So werden Sie zum Industriellen
Ob Auto- oder Chemieindustrie, Maschinen- oder Anlagebau, die Deutsche Industrie nimmt in vielen Bereichen eine internationale Spitzenposition ein. Eine der größten Stärken ist dabei der gesunde Größenmix aus Konzernen von Weltrang und mittelständischen Spezialisten. Für Anleger ist diese breite Mischung jedoch eine Herausforderung.
Deutschland ist noch immer eine der wichtigsten Industrienationen der Welt. Dass dies jedoch keineswegs selbstverständlich ist, zeigt ein Blick auf andere westliche Staaten. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung lag nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2010 hierzulande bei 21%, in Italien bei 16% und in Großbritannien und in Frankreich bei jeweils 10%. Zwar ging auch in Deutschland die Bedeutung dieses Sektors seit 1979 (36%) zurück, allerdings viel langsamer als in den anderen wichtigen Industriestaaten. In den Jahren zwischen 2003 und 2009 ist der Anteil sogar wieder gestiegen, während er in den USA, Japan, Italien, Frankreich und Großbritannien weiter zurückging. Die Schere zwischen Deutschland und den anderen führenden westlichen Volkswirtschaften öffnet sich damit seit 1995 immer weiter.
Die Mischung macht’s
Diese Ausnahmestellung gründet sich laut Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) einerseits auf die traditionell starke Position bei der Produktion besonders anspruchsvoller Güter und Anlagen und andererseits auf „die gewachsenen regionalen Cluster-Strukturen aus leistungsfähigen Klein-, Mittel- und Großunternehmen und Forschungseinrichtungen sowie die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Facharbeiter und Ingenieure“. Wie wertvoll diese starke industrielle Basis ist, zeigte sich in der Bewältigung der jüngsten Krise. Wie aus einer Studie der Dekabank hervorgeht, erholte sich Deutschland schneller als nahezu alle anderen Industrieländer: „Die reale Wirtschaft hat die Krise abgehakt“, so Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. In der Analyse der Wirtschaftsentwicklung von 37 Staaten wurde untersucht, wann die Länder, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen würden. Deutschland schaffte diesen Wert bereits im dritten Quartal des letzten Jahres und damit noch vor den USA, die erst im zweiten Quartal des laufenden Jahres wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen dürften. Großbritannien und Frankreich werden sogar wohl erst 2014 das alte Niveau erreichen.
Starke Small & Midcaps
Eine Entwicklung, die sich auch in anderen Bereichen widerspiegelt: Nur in zwei der 34 OECD-Staaten liegt die Arbeitslosenquote heute unter dem Wert von vor der Lehman-Pleite im Sommer 2007: In Chile und in Deutschland. Auch der deutsche Leitindex schneidet im Vergleich gut ab. In den letzten drei Jahren konnte das Barometer um gut 50% zulegen, weder Großbritannien noch Frankreich können da mithalten, geschweige denn Italien, Spanien und Co. Doch wer bei positiven Nachrichten rund um den Wirtschaftsstandort Deutschland stets nur an die Vorzeigeunternehmen Siemens, Daimler, BASF & Co. und damit an die großen DAX-Konzerne denkt, der ist in der Vergangenheit deutlich zu kurz gesprungen. Denn sowohl der MDAX als auch der SDAX konnten sich in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppeln und haben den viel beachteten Leitindex damit klar outperformt.
Deutsche Champions im Paket
Das ist kein Zufall. Im MDAX und SDAX gibt es zahlreiche Weltmarktführer, die auf attraktiven Wachstumsmärkten tätig sind und sich dort über Jahre eine Spitzenposition erarbeitet haben. An Beispielen für diese Spezies mangelt es nicht: Dürr, Bauer, Jungheinrich, Schuler oder Brenntag, um nur einige Namen zu nennen. Trotz ihres Wachstums und der internationalen Expansion konnten sich viele von ihnen eine schlanke, mittelständisch geprägte Firmenkultur bewahren, die sie beweglich und flexibel macht. Eigenschaften, die sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen auszahlen. Dennoch greifen Anleger in vielen Fällen automatisch zu Produkten, die sich ausschließlich auf den großen Bruder DAX beziehen: „Zertifikate mit einem anderen deutschen Index als dem DAX werden leider kaum gehandelt“, so Nicolai Tietze von der Deutschen Bank jüngst in einem Interview. Neben entsprechenden Indexzertifikate beispielsweise auf den MDAX von HSBC Trinkaus (WKN: 741907) oder den SDAX von der Deutschen Bank (WKN: DB0SDX) können sich Anleger den Mittelstand auch über ETFs, z.B. von ComStage für den SDAX (WKN: ETF005) oder spezielle Fonds, wie den Lupus alpha Smaller German Champions (WKN: 974564) bequem ins Depot holen.
Nicht nur ein Autoland
Freilich lässt sich die deutsche Industrielandschaft nicht nur anhand der Unternehmensgrößen segmentieren. Eine branchenspezifische Betrachtung macht angesichts der unterschiedlichen Strukturen ebenfalls Sinn. Zu den wichtigsten Industriezweigen zählt neben der Autoindustrie hierzulande der Maschinenbau. Letzterer ist stark mittelständisch geprägt und in diesem Bereich gibt es wie oben dargestellt besonders viele Hidden Champions, also Weltmarkt- bzw. Technologieführer, die in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Wer dezidiert auf diesen Bereich setzen möchte, kann dies über den relativ jungen Solactive Deutscher Maschinenbau Performance-Index (WKN: SLA0DM) realisieren. Allerdings ist der hiesige Maschinenbau bereits fulminant in das Jahr 2012 gestartet: Mit einem Plus von über 20% (YTD) rangiert die Branche klar vor dem DAX (ca. 10%).
In voller Fahrt
Ganz anders die Automobilindustrie. Mit ihren vielen bekannten Namen – von Audi, BMW über Mercedes bis hin zu Volkswagen – steht sie häufig im Rampenlicht. Mindestens ebenso wichtig für die Stärke dieser Branche sind jedoch die Autozulieferer, die die Hersteller weltweit mit den nötigen Teilen versorgen. Hierzu gehören etwa Bosch, Continental oder Schaeffler, aber auch vor allem eine Vielzahl kleiner- und mittelständischer Betriebe. Wie wichtig dieses Segment ist, verdeutlicht eine Rechnung der Bundesbank: Demnach werden etwa 3% der gesamten deutschen Wertschöpfung in der Autoproduktion und den mit ihr verbundenen Branchen generiert. Dass dieses Segment zuletzt hervorragend lief, lässt sich nicht nur den Absatzstatistiken der Hersteller entnehmen, auch der entsprechende Branchenindex der Deutschen Börse hat sich in den letzten drei Jahren mit plus 70% hervorragend entwickelt und den DAX deutlich hinter sich gelassen. Neben den großen Autoherstellern umfasst der Index auch mittelständische Zulieferer wie PWO, Grammer oder Rücker.
Chemie: Säule des Exports
Als dritte Schlüsselindustrie gilt hierzulande die Chemieindustrie. Zwar zählt diese deutlich weniger Beschäftigte als beispielsweise die Metall- und Elektroindustrie, aber dafür ist ihre Bedeutung für den Export überragend: 12,4% der weltweiten Chemieausfuhren kommen aus Deutschland. Zu den größten Unternehmen zählen BASF und Bayer, sowie mit etwas Abstand Lanxesss und Linde. Und auch hier läuft es rund. Der DAXsector Chemicals Index hat sich in den letzten 36 Monaten sogar mehr als verdoppelt und verweist damit sogar die erfolgsverwöhnten Autobauer auf die Plätze.
Fazit
Zwar befinden sich gerade in M- und SDAX besonders viele Perlen, die angesichts ihres wirtschaftlichen Erfolges auch keineswegs überteuert sind, jedoch scheinen die DAX-30-Werte im Vergleich noch deutlich mehr Aufwärtspotenzial zu besitzen. Letztere sind auch deshalb interessant, weil die Small- und Midcaps für die großen institutionellen Investoren - aufgrund einer mangelnden Liquidität beziehungsweise Marktkapitalisierung – in der Regel kaum für größere Engagements in Frage kommen. Gerade die Versicherungen dürften ihre Aktienquoten in den kommenden Jahren jedoch wieder aufstocken – diese befinden sich derzeit auf einem historischen Tiefststand. Weil Sektorindizes angesichts des immanenten Clusterrisikos nur eingeschränkt zu empfehlen sind, dürfte der DAX für Anleger daher in Zukunft erste Wahl sein.