Unterhaltungselektronik - alles Apple oder was?
In der kommenden Woche öffnet in Berlin die IFA ihre Pforten – in Sachen Unterhaltungselektronik eines der wichtigsten Events des Jahres. Noch nie wurde die Branche allerdings so stark von einem einzelnen Unternehmen dominiert wie derzeit. Wie groß der Umbruch in der Branche wirklich ist, zeigt sich beim Blick auf Gewinner und Verlierer.
Vom 31. August bis zum 5. September findet in Berlin die 52. Internationale Funkausstellung (IFA) statt. Traditionell präsentiert das Who-is-who der Branche dort die Neuheiten, um bereits für das wichtige Weihnachtsgeschäft Schwung zu holen. Neue Produkte und Technologien für Endkunden, die sogenannte Consumer Electronics (CE), werden in Berlin traditionell aufwendig in Szene gesetzt. Welche enorme volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Segment hat, lässt sich an aktuellen Zahlen nachvollziehen.
Apple im Rampenlicht
„Die Unterhaltungselektronik allein wird in diesem Jahr einen Umsatz von rund 15 Mrd. verzeichnen“, so Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (gfu) und Vizepräsident des Elektrofachverbands ZVEI. „Mit einem Plus von mehr als 4% bei Consumer Electronics und einem Plus von 3% bei Hausgeräten prognostizieren wir für das Gesamtjahr 2012 einen positiven Geschäftsverlauf in Deutschland. Dies ist in Anbetracht des gesamtwirtschaftlichen Umfelds, das von der Schuldenkrise geprägt ist, ein herausragendes Ergebnis. Die IFA wird den Märkten weitere signifikante Impulse geben“, so Kamp weiter. Im Rampenlicht steht jedoch derzeit vor allem ein Konzern: Apple ist seit einiger Zeit mit einer Marktkapitalisierung von über 620 Mrd. US-Dollar das wertvollste Unternehmen der Welt.
Neue Fantasie dank iTV
Anders als bei facebook & Co. wird die Bewertung allerdings durch die fundamentale Entwicklung getragen. Allein für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2012, das am 30. Juni 2012 endete, konnte die Kultfirma einen Umsatz von 35,0 Mrd. US-Dollar sowie einen Nettoquartalsgewinn von 8,8 Mrd. US-Dollar ausweisen! Der Konzern verkaufte in diesem Zeitraum 26 Mio. iPhones, ein Plus von 28% gegenüber dem Vorjahresquartal, sowie 17 Mio. iPads, ein Plus von 84% gegenüber dem Vorjahresquartal. Und die Apple-Manager wollen noch mehr. In den kommenden Wochen soll gleich eine ganze Reihe neuer Geräte vorgestellt werden. Neben dem sehnlich erwarteten iPhone 5 und einer kleineren Version des beliebten iPads rechnen Experten auch mit der Vorstellung eines Apple-Fernsehgerätes (iTV). Verschiedene Analysten, beispielsweise Gene Munster von Piper Jaffray, empfehlen die Aktie daher mit einem Kursziel von 910 US-Dollar innerhalb von zwölf Monaten zum Kauf. Doch auch andere Unternehmen profitieren von neuen Technologien und veränderten Konsumentenbedürfnissen.
Elektronik für die Massen
„Innovative Produkte wie Smart TV, 3-D-Fernsehen und hochwertige Digitalkameras treiben den Markt“, so Ralph Haupter vom Bitkom-Präsidium. Lange Zeit spielten japanische Firmen wie Sony, Sharp und Panasonic in Sachen Fernseher, Stereoanlagen, Video- und CD-Player die erste Geige – doch das ist längst Vergangenheit: „Seit der Jahrtausendwende dominieren globale Hersteller aus Korea wie Samsung oder LG die Märkte. Und die chinesischen Unternehmen stehen in den Startlöchern“, so das HHL Center for Scenario Planning in einer Studie. Neben den Südkoreanern und Apple mischt seit einiger Zeit auch der Web-Riese Amazon mit seinen Kindle E-Readern kräftig mit. Erfolgreich positionieren konnten sich zudem taiwanesische Firmen, allen voran Hon Hai (WKN: 928182), Foxconn (WKN: A0D9A3) und HTC (WKN: 779549), die die begehrten Touchscreen-Produkte für andere zusammenbauen, inzwischen aber auch selbst entwickeln und vertreiben. Der Trend zur Heimvernetzung, im Englischen Connectivity, bleibt darüber hinaus hochaktuell. Darunter versteht man die Vernetzung der verschiedenen Gerätearten aus den Bereichen der Unterhaltungselektronik, Informationstechnik und Telekommunikation.
Aktuelle Entwicklung und Trends
Innerhalb der Unterhaltungselektronik stehen Flachbildfernseher nach Angaben des Verbandes Bitkom in Deutschland für fast die Hälfte (49%) der Umsätze. Wachstum bringt vor allem der Boom internetfähiger Fernseher: Wurden im vergangenen Jahr noch 3,4 Mio. sogenannte Smart-TV-Geräte verkauft, werden es dieses Jahr voraussichtlich bereits 4,9 Mio. sein. Weiterhin stark zulegen dürfte nach Schätzungen des Branchenverbandes auch das Geschäft mit Smartphones und Tablet-Computern. So könnte der Umsatz mit den schlauen Handys 2012 um 46% auf 7,9 Mrd. Euro zulegen. Bei den Tablets soll der Erlös um 13% auf 1,1 Mrd. Euro klettern. Für die Spezialisten des amerikanischen Analysehauses Gartner ist das Thema Tablets und Mobile Computing weltweit aktuell der wichtigste Technologie-Trend. Auf Rang 2 folgt die veränderte Nutzungsweise, die durch neue Interaktionsmöglichkeiten – wie berührungsempfindliche Bildschirme, Bewegungs- und Sprachsteuerung – überhaupt erst möglich wird. In diesem Bereich könnte Invensense (WKN: A1JPHL), ein führender Anbieter von Bewegungssensoren, zukünftig eine wichtige Rolle spielen: Genutzt wird die Technologie von Invensense jedenfalls bereits von Samsung, HTC und LG. Das Unternehmen ging Anfang dieses Jahres an die Börse. Nach einer Achterbahnfahrt nahm die Notierung zuletzt wieder deutlich an Fahrt auf und notiert derzeit nahe der Erstnotiz. Trotz des kräftigen Wachstums bei Tablets, Smartphones, Smart-TVs & Co. gibt es aber auch Verlierer.
Rasanter Abstieg aus der 1. Liga
In welchem Tempo neue Trends die Welt verändern, erfahren derzeit auch einstige Vorzeigeunternehmen am eigenen Leib. Weil man die Entwicklung hin zu Smartphones verschlafen hatte, geriet der einstige Handy-Marktführer Nokia (WKN: 870737) in die Krise. Der finnische Mobilfunkhersteller verkaufte im zweiten Quartal 39% weniger Smartphones als noch ein Jahr zuvor und fuhr einen Verlust von 1,41 Mrd. Euro ein. An der Börse manifestiert sich dies in Form einer verheerenden Kursentwicklung: In den letzten zwölf Monaten verlor das Papier über 40% an Wert. Noch härter hat es den Smartphone-Pionier Research In Motion (WKN: 909607) getroffen. Der Hersteller der berühmten Blackberrys wurde von der Konkurrenz an die Wand gespielt: In den letzten zwölf Monaten verlor die Aktie fast 70% an Wert. Auch die Hersteller von Spielekonsolen wie Nintendo und Sony kämpfen mit erheblichen Absatzrückgängen. Allerdings hat der Wandel die japanischen Elektronikriesen insgesamt schwer getroffen. Firmen wie Sony (WKN: 853688) und Panasonic (WKN: A0RAWF) haben in den letzten Jahren mehr als 75% ihres Wertes verloren und sind teils so wenig wert wie seit Anfang des Jahrzehnts nicht mehr. „Mittelfristig werden zentrale Produkte der Unterhaltungselektronik zu Massengütern werden“, so die Analysten von Goldman Sachs. In diesem Umfeld werden die früheren Vorzeigeunternehmen Nokia, Sony & Co. zwischen hochinnovativen Playern wie Apple und Massenproduzenten wie Taiwans Hon Hai und Foxconn zerrieben.
Fazit
Die Unterhaltungselektronikbranche profitiert von den enormen Technologiesprüngen der letzten Jahre. Aus innovativen Technologien haben Firmen wie Apple, Amazon & Co. neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickelt. Von Stock-Picking ist – mit Ausnahme von Apple – aufgrund der Komplexität der Märkte abzuraten. Breit aufgestellte Fonds mit einem hohen Anteil an chinesischen, koreanischen und taiwanesischen CE-Firmen sind dagegen aussichtsreich.