen.
So funktioniert der Kapitalschutz
Um überhaupt ein kapitalgarantiertes Produkt generieren zu können, investiert der Emittent den größten Teil des eingezahlten Kapitals in eine Nullcouponanleihe (Zerobond). Auf diese Weise stellt er sicher, dass am Ende der Laufzeit mindestens das eingezahlte Kapital wieder zur Verfügung steht. Der Preis dieser Anleihe ist aber nicht immer gleich, sondern abhängig vom aktuellen Zinsniveau sowie der Laufzeit der Anleihe. Da sich der aktuelle Wert eines Zerobonds aus der Abzinsung seines Rückzahlungsbetrages ergibt, ist dieser umso niedriger, je höher das Zinsniveau liegt. Wird das Produkt in Zeiten hoher Zinsen aufgelegt, muss der Emittent daher weniger Kapital für die Wertsicherungskomponente bereitstellen. Sind die Zinsen zum Zeitpunkt der Auflage dagegen vergleichsweise niedrig, kostet der Zerobond entsprechend mehr. Fehlt noch der Part, der den Papieren die Partizipation am Basiswert ermöglicht. Zu diesem Zweck wird das restliche Kapital in Call-Optionen auf den jeweiligen Basiswert angelegt. Die Optionskomponente wird nun wiederum stark durch die Volatilität beeinflusst. Je höher die Schwankungen, desto teurer die Optionen und desto niedriger die Partizipationsrate.
Augen auf beim Kauf!
In Zeiten historisch niedriger Zinsen – wie im letzten Jahr – konnten daher kaum Zertifikate konstruiert werden, die bei einem hundertprozentigen Kapitalschutz auch eine hundertprozentige Partizipation ermöglicht hätten. Um trotzdem eine möglichst hohe Partizipationsrate ausweisen zu können, wurde daher bei den anderen Ausstattungselementen gespart. So wurde bei einigen Produkten der maximale Gewinn durch die Einführung eines Caps begrenzt oder das Sicherheitsniveau heruntergesetzt. Häufig – bei etwa der Hälfte der 2010 emittierten Papiere – wurde zudem nur eine indirekte Teilhabe an der Performance des Basiswertes verbrieft. Dies geschieht zum Beispiel durch die Beteiligung anhand von Durchschnittswerten. Ein aktuelles Beispiel: Während der Laufzeit bis August 2013 partizipieren Anleger bei dem Zertifikat auf den S&P-BRIC-40-Index (WKN: RCB0X3) zu 100% an der durchschnittlichen Entwicklung des Basiswerts. Dafür wird der Durchschnitt der Schlusskurs des S&P-BRIC-40-Index an halbjährlichen Feststellungstagen betrachtet. Liegt dieser über dem Startwert, wird dieser Anstieg mit einer Partizipation von 100% zusätzlich zur 90-prozentigen Kapitalgarantie zum Laufzeitende ausbezahlt. Eine solche Durchschnittsbildung glättet unweigerlich die Performance. Bei einem normalen Produkt hätte dies nicht nur einen negativen Effekt, da auf diese Weise auch Kursverluste abgefedert werden. Dies ist jedoch bei einem Kapitalschutzprodukt gerade nicht notwendig und bringt nur in wenigen Konstellationen einen Vorteil für den Anleger. Stattdessen wird so die Partizipationsrate an steigenden Kursen durch die Hintertür wieder gesenkt.
Nicht blenden lassen!
Dazu kommt, dass es für den Anleger schwieriger wird, die Kursentwicklung abzuschätzen. Das Produkt wird schlichtweg deutlich komplexer. Gleiches gilt für eine Variante, bei der die Performance des Basiswertes gegen eine fixe Couponzahlung getauscht wird. Ein Beispiel für eine solche Konstruktion ist das VarioZins Garant XXXVI E- Zertifikat der DZ BANK (WKN: AK0FF6). Es bezieht sich auf zehn internationale Aktien. Das Zertifikat wird bei Fälligkeit zu 100 Euro zurückgezahlt. Zusätzlich erhält der Besitzer jährlich einen Coupon von 4,75%, wenn alle zehn Aktien an festgelegten Stichtagen in der Couponperiode oberhalb von 70% ihres Kurses bei Emission notieren. Anderenfalls wird ein Mindestcoupon von 1% gezahlt. Eine Meinungsbildung über die zukünftige Entwicklung ist für Anleger in diesem Fall schwer möglich. Nicht von ungefähr raten die Zertifikate-Spezialisten des Analysehauses Scope Analysis: „Anleger sollten sich von den glänzenden Konditionen nicht blenden lassen. Vor dem Kauf ist nicht nur nüchtern zu betrachten, wann das Produkt gut geschützt ist, sondern auch, wann es Gewinne abwirft.“ Ist das nicht der Fall, sind Tagesgeldkonten die bessere Wahl.
Darauf sollten Anleger achten
Grundsätzlich gilt: je höher das Zinsniveau und je niedriger die Volatilität bei Emission, umso attraktiver die Konditionen der Kapitalschutzprodukte. Neben der Ausstattung der Papiere muss jedoch noch eine zweite Voraussetzung erfüllt sein: Der oder die Basiswerte müssen nach der Emission kräftig steigen. In vielen Phasen macht auch ein Blick auf bereits am Markt befindliche Kapitalschutzpapiere Sinn. Denn ist ein Papier schon länger am Markt, bewirken sinkende Zinsen das genaue Gegenteil: steigende Kurse. Steigende Zinsen sorgen hingegen für fallende Preise. Gleiches gilt für die Volatilität: Steigende Schwankungen wirken sich grundsätzlich positiv auf bereits gehandelte kapitalgeschützte Zertifikate aus, sinkende Schwankungsbreiten sorgen für Kursverluste.
Fazit
Bei der Auswahl von Garantie-Zertifikaten sollten nicht nur die aktuellen Produkte verschiedener Emittenten miteinander verglichen, sondern auch ältere Papiere miteinbezogen werden. Darüber hinaus sollte sich der Anleger darüber im Klaren sein, dass die Kapitalgarantie in der Regel erst am Ende der Laufzeit greift. Die Laufzeit des Garantieproduktes sollte sich aus diesem Grund mit dem persönlichen Anlagehorizont decken. Hinzu kommt das Emittentenrisiko, denn Zertifikate sind Schuldverschreibungen: Im Insolvenzfall kann es zum Totalverlust kommen.