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US-Wirtschaft besser als ihr Ruf

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten steckt tief in der Krise. Die Staatsverschuldung hat mit 16 Bio. US-Dollar astronomische Ausmaße angenommen, die Arbeitslosigkeit ist hoch und das Wachstum schwach. Doch das ist nur die eine Seite. Vielen Firmen geht es blendend. Und US-Aktien sind mehr als nur einen Blick wert.

BÖRSE am Sonntag

Obama hat die Wahl gewonnen. Der Wirtschaft wäre ein Präsident Mitt Romney lieber gewesen, doch das interessiert angesichts der anstehenden Herausforderungen schon niemanden mehr. Der Supertanker USA steuert nämlich geradewegs auf eine Felsklippe, das sogenannte Fiscal Cliff  zu.

Riff umschiffen

Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Bündel an Maßnahmen, die im Rahmen einer Schuldenbremse automatisch greifen, sobald ein bestimmtes Verschuldungsniveau erreicht ist. Die Belastungen, die sich aus einem Wegfall von Steuererleichterungen und Ausgabenkürzungen errechnen, könnten sich auf rund 600 Mrd. US-Dollar belaufen. Damit würde dem Wirtschaftskreislauf ein Betrag, der ungefähr 4,4% des Bruttoinlandproduktes (BIP) entspricht, kurzfristig entzogen. Laut einer Studie des unabhängigen Congressional Budget Office (CBO) würde dies in eine neue Rezession führen: Die US-Wirtschaft dürfte in diesem Fall 2013 um 0,5% schrumpfen und die Arbeitslosenquote von 7,9% heute auf dann 9,1% hochschießen.

Das Triple A ist weg

Um diesen Automatismus zu verhindern, müssen sich die Politiker der beiden großen Parteien bis zum Ende des Jahres auf einen neuen Haushalt einigen. Im vergangenen Jahr führten die Verhandlungen über die Anhebung der Schuldengrenze beinahe zum Staatsbankrott. Erst in letzter Sekunde konnte man sich damals einigen. Allerdings hatte dies auch wahltaktische Gründe, die mit der Wiederwahl Obamas nun entfallen sind. Die Kunst wird nun darin liegen, die Konjunktur nicht abzuwürgen und gleichzeitig das Haushaltsdefizit zurückzufahren. Denn angesichts einer Rekordverschuldung von 16 Bio. US-Dollar können auch die Vereinigten Staaten nicht einfach weitermachen wie bisher. Ein Warnschuss in diese Richtung war die Aberkennung des Top-Ratings durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s im August letzten Jahres.

USA glänzen mit Wachstum

Angesichts der großen Herausforderungen treten die Stärken der amerikanischen Wirtschaft leicht in den Hintergrund. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die USA mit ihrer liberalen Wirtschaftsordnung enorme Widerstandsfähigkeit und Innovationskraft besitzen. Tatsächlich sprechen die jüngsten Zahlen eine eindeutige Sprache: Im September ist die Arbeitslosigkeit zum ersten Mal seit Jahren wieder unter die wichtige Marke von 8% gefallen und die Wirtschaft konnte mit 2% zuletzt deutlich stärker wachsen als erwartet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) äußerte sich daher kürzlich wie folgt: Keine Industrienation werde wohl in den kommenden vier Jahren stärker wachsen als die USA.

Es geht voran

Auch auf der Haushaltsseite gibt es Positives zu berichten. Das Defizit des Ende September abgelaufenen Haushaltsjahres 2012 fiel mit 1,1 Bio. US-Dollar um über 200 Mrd. US-Dollar niedriger aus als noch im Vorjahr und beträgt nur noch 7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Parallel dazu sank auch die Verschuldung der privaten Haushalte seit der Finanzkrise 2007 um 15%. Nachdem sich auch der wichtige Häusermarkt zuletzt stabilisierte, schöpfen die amerikanischen Konsumenten wieder Hoffnung: Der viel beachtete Stimmungsindex der Universität von Michigan erreichte mit 83,1 einen so guten Wert wie seit fünf Jahren nicht mehr. Dazu trug zweifellos auch die Entwicklung an den  Aktienmärkten bei: Zwischen Januar 2009 und Oktober 2012 konnte der Dow Jones um fast 70% zulegen. Weil viele Amerikaner, unter anderem für die Altersvorsorge, in Aktien investieren, kommt dieser Anstieg direkt bei den Haushalten an. Ihr Vermögen hat sich inzwischen deutlich erholt. In der Folge stiegen auch die tatsächlichen Konsumausgaben im laufenden Jahr wieder. Ein entscheidender Faktor, denn diese stehen in den USA für 70% des Bruttoinlandsprodukts.

Hoch rentable US-Konzerne

Neben der konjunkturellen Erholung und der Verbesserung der Verbraucherstimmung können auch die Zahlen der Konzerne überzeugen. Sie sind laut einer Analyse der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die das erste Halbjahr 2012 berücksichtigt, deutlich profitabler: Die operativen Gewinne der 300 größten US-Unternehmen kletterten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,8%, bei den europäischen Pendants ging es dagegen um 4,4% bergab. Im Schnitt liegt das Verhältnis von operativem Ergebnis zum Umsatz bei den amerikanischen Konzernen um drei Prozentpunkte höher. Das spiegelt sich auch in den KGVs wider: Während der S&P 500 derzeit auf ein durchschnittliches KGV von rund 13,8 kommt, sind es beim EURO STOXX 50 23,2. Besonders rentabel arbeiten beispielsweise Philip-Morris, Colgate-Palmolive, Yum! Brands und Boeing. Privatanleger, die kein Stock-Picking betreiben möchten, sind mit einem ETF auf den S&P 500 gut aufgestellt.

Mit Innovationen aus der Krise

Keinem anderen Land gelingt es so gut wie den USA, technologische Innovationen in neue Business-Modelle und Firmen umzumünzen. So gibt es beispielsweise in Deutschland nach wie vor kein Internet-Unternehmen, das es zum Milliardenkonzern geschafft hat. In den Vereinigten Staaten ist der Aufstieg von Google, amazon, eBay und facebook dagegen eine Blaupause und ein Katalysator für neue Unternehmungen. In der Schlacht um die Position in der digitalen Welt von Morgen sind die Europäer nur Zaungäste: „Die USA sind die treibende Kraft in dieser mobilen Revolution. Die wichtigsten Unternehmen wie Apple, Google, facebook und amazon haben dort ihren Sitz und sie sind die Schlüsselakteure für diesen Wandel. Ihre Produkte sind auf dem US-Markt extrem erfolgreich und sie übertragen diesen Erfolg auf die Märkte in Europa und den Rest der Welt“, so René Schuster, CEO von O2/Telefónica Germany kürzlich in einem Interview mit der Zeitschrift „IP“. Eine Stellung deren Potenzial man nicht unterschätzen sollte: „So ist es durchaus vorstellbar, dass die mobile Revolution die USA aus der derzeitigen tief greifenden Wirtschaftskrise herausführt, auch dank des Vorsprungs in Sachen Technologie, Innovationsfähigkeit und Kreativität“, so Schuster weiter.

Ran an die Infrastruktur!

Doch auch abseits von Bits und Bytes bieten sich Chancen. Nicht erst seit dem Hurrikan „Sandy“ ist bekannt, dass die Infrastruktur des Landes in einem katastrophalen Zustand ist. Über Jahrzehnte wurde wenig bis gar nichts in Kraftwerke, Brücken, Straßen, Schienen und Kabelnetze investiert. Der Investitionsbedarf ist gigantisch: „Die Prognose zur Infrastrukturentwicklung der American Society of Civil Engineers geht von einem landesweiten Investitionsbedarf in den USA von durchschnittlich 440 Mrd. US-Dollar jährlich im Zeitraum der nächsten fünf Jahre aus. Die Wirklichkeit offenbart den Zustand der Unterfinanzierung: Im Jahr 2011 beispielsweise sind nur 261 Mrd. US-Dollar in die Infrastruktursektoren investiert worden. Damit entsteht allein für das Vorjahr eine Lücke von 179 Mrd. US-Dollar“, so Günter Maier und Ullrich Umann in einer Analyse für Germany Trade & Invest (GTAI). Die Experten der Beratungsgesellschaft FMI kamen in ihrer Prognose zu dem Ergebnis, „dass der Infrastrukturbau 2012 um beachtliche 4% auf ein Bauvolumen von 225,9 Mrd. US-Dollar wachsen wird. Für die Jahre 2013 bis 2015 prognostiziert FMI noch höhere Wachstumsraten auf der Bandbreite von 7% bis 9%“. Profitieren dürften davon vor allem heimische Konzerne wie Caterpillar, General Elektrik & Co. Mit einem ETF oder Zertifikat auf den S&P Construction & Engineering Index  (z. B. WKN: AA1FM4) lässt sich die Branche bequem abdecken.

Fazit

Die USA stehen zweifellos vor großen Herausforderungen. Die ungeheure Wirtschafts- und Innovationskraft, die liberale Grundordnung und der ungebrochene Zustrom ausländischer Arbeitskräfte bescheren dem Land jedoch eine Ausnahmestellung. Daher zählen amerikanische Blue Chips nicht zuletzt auch aufgrund ihrer internationalen Ausrichtung und nachhaltigen Ertragsstärke zu den Basisinvestments.